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03.12.05 / Sensibler Beobachter / Eine Ausstellung in Dresden zeigt Werke von Adolph Menzel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Sensibler Beobachter
Eine Ausstellung in Dresden zeigt Werke von Adolph Menzel
von Silke Osman

Menzels Leben", schrieb 1896 der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, "bietet ein Schauspiel, das ähnliche Empfindungen wachruft wie der Anblick seiner Werke. Ein unendlicher Reichtum von Tatsachen entwikkelt sich mit starker Logik aus den gegebenen Prämissen ... Was sich ihm entgegenstellte, hat er durch seine im Dienst eines unermeßlichen Arbeitsvermögens stehende Riesenkraft unterworfen."

Nichts war sicher vor seinem Zeichenstift, vor seinem Pinsel. Im Mantel des Künstlers befanden sich mehrere Taschen für die verschiedenen Skizzenblöcke sowie die weichen und harten Stifte. Den Augenblick wollte er festhalten, die kleine Geste, die kleine, zunächst unscheinbare Szene. Entstanden sind Meisterwerke, die ihresgleichen suchen. Adolph Menzel - Fachleute nennen ihn einen genauen Beobachter der Gegenwart und einen Chronisten der Vergangenheit.

Geboren wurde Adolph Menzel am 8. Dezember 1815 in Breslau, wo sein Vater, ursprünglich ein Lehrer, eine lithographische Anstalt betrieb. Adolph war 14 Jahre alt, als er acht Lithographien schuf, die sein Vater als Illustrationen zu Knutzens "Geschichte des preußischen Staates" verwendete. 1830 siedelte die Familie nach Berlin über, wo der junge Künstler sich an alten und neuen Kunstwerken orientieren konnte und immer wieder neue Eindrücke empfing, während der Vater dort nur schwer Fuß fassen konnte. Adolph besorgte ihm Aufträge und unterstützte ihn bis zu seinem Tod 1832. Der junge Mann übernahm daraufhin die Steindruckerei seines Vaters und ernährte die Mutter und seine zwei Geschwister.

Nach einem kurzen Besuch der Akademie beschloß er, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich auf eigene Füße zu stellen. In der Weihnachtszeit 1833 erschien sein erster selbständiger Illustrationszyklus zu "Künstlers Erdenwallen" nach Goethe. Menzel schrieb darüber in einem Entwurf für das Brock-haus-Lexikon 1872: "Gegenüber dem, was ich Größeres und Schwereres im Hinterhalt hatte, war diese Arbeit nur eine Fühlung, aber für mich von aufmunterndstem Erfolg: einstimmige Aufnahme in die Künstlerschaft - ich war in meinem Element angelangt! Und das Erhebendste mußte mir das auszeichnende Verhalten des alten Direktors Schadow, des Bildhauers, sein; dieser (bei der Schonungslosigkeit seiner Urteilsweise von den Kunstjüngern hoch gefürchtet) widmete aus eigner Bewegung, ohne mich persönlich zu kennen, meinem Opus ein vielsagendes öffentliches Wort." - Das sollte nicht immer so sein; Schadow kritisierte nach Erscheinen der ersten Lieferung von Menzels Illustrationen zur "Geschichte Friedrichs des Großen" die Arbeit mit unsachlich scharfen Worten.

Mit den Illustrationen zu den "Denkwürdigkeiten aus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte" hatte sich Adolph Menzel zum ersten Mal einem seiner späteren Hauptthemen zugewandt. Der Kunsthistoriker Franz Kugler wurde auf den jungen Mann aufmerksam und empfahl ihn als Illustrator für die "Geschichte Friedrichs des Großen". Nicht zuletzt durch die Holzstiche Menzels, die einen volkstümlichen König zeigen, wurde dieses Buch zu einem Volksbuch. "... meine Intention war, den Fürsten darzustellen, den die Fürsten haßten und die Völker verehrten, dies war das Ergebnis dessen, was Er war, mit einem Wort: den alten Fritz, der im Volke lebt. Dies schien mir die für ein Volksbuch passendste Auffassung, jede andere fand ich auch schon ausgesogen und ausgedroschen", so Menzel. Und noch heute wird das Bild des großen Preußenkönigs durch seine Darstellungen geprägt.

Adolph Menzel starb am 9. Februar 1905. Er war der einzige Künstler, der mit dem höchsten preußischen Orden ausgezeichnet wurde (1898), dem 1701 in Königsberg gestifteten Schwarzen Adlerorden. Lange Jahre wurde er "nur" als Maler der preußischen Geschichte angesehen; erst später erkannte man, daß der große Künstler ein genauer Beobachter, ein Schilderer seiner Zeit war, ein kritischer Zeitgenosse auch, der das bürgerliche Leben ebenso darstellte wie das höfische. Historienbilder gehören gleichermaßen zu seinem Schaffen wie zeitgenössische Schilderungen des Großstadtlebens und der Arbeitswelt. Nicht zuletzt durch diese Werke wurde Menzel zu einem Wegbereiter der Moderne.

Einblick in das Leben des Malers gewinnt man bei der Lektüre eines schmalen Buches, das unter dem Titel Kleine Exzellenz privat bei E.A. Seemann, Leipzig, erschien und eine Auswahl aus privat gehaltenen, sonst nicht zusammenhängend publizierten Briefen und Aufzeichnungen Menzels enthält (112 Seiten, 14 farbige und 20 sw Abbildungen, 12,90 Euro). Da schildert der Breslauer auch einen Besuch, den er 1840 Dresden abstattete, "aber nicht zur Erholung, 's war nicht mal ein Amüsement ".

"Die zwölf Tage, die ich da war, habe ich im Zwinger, auf der Bibliothek, der Galerie, in den Kirchen usw. zugebracht", schrieb er an seinen Freund Arnold nach Kassel. An der Galerie, der Gemäldegalerie Alte Meister im Semperbau des Zwingers, läßt er kaum ein gutes Haar; sie habe "sehr viel Verwahrlostes und fast untergehendes Schönes, aber auch ungeheuer vielen Schund ..." Vier Jahrzehnte später zog es den Maler in den Süden: "Über die italienische Grenze 1881 nur bis Verona, Como, Brescia, Bergamo gelangt, da hatte mir der Markt zu Verona es angetan, an ihm blieb mein Pinsel haften ..."

1884 entstand dann das Gemälde "Piazza d'Erbe in Verona", das in der Galerie Neue Meister in Dresden schließlich eine Heimstatt fand. Zu sehen sind Menzels letztes großes Ölgemälde und die zugehörigen Studien- und Modellzeichnungen in einer Ausstellung des Kupferstichkabinetts, die noch bis zum 20. Februar im Dresdner Residenzschloß, Eingang Sophienstraße, besucht werden kann (täglich außer dienstags 10 bis 18 Uhr).

Neben den etwa 170 Werken von Menzels Hand, überwiegend Zeichnungen, aber auch drei Skizzenbücher, 17 grafische Blätter sowie sechs Gemälde und Ölstudien, kann man auch Exponate aus der Rüstkammer und dem Kunstgewerbemuseum betrachten, die Menzel als Studienobjekte dienten.

Die wahre Meisterschaft des Breslauers aber erkennt auch der Laie in seinen Skizzenbüchern, die Jörg Probst nun erstmals als eine einführende Überblicksdarstellung zur Bildwelt Menzels vorlegt: Adolph von Menzel - Die Skizzenbücher. Sehen und Wissen im 19. Jahrhundert (Gebr. Mann Verlag, Berlin, 204 Seiten mit 83 Abb., Klappbroschur, 34,50 Euro). Mit dem Bleistift in der Hand überprüfte Menzel immer wieder sein Sehen, und so zeigen die Skizzenbücher des Künstlers, dessen Leben eine ganze Epoche umfaßte, auch den "Wandel der Wahrnehmungsweise und das wechselhafte Verhältnis von Sehen und Wissen im 19. Jahrhundert", wie Probst betont.

Auch 100 Jahre nach seinem Tod ist die "kleine Exzellenz", sind Adolph Menzel und sein Werk immer noch im Blick-punkt der Öffentlichkeit, aber auch der Kunstwissenschaftler. Vielleicht liegt das letztendlich an seiner Erkenntnis, daß wahre Kunst erlernt sein muß: "Wahr ist wohl, daß je mehr einer zur Kunst zugeschnitten ist, desto saurer fällt ihm das Handwerk", schrieb Menzel 1856, "alle Kunst ist ja aber auch zugleich Handwerk, was bitter erlernt werden muß, und grade mit darin liegt ihr Großes".

Alte Frau: Studie, die Adolph Menzel für sein Ölgemälde "Piazza d'Erbe in Verona" (Bleistift, 1883) schuf Foto: Herbert Boswank

Menzel, der Beobachter: Mit aufmerksamem Blick verfolgte der Künstler das Geschehen, um es in seinem Skizzenblock festzuhalten.

Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / bpk 2005


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