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03.12.05 / Wenn Kinderträume wahr werden / Ausstellungen in Museen von Hamburg bis Frankfurt am Main zeigen Spielzeug aus drei Jahrhunderten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Wenn Kinderträume wahr werden
Ausstellungen in Museen von Hamburg bis Frankfurt am Main zeigen Spielzeug aus drei Jahrhunderten
von Silke Osman

In eines Dichters Stube hieß es einmal, als man sein Tintenfaß betrachtete, das auf dem Tische stand: ,Es ist doch merkwürdig, was alles aus diesem Tintenfaß herauskommen kann! ... " So beginnt das Märchen "Schreibfeder und Tintenfaß", das Hans Christian Andersen einst zu Papier gebracht hat. Hier, wie in so vielen Märchen des dänischen Nationaldichters, läßt er "tote Dinge" zu Wort kommen, streiten sich doch Schreibfeder und Tintenfaß darum, wer denn wichtiger sei. Andersen gibt allem letztendlich einen versöhnlichen Schluß, indem er den Dichter an ein Violinkonzert zurückdenken läßt: "Wie töricht, wenn Bogen und Geige sich auf ihr Tun etwas einbilden würden, und dennoch tun wir Menschen es so oft, der Dichter, der Künstler, der Erfinder in den Wissenschaften, der Feldherr; wir bilden uns auf unser Tun etwas ein - und sind doch alle nur die Instrumente, auf denen der Herrgott spielt; ihm allein sei die Ehre! Wir haben nichts, worauf wir uns etwas einbilden könnten!"

Mit den Märchen des Hans Christian Andersen hat der Herrgott ganz besonders wohlklingende Saiten angeschlagen, ziehen sie doch auch heute noch die großen und kleinen Zuhörer oder Leser in ihren Bann. 156 Märchen hat der Däne geschrieben, darunter sind 22, in denen er Spielzeug lebendig werden läßt. Wer kennt ihn nicht, den standhaften Zinnsoldaten, dem Andersen 1838 eine Stimme (und Seele) gab? Ein literarischer Kniff, der damals Aufsehen erregte, war es doch neu und ungewohnt, daß "tote Dinge" sprachen. Ab 1775 wurden kleine Soldaten aus Zinn, denen Friedrich der Große und seine Truppen als Vorbild dienten, in Nürnberg serienmäßig hergestellt. Ab etwa 1850 wurden sie massenweise produziert. Zunächst flach und beidseitig graviert, wurden sie ab 1830 plastisch geformt. In Dänemark wurde die Produktion um 1850 aufgenommen. Zuvor kamen die Figuren meist aus Deutschland, wie überhaupt das damals gängige Spielzeug als Import aus den klassischen deutschen Spielzeuggegenden kam, aus dem Erzgebirge und Thüringen.

Natürlich konnten sich nur Wohlhabende es sich leisten, Spielzeug zu kaufen, die Ärmeren fertigten sich ihr Spielzeug selbst. Etwa eine Springgans aus dem Brustbein einer Gans, wie sie in dem Märchen "Die Springkerle" vorkommt.

All diesem Spielzeug, dem kunstvollen, aber auch dem selbstgemachten, begegnet der Besucher einer Ausstellung, die im Altonaer Museum in Hamburg zu sehen ist (dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr; bis 29. Januar 2006). Zur Ausstellung "Hans Christian Andersen und das Spielzeug", die in Zusammenarbeit mit dem Holbæk Museum und dem Museet paa Koldinghus in Kolding entstand, ist ein reizendes Büchlein von Torkild Hinrichsen, Hauptkustos und stellvertretender Direktor des Altonaer Museums, im Husum Verlag erschienen (96 Seiten, zahlreiche, teils farbige Abbildungen, broschiert, 7,95 Euro). Kenntnisreich und einfühlsam stellt Hinrichsen die Spielzeugmärchen vor und geht auf die Besonderheiten in der Erzählkunst des vor 200 Jahren geborenen Dichters ein. Buch wie auch Ausstellung geben Einblicke in die Erlebniswelt eines Kindes in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis in unsere Tage haben Andersens Märchen die Kinderwelt beeinflußt, so ist im Altonaer Museum auch eine Sonderedition des Spielzeugherstellers Lego zu sehen. Das grell leuchtende Plastik der Figuren aus Andersens Märchen (Kleine Meerjungfrau, Schneekönigin, Prinzessin auf der Erbse) hebt sich drastisch ab von den sanften Farben des alten Spielzeugs aus dem Erzgebirge.

Diesen "vergangenen Kinderträumen" kann man noch bis zum 19. Februar 2006 im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg nachgehen, wo restauriertes Spielzeug aus der Sammlung Johannes Martin ausgestellt wird (dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr). Auf Müllhalden, Dachböden und Flohmärkten fand der Leipziger alte Puppenstuben oder Ritterburgen, die er fachgerecht aufbesserte. Nicht immer ganz fachgerecht, aber mit sehr viel Phantasie gehen Kinder in der Dritten Welt daran und bauen sich aus alten Konservendosen (unser Foto links zeigt ein Fahrrad, das Kinder aus dem Senegal aus Metallresten bauten), aus Holz, Plastik oder Stoffresten eigenes Spielzeug. Die Not macht sie erfinderisch, und so mancher Erwachsene denkt jetzt vielleicht an die eigene Kindheit zurück, als die Flickerpuppe oder ein Auto aus Holz das liebste Spielzeug war.

Kinder, die mit Playmobil und Barbie aufwachsen, begegnen in einer Wanderausstellung von Plan International, die noch bis zum 19. Februar 2006 im Kindermuseum des Historischen Museums Frankfurt / Main, Saalgasse 19, zu sehen ist, "WeltSpielZeug" und lernen so spielerisch Land und Kinder kennen, die fern von ihrer eigenen Erlebniswelt sind (dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr).

Spielen ist für Kinder eine besonders effektive Form zu lernen, haben Pädagogen festgestellt. Lernfreude, Selbständigkeit, Freiwilligkeit, Selbsttätigkeit, Kreativität und Spaß sind wesentliche Aspekte, die das kindliche Spiel kennzeichnen. Ein Spiel, bei dem Eltern nicht abseits stehen dürfen, schließlich ist eine der häufigsten Fragen aus Kindermund: "Spielst du mit mir?"

Gemeinsames Spiel ist für die Entwicklung der Kinder immens wichtig. Und so hat der Frankfurter Verein "Mehr Zeit für Kinder e.V." gemeinsam mit der Lego Deutschland GmbH ein Plakatmotiv veröffentlicht, das einen Jungen beim Spiel zeigt - der Fernseher ist dabei weit in den Hintergrund gerückt. Mehr Zeit für Kinder, zum Spielen, zum Vorlesen (vielleicht Andersens Märchen?) - gerade im Advent ist die beste Gelegenheit für dieses gemeinsame Tun.

Mehr Zeit für Kinder: Die unter anderem von Lego mit gestaltete Aktion wirbt fürs unbeschwerte Spiel.

Der standhafte Zinnsoldat: Figur aus Andersens Märchen mit einem Zinnlöffel im Hintergrund


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