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03.12.05 / Immer geliebte Heimat / Wie wir als Kinder Weihnachten erlebten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Immer geliebte Heimat
Wie wir als Kinder Weihnachten erlebten
von Eva Pultke-Sradnik

Wenn es auf Weihnachten zuging, wurde für uns Kinder die Welt wie verzaubert. Alles war anders, ob im Haus, Hof oder Stall. Überall stieß man auf Heimlichkeiten. Da wurde oft blitzschnell eine Schublade zugemacht, eine Schranktür geschlossen oder etwas Knisterndes auf den Schrank gelegt. Es roch nach Mandeln, Gebackenem, Gewürzen. Abends hatten die Großen noch Fondants oder anderes Naschwerk gemacht. Das Marzipan lag unter weißem Papier in einem Karton. Ein paar Bröckelchen oder Runtergefallenes kriegten wir am nächsten Tag zum Schmengern. Wir mußten auch viel öfter als sonst zur Großmutter gehen, was wir ohnehin nicht ungern taten. Sie hatte keine große Mühe uns zu bändigen, denn sie verwies nur, sie drohte keineswegs, auf den Weihnachtsmann und fragte so nebenbei, wie denn jene Klopperei unter den Jungens oder das Malheur in der Schule ausgegangen war. Dann mußten wir alle noch mal unser Weih-nachtsgedicht aufsagen und lernten unter ihrer strengen Aufsicht einen tiefen Diener oder einen Knicks zu machen, das gehörte nämlich zum Aufsagen eines Gedichts. Dann übten wir noch die alten Weihnachtslieder wie: "Der Christbaum ist der schönste Baum" und "Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen" wobei wir uns heimlich hinter dem Rücken ein bißchen knufften und kitzelten. Wenn es dann noch draußen schneite, die Flocken so schön sacht krieselten, sich auf den großen Holzkegel, die Pumpe, auf die Dächer und Zäune legten, daß sie so richtig rund und gemütlich aussahen, dann konnte die Erwartung bis zum Heiligen Abend übergroß werden. Aber ein bißchen flau war einem jeden zu Mute. War ich denn auch artig genug? Werde ich den doppelten Holzgriffelkasten, das Ledermäppchen, die Puppe, die Ritterburg oder die Eisenbahn bekommen? So reichlich ging es ja meistens gar nicht zu, aber wir verstanden uns auch über Kleinigkeiten zu freuen. Und der bunte Teller entschädigte auch für vieles. Ja auch unsere Häuser wußten viel zu erzählen, von den vielen Menschen, die schon durch diese Türen gegangen waren. Wenn Gretelchen daran dachte, daß auch schon der Opa vor 70 Jahren so verschüchtert wie ihr Bruder Klaus jetzt auf dem Sofa gesessen war, daß Onkel Paul und Tante Mia als kleine Bowkes und Marjellchen ängstlich ihr Gedicht aufgesagt hatten, dann stärkte dies ein wenig das Selbstbewußtsein.

Nun ist so viel Zeit vergangen, unsere Heimat in fremder Hand, unsere Häuser fort, verloren oder verlebt. Die Mauern sind brüchig, die Fenster oft blind, die Türklinken werden von fremden Menschen geöffnet. Vielleicht gibt es aber auch trotzdem auch dort Kinder, die mit heißen Herzen und Händen Wünsche, Sorgen und Nöte haben und unser Haus, falls noch vorhanden, gibt ihnen Wärme und nimmt ihnen das Gefühl der Angst. Ach was war es doch immer so schön graurig, wenn wir im Dunkeln noch mal aufs "Häuschen" mußten oder noch mal ein oder zwei Kloben Holz zum Nachlegen gebraucht wurden. Da rieselte es vor lauter Angst so schön kribblig den Rücken runter. Aber Angst, aber i wo nein doch, Angst hatten wir nicht ... Wovor auch, vielleicht vor Gespenstern, dem Buscherbaubau oder dem Mann, der seinen Kopf unterm Arm trug? Wir lebten diese Grusligkeit aber auch mehr oder weniger ein bißchen aus! Wenn wir heute, ganz besonders zur Weihnachtszeit, an zu Hause denken, dann tun wir dies immer in seiner Ganzheit. Wir sehen alles so wie es einmal war, bis ins kleinste Detail können wir uns hineinversenken. Woran sollten wir uns aber auch sonst halten können? Es ist schön, daß uns diese Gabe geblieben ist.


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