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10.12.05 / Versöhnliches und Unversöhnliches / Anmerkungen zur Polen-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Dezember 2005

Versöhnliches und Unversöhnliches
Anmerkungen zur Polen-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel
von Bernhard Knapstein

Wer von Frau Merkel erwartet hatte, sie würde im Rahmen ihres ersten Besuchs in Warschau als Bundeskanzlerin einen Durchbruch in Sachen „Zentrum gegen Vertreibungen“ erzielen, der wurde enttäuscht. Mußte er auch, denn es war von vornherein absehbar, daß dieser erste Besuch Merkels in Warschau lediglich als Signal von Gesprächsbereitschaft verstanden werden sollte. Zu heftig waren die antideutschen und antieuropäischen Ausfälle im polnischen Herbst-Wahlkampf ausgefallen.

Wer allerdings geglaubt hatte, die Protagonisten der regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) würden nach erfolgreichem Abschluß des Wahlkampfs ausschließlich leise Töne anschlagen, der mußte Widersprüchlichkeiten konstatieren.

Der polnische Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz gab die Rolle des Versöhnlichen und erklärte, wenn Deutschland „im europäischen Geiste“ der „Zwangsaussiedlung“ gedenken wolle, sei dies ein richtiger Schritt. Von „Vertreibung“ solle man allerdings nicht sprechen, so Marcinkiewiczs einschränkendes Petitum.

Merkel reagierte angemessen. Sie hatte vor ihrer Warschaureise um Verständnis für ein „sichtbares Zeichen zur Erinnerung an Vertreibungen in Berlin“ geworben, sie wiederholte es mit der ihr eigenen Beharrlichkeit auch in Warschau noch einmal. Das Erinnern an die Opfer, so die Kanzlerin, habe nichts mit „einer Relativierung der Geschichte“ zu tun. Polen sollte dieses Signal der gemäßigten Worte, die weder Verzichtserklärung noch Konfrontationskurs waren, verstanden haben.

Auch in Sachen Erdgasleitung durch die Ostsee macht sich Entspannung breit. Nach dem Schröderschen Kurs des Zerschlagens von Porzellan im östlichen Europa fährt Merkel erwartungsgemäß eine integrative Politik. Polen wird fortan an einer Arbeitsgemeinschaft beteiligt, die dem besseren Informationsaustausch dient. Polen braucht sich bei künftigen Moskaureisen aus Berlin nicht mehr übergangen zu fühlen. Diese Arbeitsgemeinschaft wird der von der CDU versprochene Zwischenstop des Fliegers nach Moskau in Warschau sein. Über diesen verbesserten Informationsfluß hinaus ist sogar eine Abzweigung der Ostsee-Gasleitung zugunsten Polens im Gespräch, womit Moskau übrigens kein Problem hat – ein Faktum, das die Defizite der Außenpolitik Schröders und Fischers zu Tage treten läßt.

Der neuen Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzlerin geht es offensichtlich darum, den polnischen Populisten einen Weg zu bahnen, auf dem man kommunizieren kann. Auch der BdV hatte wegen der Zentrumsdebatte nicht auf massive Worte gedrängt. Im Vorfeld der Reise hatte BdV-Präsidentin und Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach (CDU) der Kanzlerin sogar empfohlen, bei ihrem Antrittsbesuch in Warschau nicht von sich aus das „Zentrum gegen Vertreibungen“ anzusprechen, sondern allenfalls zu reagieren.

Die Rolle des Unversöhnlichen unter den Warschauer Populisten mimte hingegen PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des designierten polnischen Staatspräsidenten. Er ließ ohne weitere Erklärung das mit der deutschen Bundeskanzlerin geplante Treffen platzen, einem schmollenden Kind ähnlich, dem man den Lutscher weggenommen hat. Der mutmaßliche Grund: Merkel hatte sich auf ein Gespräch mit dem gemäßigten Oppositionsführer und Kaschuben Donald Tusk eingelassen. Zwar ist Kaczynski „nur“ Parteiführer. In Polen stolpern regierende Politiker aber traditionsgemäß frühzeitig über die politischen Klippen. Wer in zweiter Reihe steht, überlebt im Zweifel länger, gehört aber bisweilen auch zu denjenigen, die beim Stolpern nachhelfen. Damit bleibt Jaroslaw Kaczynski eine wichtige, aber eben auch eine unversöhnliche – wenn nicht sogar gefährliche – Figur auf dem politischen Schachbrett Polens.

Wie zerrissen die Nationalpopulisten von der PiS sind, demonstriert auch eine proeuropäische Gruppe um Außenminister Meller, die auf einen Prozeß der deutsch-polnischen Aussöhnung setzt und eine entsprechend gemäßigte Rhetorik pflegt. Eine Gruppe, die sich selbst auf einige Sejmabgeordnete und wohl auch republikweit auf zahlreiche Kommunalpolitiker stützen kann. So gehört etwa der PiS-Sejmabgeordnete Adam Jan Puza zum gemäßigten Flügel der Partei. Noch 2004 nahm er als Landrat des Kreises Lyck am 4. Kommunalpolitischen Kongreß der Landsmannschaft Ostpreußen in Allenstein teil. Es sind jene Kräfte, deren Parteizugehörigkeit nichts mit antideutschen und antieuropäischen Positionen, sondern mit der rigorosen Ablehnung von Korruption vorangegangener Regierungen und den eher linken Forderungen zum Sozialsystem zu tun hat.

Merkel kann jetzt, da sie in Polen die Hand zum Dialog ausgestreckt hat, sorgenfrei ihr Versprechen gegenüber den Vertriebenen erfüllen und sich für das europäisch konzipierte, aber eben vor allem innerdeutsche Projekt „Zentrum gegen Vertreibungen“ einsetzen. Erika Steinbach hat – auch das muß ausreichen – wiederholt polnischen Wissenschaftlern angeboten, sich an der Aufarbeitung der verschiedenen Vertreibungskomplexe zu beteiligen.

(Zur neuen deutschen Außenpolitik siehe auch Seite 2)


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