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10.12.05 / Der Rest ist Gleichgültigkeit / Während die Dresdner ihre Frauenkirche feiern, läßt das Stadtschloß die Berliner kalt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Dezember 2005

Der Rest ist Gleichgültigkeit
Während die Dresdner ihre Frauenkirche feiern, läßt das Stadtschloß die Berliner kalt
von Annegret Kühnel

Der Palast der Republik steht vor dem Abriß, die Zukunft des Schloßplatzes trotzdem weiter in den Sternen. Gewiß, es gibt einen Bundestagsbeschluß zur Wiedererrichtung des historischen Stadtschlosses, doch über seine Realisierung entscheidet die Finanzlage des Bundes. Mit anderen Worten: An einen Baubeginn ist demnächst nicht zu denken. So wird sich über Jahre auf dem Areal der einstigen preußisch-deutschen Staatsmitte eine Grünanlage erstrecken, die, entsprechend den Berliner Gepflogenheiten, als Grill- und Hundewiese genutzt werden wird.

Der Förderverein Berliner Schloß e. V. wirbt zwar unermüdlich für sein Anliegen, doch die Resonanz ist bescheiden. Seine Losung: „Das Schloß für die Berliner – das Bürgerschloß“, ist mehr Wunsch als Ausdruck der Stimmung in der Stadt. Um das zu erkennen, genügt ein Blick auf die Liste der Prominenten unter den Schloßbefürwortern. Es sind zumeist Politiker, Wirtschaftsleute und Kulturbeamte „außer Dienst“. Natürlich werden Wolf Jobst Siedler und der frühere „FAZ“-Herausgeber Joachim Fest aufgezählt, wie stets, wenn ein Berliner Bürgertum simuliert werden soll. Was fehlt, ist die Altersgruppe unter 60. Einzig die ehemalige Schwimmerin Franziska van Almsick fand sich bereit, den Wiederaufbau „eine schöne Idee“ zu nennen.

Auch die großen Spenden bleiben aus. Ein Grund dafür ist, daß in Berlin, anders als in Hamburg, wo für die Elbphilharmonie in kurzer Zeit Zigmillionen an privaten Spenden zusammengekommen sind, kein großes Geld verdient wird. Das trifft zwar auch auf Dresden zu, wo gerade der 160 Millionen Euro teure Neubau der Frauenkirche eingeweiht wurde, aber in der Sachsen-Metropole wurde der materielle Mangel kompensiert durch kollektive Begeisterung, die auf Deutschland und sogar aufs Ausland übersprang. Diese Begeisterung wurzelte in der Liebe der Dresdner zu ihrer Stadt und in der Überzeugung, daß die Wiederherstellung der Silhouette am Elbufer einen geistigen, geschichtlichen und kulturellen Wert an sich darstellt.

Doch wovon sind die Berliner überzeugt? Von Wolf Jobst Siedler stammt der Satz: „Das Schloß lag nicht in Berlin – Berlin war das Schloß.“ In den Bauelementen und Gebäudeteilen aus verschiedenen Epochen spiegelte sich zum einen die politische Geschichte Preußens. Vor allem aber war das Schloß nicht so sehr als architektonisches Juwel, sondern als städtebaulicher Akzent wichtig. Seine Baumasse bildete den Bezugspunkt für den Prachtboulevard Unter den Linden und für stilistisch so unterschiedliche Gebäude wie das Zeughaus, die Lindenoper, die Museumsinsel und Universität. In diesem Ensemble drückte sich eine Idee von der Stadt und vom Kulturstaat Preußen aus. Dieses Berlin, das Siedler meint, wurde geprägt vom preußischen Adel, vom Militär, vom kultivierten Bürgertum, das häufig jüdischer Provenienz war, von akademischen Kreisen. Die Berliner Universität war immerhin jahrzehntelang eine Nobelpreisträgerschmiede.

Wer könnte heute als Träger einer Stadtidee gelten, in deren Mitte das „Bürgerschloß“ steht? Der preußische Adel ist totgeschlagen, enteignet oder verjagt worden. Statt oft hochgebildeter Militärs kamen westdeutsche Wehrdienstverweigerer in die Stadt, häufig verkrachte Existenzen. Und die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde schlagen gerade wie die Kesselflicker aufeinander ein. Erst jüngst wurde der skandalumwitterte Michel Friedman als neuer Vorsitzender ins Gespräch gebracht. Das ist die Wirklichkeit.

Und die aktiven Verteidiger von Honeckers „Palast“-Ruine? Zum einen handelt es sich um Parteigänger der PDS. In der letzten Zeit drängen sich verstärkt auch junge Kulturaktivisten in den Vordergrund, die das „Palast“-Skelett als Ort der „Alternativkultur“ erhalten wollen. Ein linkes Bündnis will mit sogenannten „Stopptagen“ den Abriß verhindern. Zur ersten Demonstration Mitte November wurden bis zu 10000 Teilnehmer erwartet, doch nur 1000 kamen und simulierten Volksprotest, an der Spitze die PDS-Politikerin Petra Pau und der Grüne Hans-Christian Ströbele.

Der Rest ist Gleichgültigkeit. Diese kollektive Lethargie, die den Ost- und den Westteil der Stadt gleichermaßen betrifft, in einer derart zentralen städtebaulichen Frage ist kennzeichnend für die Stimmung in Berlin. Die Berliner spüren, daß die Stadt, anders als nach 1989 erhofft, kein Knotenpunkt oder Akteur der Globalisierung ist, sondern ihr Spielball, und ziehen daraus den resignierenden Schluß, daß es auf ihr Wollen sowieso nicht mehr ankommt. Der Regierende Bruder Leichtfuß, Klaus Wowereit, ist der Repräsentant dieses Nihilismus.

Bliebe die Zufuhr politischer, geistiger, ideeller Energien von außen. Einige der gewichtigsten Schloßbefürworter kommen bereits von außerhalb: Wilhelm von Boddien aus Hamburg, Richard Schröder aus Sachsen und Christoph Stölzl aus Bayern.

Auch der Bund hat sich unter Rot-Grün bemüht, Berlin unter die Arme zu greifen. Stets hatte er mit der Eifersucht der Bundesländer zu kämpfen, die eifersüchtig den Status quo und damit den eigenen Rang verteidigen. Gottfried Benn hatte schon in den 50er Jahren über Deutschland als Land ohne Hauptstadt geschrieben: „Wir sehen jetzt drüben Provinzmetropolen mit Lokalgrößen ... – es fehlt der Blick auf das Regulativ, und das war Berlin. Es fehlt der Blick auf etwas, an dem man Maß nehmen konnte, aus dem man sich Impulse holte, vor allem etwas, vor dem man sich genieren konnte.“ Eine Hauptstadt mit einem rostigen Stahlskelett oder einer Hundewiese in seiner Mitte fügt sich in diesen Zustand der Mittelmäßigkeit ein.


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