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10.12.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Dezember 2005

Deutschland kokelt / Wie die Ökosteuer unsere Luft verpestet, warum den Fiskus das freut und weshalb Politiker so gern neue Ländergrenzen malen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Der Kommentator eines deutschen Nachrichtenmagazins, und zwar einer, der auf die vergangene Bundesregierung stets besonders eifrig eingedroschen hatte, hat den Journalisten des Landes ab sofort eine Sonderration Kreide verschrieben: Wir sollten alle nett sein zur großen Koalition. Die sei nämlich „das letzte Aufgebot der deutschen Politik“ – und wenn das scheitere, käme „das allerletzte“ auf uns zu, was er lieber nicht erleben wolle.

Die vom „letzten Aufgebot“ haben die Botschaft wohl gehört und arbeiten schon an ihrer eigenen Verewigung: Statt alle vier sollen wir unsere Abgeordneten künftig nur noch alle fünf Jahre wählen dürfen. Im Reichstag sind sie allesamt begeistert von dieser Aussicht, brächte sie doch immerhin 25 Prozent mehr Diäten und Altersbezüge für jeden von ihnen. Wir werden erleben, wie rasch diese Reform Eingang ins Grundgesetz finden und wie leichtfüßig sie all die unüberwindlichen Verfassungsbarrieren niederrennen wird, an denen andere Reformen – wie etwa die Einführung von Volksabstimmungen – bislang zerschellt sind.

Die Abgeordneten haben allen Grund, sich an ihre Sessel zu klammern. Ungemach droht. Irgendwer kam auf die Idee, die Parlamentarier für ihre Altersversorgung künftig selbst aufkommen zu lassen, ihnen das steuerfreue Zusatzgehalt namens „Kostenpauschale“ zu streichen und statt dessen die Diäten so zu erhöhen, daß die Mitglieder des Bundestages das alles selber tragen können.

Das Gute an diesem Plan ist, daß dann die Parlamentarier genauso behandelt würden wie jeder Angestellte und draußen im Lande jeder nachvollziehen könnte, was sie wirklich verdienen. Genau das aber ist auch das Verheerende, finden viele der Abgeordneten selbst und sträuben sich heftig – parteiübergreifend, wie in Fragen der Selbstversorgung üblich.

Die Volksvertreter bekämen dann in etwa das Doppelte ihrer bisherigen Bezüge. Die verblüfften Deutschen würden entdecken, welcher Batzen Geld sich hinter dem niedlichen Etikett „Kostenpauschale“ und der staatlichen Altersvorsorge für Parlamentarier verbirgt. Es könnte zu Unmutsäußerungen kommen. Der „Bund der Steuerzahler“ ist ja sozusagen die institutionalisierte Unmutsäußerung an sich und hat bereits Öl ins Feuer gegossen: Er fordert sogar, daß die Abgeordneten ihr Geld ins bodenlose Faß der öffentlichen Rentenkasse kippen sollen statt in die gutgepolsterte Parlamentarierversorgung. Das hätte laut einer Berechnung des „Focus“ zur Folge, daß nach 23 Bundestagsjahren nur 1262 Euro Rente gezahlt würden, derzeit sind es 4837. Das ist nicht hinzunehmen. Als echte Profis wissen die Politiker indes, wie sie die Debatte elegant loswerden, ohne den Eindruck zu erwecken, daß sie bloß ihre Vorrechte schützten, während sich der Normalrentner von Nullrunde zu Nullrunde quält. Es gebe ja so „viele Modelle“, sinniert CDU-Fraktionschef Volker Kauder, mit denen man sich erst „intensiv befassen muß“. Ins Trockene übersetzt: Das leidige Projekt wird auf die lange Bank zu seinen zahllosen Vorgängern geschoben und dem Tod durch Verschimmeln übereignet.

Es gibt ja auch Wichtigeres: Steuern erhöhen beispielsweise. In den Ohren dröhnen noch die Unionsattacken auf die „Ökosteuer“ und in uns spüren wir noch die Hoffnung, die wir einst hatten, daß die Schwarzen uns bei nächster Gelegenheit von dem Energiepreistreiber befreien würden. Zumindest ein bißchen, so als Kompromiß in der großen Koalition. Einen Kompromiß hatten Schwarz und Rot tatsächlich gefunden im Koalitionsvertrag, aber irgendwie anders, als wir gedacht hatten. Danach sollte die Ökosteuer bleiben und bisher steuerbegünstigte Ökokraftstoffe einfach zusätzlich besteuert werden. Letztlich war es nicht die Entrüstung der Verbraucher sondern der Protest von „Branchenverbänden“, also von Lobbyisten, der den Schachzug zunächst gestoppt haben soll. Immer gut zu wissen, wer im Lande wirklich etwas zu sagen hat.

Möglicherweise hat aber auch die Einsicht mitgespielt, daß zuviel Besteuerung des Energieverbrauchs gar nicht so „öko“ ist, wie man annehmen mochte. Ungeahnte Folgen der horrenden Heizölpreise werfen ihre Schatten voraus – wobei „Schatten“ wörtlich zu nehmen ist. Erstes Alarmsignal: In Berlin und anderen Großstädten ist kaum noch Kaminholz zu kriegen. Grund: Die Leute heizen, wenn sie können, wieder wie zu Uromas Zeiten und verfeuern zuhause Holz, Braunkohle, Papier und alles, was sonst noch brennt, ohne dabei allzu penetrant zu stinken. Aus Deutschlands Schornsteinen quillt – auch wegen der Ökosteuer – eine düstere Melange, die die Älteren zuletzt in den 70ern auf wilden Müllplätzen gerochen haben, auf denen bis damals alles mögliche vor sich hinkokelte. Und es wird noch schlimmer kommen: Zu den bereits vorhandenen neun Millionen Allesbrenneröfen in deutschen Haushalten kommen jedes Jahr 200000 hinzu. Ist schon abzusehen, wann die deutschen Städte wieder unter schwarzen Rauchglocken verschwinden?

Soweit wird es nicht kommen, schon jenen Vögeln zuliebe, die noch nicht im dichten Wald von Windkrafträdern geschreddert wurden. Die Politik muß und wird Abhilfe schaffen: Von der Brennofensteuer redet zwar noch niemand öffentlich. Doch das hat bloß taktische Gründe, die Steuer soll ja was einbringen: Erst einmal müssen sich also möglichst viele Haushalte einen solchen Ofen zulegen, in der irrigen Hoffnung, der Energiebesteuerung ein Schnippchen zu schlagen. Sind genügend Leute in diese Falle gegangen, werden Umweltschützer und Politiker „ihrer tiefen Sorge über die schwindende Qualität der Luft“ Ausdruck verleihen und „im Interesse der Gesundheit unserer Kinder“ (das zieht immer) „Maßnahmen“ fordern. Mehr müssen sie gar nicht sagen, denn was nach „Sorge“, „Gesundheit“ und „Maßnahmen“ im Vokabular der Politiker als nächstes kommt, weiß jeder: Geld her!

Wer seinen Ofen dann wieder rausreist und gar nicht mehr heizt, den packen sie übers Gesundheitssystem. Wegen der „fahrlässigen Gefährdung seiner Gesundheit“ wird er sich die Frostbeulen auf eigene Kosten behandeln lassen müssen. Sie sehen: Es gibt kein Entrinnen.

Beliebt macht man sich mit solchen Raubzügen natürlich nicht, das wissen die Volksvertreter. Deshalb ja der Vorschlag mit den fünf Jahren, dann kann sich der Bürger nicht so schnell rächen. Das Gute an einer großen Koalition ist allerdings auch ohnedies, daß man Steuererhöhungen solange zwischen den Regierungsfraktionen hin- und herschieben kann, bis keiner mehr weiß, wer eigentlich schuld war. So holt man sich gegenseitig aus dem Schußfeld.

Trotzdem bleiben die Politiker vorsichtig und bemühen sich, gar nicht erst Zielscheibe des Zorns zu werden. Hierzu kann man sich beispielsweise eines Projekts annehmen, von dem man mit ziemlicher Sicherheit weiß, daß es sowieso im Sande verläuft. Die seit vierzig Jahren geforderte „Neuordnung der Länder“ gehört in diese Kategorie. Anfang der Woche kam mal wieder eine Landkkarte heraus, die jemand in Sachsen-Anhalt gemalt haben soll. Dort sind Niedersachsen mit Bremen, Berlin mit Brandenburg, Saarland mit Rheinland-Pfalz (als „Saarland-Pfalz“!) zusammengefaßt. Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt bilden darauf das neue „Mitteldeutschland“, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sollen mit Hamburg zusammen das künftige Bundesland „Hamburg-Küste“ formieren. Das klingt zwar eher nach einer Funkstation auf einer Düne („Hier Hamburg-Küste, over!“) als nach einem Land. Aber sei’s drum: Daraus wird eh nichts, weshalb Politiker aus allen Ländern und Lagern auch sofort bereit waren, in diese interessante und „zukunftsweisende“ Debatte einzusteigen.

Schock in Berlin: Steuerzahlerbund will Abgeordnete der Rentenkasse ausliefern!

"… aber das muß fürs erste auch reichen." Zeichnung: Götz Wiedenroth


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