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17.12.05 / Welches war Dein Preis?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Dezember 2005

Gedanken zur Zeit:
Welches war Dein Preis?
von Wilfried Böhm

Als Helmut Kohl 1998 als erster Kanzler mit einem Großen Zapfenstreich vor dem Speyerer Dom nach 16 Jahren Abschied vom Kanzleramt und der Bundeswehr nahm, hatte er sich vom Stabsmusikcorps stilgerecht den Choral „Nun danket alle Gott“, die Europa-Hymne mit Beethovens Ode an die Freude und den Reitermarsch des Großen Kurfürsten gewünscht. So verstand sich Kohl und so inszenierte er sich. Der feierliche Abschied hinderte ihn allerdings nicht, wenig später beim damaligen Medienmogul Leo Kirch anzuheuern, was allerdings erst durch die Pleite Kirchs 2002 bekannt wurde, ebenso, daß auch andere Politiker auf der Honorarliste Kirchs standen.

Sieben Jahre später ging es beim Großen Zapfenstreich der Form nach anders zu, als 135 militärische Fackelträger im dunklen Park hinter dem Rathaus Hannovers Kohls Nachfolger Gerhard Schröder heimleuchteten. Vor dem Zeremoniell mit der Nationalhymne wurde auf des Kanzlers Wunsch – oder den seiner Gattin Doris – zuerst der „Mackie-Messer-Song“ aus der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill gespielt. Da stellt sich die Frage, ob die Moritat vom Meuchelmörder Macheath mit dem Text: „Mackie, welches war dein Preis?“ auf die unerkannten Haifische im Becken der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zielte, die Schröder veranlaßt hatten, die getürkte Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen?

Nach diesem Song aus anrüchigem Milieu folgte „Summertime“ aus der heilen Welt: ein Wiegenlied aus der Oper „Porgy and Bess“ des amerikanischen Komponisten George Gershwin. Es besingt ein Kind, dessen Vater ihm verspricht: „Dein Vater ist reich, deine Mama sieht gut aus, Du mußt nicht weinen.“ Falls der Reichtum im Hause Schröder durch Pensionen und die ab dem 1. Januar 2006 vereinbarte „Türöffnerfunktion“ für den Schweizer Verleger Michael Ringier in Zürich nicht ausreicht, will ihn der Ex-Kanzler künftig zusätzlich mit einem Aufsichtsratsposten bei der deutsch-russischen Ostsee-Gaspipeline vermehren. Vorausschauend hat Schröder jedenfalls seinem Männerfreund Wladimir Putin rechtzeitig als „lupenreinen Demokraten“ eingestuft und über dessen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien großzügig hinweggesehen. Und was Doris angeht: Sie war ohnehin schon immer das beste an ihm ...

Als drittes Wunschlied der Schröders beim Zapfenstreich in Hannover wurde Frank Sinatras „My way“ geboten. „Ich bedauere einiges, aber zu wenig, um es zu erwähnen“, lautet seine deutsche Übersetzung und „Ich habe ein volles Leben gelebt, jede Straße erkundet – aber viel wichtiger: Ich habe es auf meine Weise getan.“ Bei diesem Song war der scheidende Kanzler zu Tränen gerührt.

Die Moritaten-Geschichte und zwei englischsprachige Musikstücke beendeten die Amtszeit eines deutschen Bundeskanzlers mit beachtenswerter Karriere. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bescheinigte dem frisch-gebackenen Altkanzler denn auch einen „enormen“ Einsatz, stellte aber zugleich in der „Neuen Presse“ fest, Schröder sei „ein Zwischenkanzler“ gewesen, „der für das gescheiterte Experiment einer rot-grünen Regierung steht“.

Es ist nunmehr 38 Jahre her, daß der damalige Jungsozialist Gerhard Schröder über die Karrierechancen in seiner Partei feststellte: „Die SPD hat es als ihre Aufgabe angesehen ... ihren Mitgliedern den sozialen Aufstieg zu ermöglichen ... Solche Karrieren (führen) zu erheblichen Veränderungen in der persönlichen Sphäre des einzelnen. Die SPD ist deshalb mehr als bürgerliche Parteien in der Gefahr, von den negativen Folgen eines menschlich nicht bewältigten Aufstiegs gesellschaftlicher Entfremdung, finanzieller Maßlosigkeit und politischer Entsolidarisierung – betroffen zu werden ...“

Jungsozialist Schröder fuhr fort: „Mit dem Erreichen einer Spitzenposition ist häufig ein steiler gesellschaftlicher Aufstieg verbunden. Die finanzielle Ausstattung dieser Ämter ist durchweg so üppig, daß der dorthin Gelangte sich vor dem Hintergrund seines früheren Lebenszuschnitts plötzlich in einer Situation meint, sich „alles leisten zu können“. Sein materielles Wertgefüge gerät aus den Fugen ... Sein Interesse richtet sich darauf, noch weitere Einnahmequellen zu erschließen. Darüber hinaus ist die Umorientierung mit einer Abkehr von den früheren gesellschaftlichen Zusammenhängen verbunden. In aller Regel lösen sich die persönlichen und emotionalen Bindungen zur Arbeiterbewegung; nicht nur der Habitus, sondern auch Umgang und Wertordnung werden oberschichtenspezifisch ...“

Entsprechend konsequent war Schröders Weg. Sein „I did it my way“ führte vom Jungsozialisten zum führenden niedersächsischen SPD-Politiker und Bundestagsabgeordneten, der 1985 nach einem Besuch beim SED-Chef Honecker in einem Brief an den „lieben Egon Krenz“ diesem mitteilte, „von Erich Honecker besonders beeindruckt gewesen zu sein“, und bedauerte, nicht auch Krenz persönlich getroffen zu haben. Für die anstehenden „Volkskammerwahlen“ wünschte Schröder dem SED-Krenz „viel Kraft und vor allem Gesundheit“. Reine Formsache sollten diese Sätze nicht sein und darum fügte Schröder hinzu: „Beides wünsche ich Dir von ganzem Herzen“.

Schröder lieferte damit auch schon vor 20 Jahren den Beweis, daß er für seine Zukunft jederzeit sehr wohl gerüstet ist: Wenn er und Genosse Krenz nur „Seit’ an Seit’ marschieren“, würden „die Völker schon die Signale hören“. Wenn die Menschen zwischen Rügen und dem Thüringer Wald 1989 mit ihrer friedlichen Revolution nicht den Weg zur deutschen Einheit erzwungen hätten, wäre Schröder jedenfalls auch für eine andere Zukunft ideologisch gerüstet gewesen. Sein Weg war und ist der eines Opportunisten.

Schröders Großer Zapfenstreich sprach Bände


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