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17.12.05 / Arnau unter Dach und Fach / Die Katharinenkirche erhält rechtzeitig zu Weihnachten ein neues Dach

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Dezember 2005

Arnau unter Dach und Fach
Die Katharinenkirche erhält rechtzeitig zu Weihnachten ein neues Dach
von Walter T. Rix

Nach der Wiederherstellung des Turmes erhielt die Katharinenkirche in Arnau kurz vor Weihnachten ein neues Dach. Damit hat der Wettlauf gegen den Winter ein gutes Ende gefunden. Das brüchige und undichte Notdach war zwar wiederholt im Rahmen von Sicherungsmaßnahmen geflickt worden, aber sein Gesamtzustand war so besorgniserregend, daß man um den Zustand des Baukörpers fürchten mußte. Mit der Errichtung des neuen Daches ist die Kirche nunmehr den Witterungseinflüssen größtenteils entzogen, und es kann an die Restaurierung der kunstgeschichtlich bedeutsamen Fresken gegangen werden.

Zwischen der Wiedererrichtung des Turmes und der Wiederherstellung des Daches vergingen zwei Jahre, aber diese Jahre waren nicht eine Zeit der Untätigkeit. Das Kuratorium Arnau verfolgt seit 1992 die Politik, alle Voraussetzungen für die Baumaßnahmen auf dem Vorwege eindeutig zu klären, so daß der Einfluß von Störfaktoren während der Baumaßnahmen nach Möglichkeit auf ein Minimum beschränkt wird. Dazu zählen die Auseinandersetzungen mit russischen Behörden ebenso wie die Klärung bautechnischer Fragen, die mit einer denkmalgerechten Restaurierung zusammenhängen. Natürlich gibt es gerade im Königsberger Gebiet zahllose Unwägbarkeiten, und vielfach ist man vor recht unangenehmen Überraschungen nicht sicher. Dennoch zahlt sich eine enge Abstimmung mit den russischen Behörden langfristig aus.

In diesem Sinne wurde der Turm unter der Leitung von Dipl. Ing. Ralph Schroeder getreu dem ursprünglichen Erscheinungsbild wiederhergestellt. Die denkmalgerechte Rekonstruktion erstreckte sich bis in die Turmspitze: Es wurde nicht nur ein Glockenstuhl eingerichtet mit einer Glocke aus Süddeutschland, deren Klangeigenschaften der ursprünglichen Glocke entsprechen, sondern den Abschluß als Wetterfahne bildet sogar eine sorgfältige Nachbildung der allegorischen Verkörperung der Heiligen Katharina.

Mit gleicher Sorgfalt ging das Kuratorium Arnau an die Wiedererrichtung des Daches. Es handelte sich dabei um ein Vorhaben von beträchtlichem bautechnischen und finanziellen Umfang. Dank großzügiger Spenden, des Einsatzes zahlreicher Experten und der erfahrenen Bauaufsicht des in Arnau geborenen Bauleiters Reinhard Stillger konnten die Probleme bewältigt werden. Zunächst drang die russische Seite darauf, daß der Dachstuhl, wie in Sowjetzeiten üblich, in Stahl ausgeführt wird. Eine derartige Ausführung hätte jedoch dem Wesen der Kirche widersprochen. Hier konnte sich das Kuratorium dank juristischer Hilfe nach heftigen Kämpfen mit seiner Holzkonstruktion durchsetzen. Nach diesen Auseinandersetzungen sollten die deutschen Baupläne jedoch mindestens ein Jahr in Moskau geprüft werden. Auch in diesem Falle gelang es dem Kuratorium, den Prüfungszeitraum auf drei Monate zu verkürzen. Als nächstes Problem ergab sich der Kampf mit den noch aus der Sowjetzeit gültigen Normen, wonach keine Balken über sechs Meter geschnitten werden konnten. Es wurde jedoch ein unter deutscher Leitung stehendes Sägewerk in Insterburg gefunden, das die erforderlichen Trägerbalken von 11,40 Meter schneiden konnte.

Mit dem Transport von 43 Paletten hochwertiger Dachpfannen von Stuttgart nach Arnau setzten sich die Probleme fort. Aus Kostengründen wurden zwei russische Lastwagen gewählt, die jedoch nicht die in den Frachtpapieren angegebenen Zeiten einhielten und deshalb drei Tage an der Grenze festgehalten wurden. Die Verzollung nahm gleichfalls Tage in Anspruch. In dieser Zeit lagerte das Material kostenpflichtig auf dem Königsberger Zollhof. Und mit der offiziellen deutschen Materialanalyse der Pfannen wollten sich die Russen keineswegs zufriedengeben, sondern bestanden auf einem „Hygienezeugnis“, das sie in einem Königsberger Institut selbst erstellten, Dauer sechs Tage und natürlich kostenpflichtig, während die Kosten für die Lagerung der 43 Paletten weiterliefen. Infolge derartiger Probleme ging viel Zeit verloren, so daß der Herbst allmählich näher rückte. Die Mitarbeiter des Kuratoriums mußten schon gute Nerven haben.

Als alle Voraussetzungen schließlich geklärt waren, wurde im Oktober damit begonnen, das alte Dach abzutragen. Diese Arbeit war mit erheblichen Gefahren verbunden, denn die von einem Kran abgehobenen schweren Balken hätten leicht, wie es im Falle Tharau passierte, das filigrane Sterngewölbe beschädigen können. Dank der umsichtigen Bauaufsicht von Reinhard Stillger konnten derartige Beschädigungen vermieden werden. Nach Abdeckung des Notdaches zeigte sich, daß die Nordwand des Langhauses von der Oberkante aus etwa 1,5 Meter durch Witterungseinflüsse brüchig geworden war. Damit war es unmöglich geworden, den Dachstuhl aufzusetzen, denn die Mauer konnte die Auflast nicht tragen. Vom Denkmalschutzamt in Königsberg kam überdies die Anweisung, alle Arbeiten am Dachstuhl bis zur Wiederherstellung der Nordwand zu beenden. Bauleiter Stillger und die inzwischen eingetroffenen deutschen Zimmerleute ließen sich dadurch jedoch nicht aus ihrem Konzept bringen. Es gelang ihnen, einen konstruktiven Weg zu finden, der es ermöglichte, den Dachstuhl im Bereich der Nordwand abzustützen. Bereits vorher hatten die Zimmerleute ihre Fähigkeiten dadurch unter Beweis gestellt, daß sie unter schwierigsten Bedingungen den Dachstuhl der Kirche in Tharau erstellt hatten. Erfreulich ist, daß außer Arnau jetzt auch die Restaurierung der dortigen Kirche unter der Bauleitung des Architekten Dieter Haese und mit Unterstützung des „Fördervereins Tharau e. V.“ unter Leitung von Dr. Hüttenbach Fortschritte macht.

Nach Vormontage des Dachstuhls in Insterburg gelang die Errichtung des Arnauer Dachstuhls am 28. Oktober innerhalb nur eines Tages. Die Maßarbeit der deutschen Zimmerleute war um so bemerkenswerter, als nicht nur das Hindernis der Nordwand überwunden werden mußte, sondern die für Restaurierung lizenzierte russische Firma mit dem Guß des Ringankers noch nicht nachgekommen war. Die günstigen Witterungsbedingungen erlaubten es jedoch, diese Arbeiten bis Anfang Dezember nachzuholen.

Das Richtfest am 1. November fand unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit statt. Anwesend waren Vertreter der Gebietsverwaltung, des Denkmalschutzamtes sowie der Kirchen, der Direktor des Deutsch-Russischen Hauses und der deutsche Generalkonsul. Besonders eindrucksvoll für die russischen Gäste war der lange deutsche Richtspruch der Zimmerleute, der sukzessive ins Russische übersetzt wurde. Auch Bauleiter Stillger hielt eine Rede, in der er die Wiederherstellung der Katharinenkirche als gutes Omen für die Zukunft pries. Die Königsberger Zeitungen berichteten ausführlich, und beide regionalen Fernsehstationen brachten am Abend längere Beiträge über Arnau und das Richtfest.

Als Perspektive zeichnet sich jetzt die Restaurierung des Innenraumes ab. Professor Dr. Ulrich Kuder vom Kunsthistorischen Institut der Universität Kiel, renommierter Experte für mittelalterliche Fresken, wird demnächst eine ausführliche Expertise über die Fresken anfertigen und Vorschläge zur Restaurierung entwickeln. Die „Zeit“-Stiftung hat bereits Mittel für die Sicherung der Fresken bereitgestellt. Leider wurden nach 1945 die am Ende der Rippen des Sterngewölbes auf Konsolen befindlichen Apostelfiguren von etwa 1,2 Meter Größe herausgebrochen und teilweise zerstört. Es gibt Berichte, daß einige der Apostelfiguren in unmittelbarer Umgebung der Kirche herumgelegen hätten. Verbliebene Einwohner hätten diese Apostelfiguren dann im März oder April 1947 vergraben, um sie auf diese Weise zu retten. Das Kuratorium Arnau bemüht sich jetzt darum, diese Figuren wieder ausfindig zu machen.

Die Restaurierung der Katharinenkirche mußte gegen viel Zweifel und Unverständnis ankämpfen. Aber nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Jetzt, da das Wiedererstehen konkrete Formen angenommen hat, zeichnet sich gleich von mehreren Seiten ein Interesse an der Nutzung ab. Hinsichtlich einer zukünftigen Nutzung laufen gegenwärtig Verhandlungen in mehreren Richtungen, denn das Kuratorium Arnau geht von dem Grundsatz aus, daß die Kirche mit Leben erfüllt sein muß. Schon jetzt zieht die Kirche zahlreiche Besucher an, darunter auch Gruppen aus Litauen und Schweden. Neben dem Königsberger Dom hat Arnau daher aufgrund der kunsthistorischen und geistesgeschichtlichen Bedeutung und nicht zuletzt wegen seiner verkehrsgünstigen Lage alle Aussicht, ein zweiter zentraler Anziehungspunkt zu werden. Daß Arnau seine ursprüngliche Anziehungskraft jetzt wiedergewinnt, erfüllt mit Hoffnung; es ist ein Geschenk für die kommenden Generationen.

Montage des Dachstuhls auf der Katharinenkirche in Arnau


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