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24.12.05 / Südamerika rutscht nach links / Venezuelas Präsident Chávez wirft mit Hilfe seiner Ölmilliarden ein rotes Netz über Lateinamerika

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Südamerika rutscht nach links
Venezuelas Präsident Chávez wirft mit Hilfe seiner Ölmilliarden ein rotes Netz über Lateinamerika
von Hans Heckel

Für die USA sei der Wahlausgang in Bolivien ein Schock, heißt es aus Washington. Mit dem siegreichen Präsidentschaftskandidaten Evo Morales ist der bettelarme Andenstaat nun in den Händen des Anführers der Koka-Bauern, auf deren Feldern die Blätter wachsen, aus denen Kokain gewonnen wird. Morales und seine "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) wollen den Koka-Anbau in der Tat legalisieren und bezeichnen die Antidrogenpolitik der USA als Kolonialismus.

Das Drogenproblem indes ist nur einer von mehreren Aspekten der US-amerikanischen Sorge. Selbst die lautstarken Sprüche aus Morales' Wahlkampf, der den Marxismus predigt und gegen den "US-Imperialismus" wettert, könnte die Supermacht noch einigermaßen ruhig verkraften.

Was den Umbruch in dem 9,5-Millionen-Land so bedenklich macht, ist die Gesamtentwicklung des südamerikanischen Kontinents, in die er hineinfällt.

1991 schien die "rote Gefahr" auch in diesem Teil der Welt endgültig gebannt. Die einst gefürchteten linken Guerillas verschwanden oder entpuppten sich bald als simple Verbrecherbanden. Der Fall des Castro-Regimes schien nur noch eine Frage der Zeit.

Heute, 14 Jahre danach, markiert der linke Erdrutschsieg in Bolivien den weiteren Schritt in eine Richtung, die kurz nach dem Untergang des Sowjetsystems niemand für möglich gehalten hatte: Ein lateinamerikanisches Land nach dem anderen fällt offenbar zurück in längst überholt geglaubte linksdoktrinäre Ideologien. Im Zentrum des Geschehens steht ein Staatsführer, der weit mehr Geld und Macht besitzt als der 47jährige Indioführer und nun bald Präsident aus dem bolivianischen Cochabamba: Es ist Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Der Castro-Freund und Unterstützer ist mit dem Sieg seines Bewunderers Evo Morales dem Ziel, Anführer einer linksradikalen lateinamerikanischen Front gegen die USA zu werden, wieder eine Etappe nähergekommen.

Opec-Mitglied Venezuela erwirtschaftet aus seinen reichen Ölvorkommen einen jährlichen Umsatz von umgerechnet rund 65 Milliarden Euro. Chávez, der seit 1999 Präsident ist und sich im April 2002 nur knapp gegen einen regelrechten Volksaufstand an der Macht halten konnte, nutzt diesen Reichtum als politische Waffe und spannt ein Netz über ganz Lateinamerika, in dessen Zentrum der Präsident in der venezolanischen Hauptstadt Caracas die Fäden zieht. Die von ihm kontrollierte staatliche Ölfördergesellschaft PDVSA hat Verträge mit praktisch allen größeren Nachbarn geschlossen. Dabei geht sie nicht wie andere Gesellschaften nach vor allem wirtschaftlichen, sondern nach politischen Maßgaben vor.

Dem in Not geratenen Ecuador lieferte Caracas beispielsweise nicht nur schnell und unbürokratisch Öl, es "kaufte" mit seinen Öldollars auch gleich 250 Millionen Dollar von dessen Auslandsschulden. Mit den linksgerichteten Regierungen in Brasilien, Argentinien und Uruguay ist Chávez ohnehin eng verbunden, Kubas Castro hängt praktisch an seinem Tropf, an insgesamt 14 Karibikstaaten will Caracas Öl und Ölprodukte zu verbilligten Preisen liefern.

Zur Zeit verhandelt die PDVSA zudem über Pipeline- und Raffinerieprojekte in Kolumbien mit der Regierung des Nachbarlandes. Die PDVSA will einen Großteil von dessen Gasleitungsnetz übernehmen. Über Kolumbien soll zudem die Trasse einer Ölleitung verlaufen, durch die hindurch venezolanisches Öl an den Pazifik transportiert werden kann, damit Chávez von dort aus seinen nächsten großen Wunschpartner in der Allianz gegen die USA beliefern kann: China. Durch Kolumbiens Gasleitungen würden überdies die kleinen zentralamerikanischen Länder mittels venezolanischer Erdgaslieferungen in Chávez' Netz eingebunden werden, so sein Plan.

Manche Beobachter beruhigen sich damit, daß die mit viel Propagandalärm durchgezogenen Ex-pansionsaktivitäten weniger einer durchdachten Strategie folgen als vielmehr auf Effekthascherei hinausliefen. So wie eine Aktion in New York und Boston, wo die PVDSA vergangenen November verbilligtes Heizöl an arme Haushalte sowie an Schulen, Kinderkrippen und Krankenhäuser verteilte unter der regen Anteilnahme einiger Medien - eine Agitprop-Schau nach alter kommunistischer Despotenmanier.

Der einstige Chef der mittlerweile voll unter Chávez' Kontrolle stehenden PVDSA, Luis Guisti, rechnete gegenüber dem kolumbianischen Nachrichtenmagazin "Semana" vor, daß die Förderkapazität Venezuelas seit dem Amtsantritt des derzeitigen Staatspräsidenten 1999 von damals 3450000 Faß Öl (je 159 Liter) am Tag auf nunmehr 2600000 Faß gesunken sei. Chavez China-Phantasien zeugten ebenfalls von wenig Sachkenntnis: Das venezolanische Öl sei viel zu schwer und säurehaltig, um von den dortigen Raffinerien verarbeitet zu werden, so Guiti.

Für Empörung sorgte in den USA, daß Nato-Partner Spanien Waffen an Venezuela im Wert von insgesamt 1,8 Milliarden Euro liefern will. Die entsprechenden Verträge sind von der sozialistischen Regierung in Madrid bereits unterzeichnet worden. Auch in Rußland und Brasilien hat sich Caracas mit Waffenmaterial eingedeckt. Chávez verweist auf angebliche Angriffspläne der USA nach dem Modell der Schweinebucht-Attacke auf Kuba 1961, gegen die er sich zu wehren habe. Kritiker vermuten, daß solche Bedrohungsszenarien eher als Propagandawaffe gegen die landesinterne Opposition gedacht seien. Chávez schreckte auch in der Vergangenheit nicht davor zurück, seine politischen Gegner in Venezuela pauschal als "faschistische Agenten des US-Imperialismus" zu kriminalisieren.

Die lateinamerikanische Öffentlichkeit ist nicht selten hin- und hergerissen zwischen der Ablehnung von Linkspopulisten wie Chávez oder Morales einerseits und den ziemlich durchwachsenen Erfahrungen in der Region mit der Politik der Vereinigten Staaten andererseits. Die sehr lasche bis freundliche Haltung der seit 2003 amtierenden sozialistischen Regierung Spaniens vor allem gegenüber Fidel Castro hat unter Intellektuellen indes bereits zu öffentlichem Protest geführt. Der weltweit bekannte peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa und der mexikanische Historiker Enrique Krauze haben sich diesen Herbst mit einem gemeinsamen Appell an Madrid gewandt. Darin werfen sie dem spanischen Ministerpräsidenten Rodríguez Zapatero vor, linken Despoten mit genau derselben Nachsicht zu begegnen, welche gerade die Linke den USA bei antikommunistischen Diktatoren - etwa im Falle von Chiles Augusto Pinochet - immer vorgehalten habe. Die umstrittene Politik des iberischen Landes ist auch für Deutschland von Interesse, da Madrid in wachsendem Maße als eine Art Sprachrohr sämtlicher EU-Nationen im spanischsprachigen Amerika wahrgenommen wird - mithin in einer Weltregion, in der die Deutschen traditionell hohe Wertschätzung genießen und damit einen Ruf zu verlieren haben.

Foto: Kommunisten unter sich: Venezuelas Präsident Hugo Chávez (r.) mit Fidel Castro


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