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24.12.05 / "Ja, Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann" / Warum er existiert und wir an ihn glauben sollten - Kommentar in der "New York Sun" im Jahr 1897

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

"Ja, Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann"
Warum er existiert und wir an ihn glauben sollten - Kommentar in der "New York Sun" im Jahr 1897

Wir freuen uns, an dieser hervorragenden Stelle den unten wiedergegebenen Brief beantworten zu dürfen, und drücken unsere große Befriedigung darüber aus, daß sein vertrauensvoller Autor zum Freundeskreis der "Sun" gehört:

Liebe Redaktion,

ich bin acht Jahre alt. Einige meiner kleinen Freunde sagen, es gibt keinen Weihnachtsmann. Papa sagt: "Wenn es in der ,Sun' steht, stimmt es auch." Bitte sagt mir die Wahrheit, gibt es einen Weihnachtsmann? Virginia O'Hanlon 115 West 95th Street

Virginia, Deine kleinen Freunde irren sich. Sie haben sich von der Skepsis eines skeptischen Zeitalters beeinflussen lassen. Sie glauben nichts, was sie nicht auch sehen können. Sie denken, daß nichts existieren kann, was ihr kleiner Verstand nicht begreift. Jeder Verstand, sei es der eines Menschen oder eines Kindes, ist klein. In unserem gewaltigen Universum ist der Mensch mit seinem Intellekt nur ein Insekt, eine Ameise, verglichen mit der grenzenlosen Welt um ihn herum, gemessen an dem Intellekt, der Wahrheit und Wissen umfassend begreifen kann.

Ja, Virginia, es gibt einen Weih-nachtsmann. Er existiert so sicher wie Liebe und Großzügigkeit und Hingabe existieren, und Du weißt, daß sie reichlich vorhanden sind und in Dein Leben Schönheit und Freude bringen. Ach, wie trostlos wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe! Sie wäre so trostlos, als gäbe es keine Virginias. Dann gäbe es keinen kindlichen Glauben, keine Poesie, keine Romantik, um diese Existenz erträglich zu machen. Außer unserem Verstand und Begriffsvermögen würden wir keinerlei Freude und Genüsse kennen. Das strahlende Licht, mit dem die Kindheit die Welt erfüllt, würde ausgelöscht.

Nicht an den Weihnachtsmann glauben! Du könntest genauso gut nicht an Feen glauben. Du könntest Deinen Papa dazu bringen, Leute einzustellen, die am Weihnachtsabend alle Kamine der Welt beobachten, um den Weihnachtsmann einzufangen, aber selbst wenn sie ihn nicht kommen sehen würden, was würde das beweisen? Niemand sieht den Weihnachtsmann, aber das ist kein Zeichen dafür, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Die realsten Dinge in der Welt sind diejenigen, die weder Kinder noch Erwachsene sehen können. Hast Du jemals die Feen im Garten tanzen sehen? Natürlich nicht, aber das ist kein Beweis dafür, daß sie nicht da sind. Niemand kann sich all die Wunder vorstellen, die ungesehen und unsichtbar in der Welt vorhanden sind.

Du zerlegst die Babyrassel und kannst sehen, was das Geräusch darin verursacht, aber es gibt einen Schleier, der die ungesehene Welt verdeckt und den weder der stärkste Mensch noch die vereinte Kraft aller stärksten Menschen, die jemals gelebt haben, zerreißen könnte. Nur Glaube, Poesie, Liebe und Romantik können diesen Vorhang beiseite schieben und die übernatürliche Schönheit und Herrlichkeit dahinter sichtbar machen. Ist das alles echt? Oh, Virginia, in der ganzen Welt ist nichts sonst echt und unvergänglich.

Kein Weihnachtsmann? Gott sei Dank, daß er lebt und für immer lebt. In 1000 Jahren, Virginia, nein noch in zehnmal 10000 Jahren wird er immer noch Kinderherzen glücklich machen. Frohe Weihnacht, Virginia. Dein Francis Church"

Der Kommentar "Ja, Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann" von Francis P. Church war eine absolute Sensation und wurde einer der berühmtesten aller je geschriebenen Kommentare. Er erschien erstmalig in der "New York Sun" 1897, und wurde bis zur Einstellung der Zeitung 1949 jährlich abgedruckt. 36 Jahre nachdem ihr Brief abgedruckt wurde, erinnerte sich Virginia O'Hanlon an die Ereignisse, die dazu führten: "Natürlich glaubte ich an den Weihnachtsmann, er hatte mich ja noch nie enttäuscht. Als aber weniger glückliche kleine Jungen und Mädchen sagten, es gäbe keinen Weihnachtsmann, wuchsen Zweifel in mir. Ich fragte meinen Vater, und er war bei diesem Thema etwas ausweichend. Es war in unserer Familie üblich, bei Unsicherheiten bezüglich der Aussprache eines Wortes oder bei Zweifeln an historischen Fakten an die Frage-und-Antwort-Kolumne der "Sun" zu schreiben. Vater sagte immer: ,Wenn es in der Sun steht, stimmt es auch' und das beendete jeden Disput. ,Nun, ich werde einfach an die "Sun" schreiben und die echte Wahrheit herausfinden', sagte ich zu Vater. Er antwortete ,Leg los, Virginia. Ich bin sicher, die Sun wird Dir die richtige Antwort geben, wie sie es immer tut.'" Und so setzte sich Virginia hin und schrieb an die bevorzugte Zeitung ihres Vaters.

Ihr Brief fand seinen Weg in die Hände eines lang gedienten Re-dakteurs namens Francis P. Church, Sohn eines Baptisten-Pastors. Church hatte bereits über 20 Dienstjahre bei der "New York Sun" hinter sich, zuletzt als ano-nymer Kommentator. Wenn im Kommentar kontroverse Themen anzupacken waren, besonders

solche theologischer Art, wurde normalerweise Church mit dieser Aufgabe betraut. Nun hielt er den Brief eines kleinen Mädchens zu einem äußerst kontroversen Thema in der Hand und hatte die Pflicht und Verantwortung, darauf zu antworten.


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