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31.12.05 / Glänzende Höhepunkte auf der Bühne / Die Sammlung Königsberger Theaterzettel in der Staatsbibliothek zu Berlin läßt goldene Tage wieder lebendig werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Dezember 2005

Glänzende Höhepunkte auf der Bühne
Die Sammlung Königsberger Theaterzettel in der Staatsbibliothek zu Berlin läßt goldene Tage wieder lebendig werden
von Martin Hollender

Wie verbrachte der Königsberger Bildungsbürger den Silvesterabend des Jahres 1899? Vielleicht besuchte er das Stadttheater, wo man ab halb sieben am Abend ein buntes Programm bot. „Zur Feier der Jahrhundertwende“ wurde zunächst „An des Jahrhundert’s Neige“ gebracht, eine „dramatische Scene in einem Aufzuge“ des heute vergessenen Königsbergers Richard Heymann; es folgten Humperdincks „Hänsel und Gretel“ und die „Cavalleria Rusticana“ nach Giovanni Verga. „Ende nach 9“ – da verblieb dem Königsberger noch ausreichend Zeit bis zum Beginn der Neujahrsnacht.

Innerhalb des ohnehin dichten Spielplans bot dann bereits der 12. Januar den ersten Höhepunkt: Das Königsberger Stadttheater lud zur „Ersten Gastvorstellung der K.K. Hofschauspielerin Frl. Adele Sandrock vom K.K. Hofburgtheater“, in welcher der Wiener Theaterstar die Marguerite Gauthier aus Dumas’ „Cameliendame“ gab. Mit einem Eklat hatte sich die Sandrock im Jahr zuvor aus Wien verabschiedet und begab sich nun auf Tourneereisen, die sie auch nach Königsberg führten.

Solch detaillierten Aufschluß über die Spielpläne deutscher Theater liefern vor allem die Theaterzettel der jeweiligen Aufführung. Die Staatsbibliothek zu Berlin verfügt über 300000 historischer Original-Theaterzettel, die seit kurzem als tabellarische Übersicht auf der Homepage der Handschriftenabteilung grob verzeichnet sind: http://handschriften.staatsbibliothek-berlin.de/de/einblattmaterialien/theaterzettel/html .

Die Liste ist nach Orten alphabetisch sortiert und kann nach Veranstaltungsstätten (Theatern) durchsucht werden. Außerdem gibt sie Auskunft über den Zeitraum und die Anzahl der jeweils vorhandenen Zettel.

Trotz umfangreicher Kriegsverluste gehört diese Sammlung zu den bedeutendsten im deutschen Sprachbereich. So sind aus dem ostpreußischen Raum das Landestheater beziehungsweise das Stadttheater in Allenstein mit neun oder 143 Theaterzetteln aus den Jahren 1943 / 44 beziehungsweise 1913 / 14 und 1918 / 19 vertreten; von Bedeutung sind aber mehr noch das Neue Schauspielhaus und das Stadttheater in Königsberg mit 120 / 1050 Thea-terzetteln aus den Jahren von 1911 bis 1914 und von 1899 bis 1917.

Zurück also zur Jahreswende 1899 auf 1900. Ein ganz willkürlicher Blick auf das damalige Theatergeschehen soll verdeutlichen, welch reichhaltige Schätze für die Königsberger Theatergeschichtsschreibung ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung harren. Nahezu täglich, mitunter mehrmals täglich erschien ein großformatiges, einseitig bedrucktes Blatt, das Autor, die Besetzung, die Uhrzeit, die Preise der Plätze (Stehparterre 1 Mark, Parquet 3 Mark) und manche Verhaltenmaßregeln („Die Damen werden dringend gebeten im Theater die Hüte abzulegen“) wiedergibt. Musik- und Sprechtheater wechselten sich ab: Webers „Freischütz“ stand neben Lortzings „Czaar und Zimmermann“, dem „Tannhäuser“ und dem „Fliegenden Holländer“. Die Theaterzettel stellen zur Erforschung der Königsberger Theatergeschichte eine der gern zitierten Fundgruben dar, die nur wenige Fragen der Forschung offen lassen. Welche Bedeutung maß das Königsberger Stadttheater etwa den einheimischen ostpreußischen, aber auch den schlesischen Dramatikern bei?

Freilich, der damalige Erfolgsautor Oscar Blumenthal, Autor des „Weißen Rößl“, dominierte mit seinen Schwänken und Lustspielen auch die damalige Königsberger Theaterszene, aber auch der Lokalmatador Hermann Sudermann war um die Wende des neuen Jahrhunderts unter anderem mit seinen Dramen „Fritzchen“ und „Die drei Reiherfedern“ ständiger Bestandteil des Programms. Gerhart Hauptmanns „Fuhrmann Henschel“ gab man als „Nachmittagsvorstellung zu halben Preisen“; am 20. Dezember 1899 kam „zum Besten des Gustav Freytag-Denkmalfonds“ Gustav Freytags Drama „Die Journalisten“ zur Aufführung.

Der überwiegende Teil der Berliner Theaterzettelsammlung wurde zwischen 1899 und 1922 vom Berliner Verlag Breitkopf und Härtel (später Verlag Oesterheld) als Arbeitsgrundlage für die Zeitschrift „Deutscher Bühnenspielplan“ angelegt.

1925 übernahm die damalige Preußische Staatsbibliothek die zu jener Zeit aus 3000 gebundenen Bänden bestehende Sammlung, die zusätzliche Bedeutung durch handschriftliche Notizen der Theaterbüros über Änderungen im Spielplan und in der Rollenbesetzung erhält.

Eine Karte fürs Stehparterre kostete damals 1 Mark


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