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31.12.05 / Das geraubte Leben / Junge Frau erkrankt 1948 in Japan an Lepra und wird auf eine Insel verbannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Dezember 2005

Das geraubte Leben
Junge Frau erkrankt 1948 in Japan an Lepra und wird auf eine Insel verbannt

Sie ist gerade den Kinderschuhen entwachsen als sie ihren Traumberuf erlernen darf: Perlentaucherin. Es ist 1945, Japan hat den Krieg verloren, aber für die junge Taucherin sind die ersten drei Jahre nach dem Krieg die glücklichsten ihres Lebens, denn abgesehen von ein paar Streitereien mit ihrer Mutter über mögliche Ehekandidaten ist für die 17jährige die Welt in Ordnung. Doch eines Tages entdeckt sie einen Fleck auf ihrem Arm, bei dem es sich nicht um einen Knutschfleck, wie von ihren Kolleginnen vermutet, handelt, sondern um die ersten Anzeichen einer gefürchteten Krankheit. Ein Besuch beim Arzt offenbart, was die 19jährige befürchtet hat: Sie hat Lepra. Von ihrer eigenen Familie verstoßen, wird sie von der Polizei abgeführt und auf eine Insel gebracht. Auf Nagashima raubt man ihr nicht nur ihren Namen und ihre Vergangenheit, sondern auch ihre Würde.

Einfühlsam schildert der seit 1993 in Japan lebende Autor Jeff Talarigo anhand zahlreicher Überlieferungen das Leben der ins Exil verdammten Leprakranken. Zwar gibt es Ende der 40er Jahre die ersten wirksamen Medikamente gegen die Krankheit, doch die bereits auf die Insel Verbannten, werden dort weiter gefangengehalten.

Aus der Perlentaucherin wird Fräulein Fuji. Diese muß Stück für Stück erleben, wie schnell man in den Augen anderer vom Mensch zum Tier werden kann, das keinerlei Mitgefühl verdient. Nur einmal besucht ihre Schwester sie, und auch da nur, um ihr mitzuteilen, daß sie ein Monster sei, das die gesamte Familie ins Unglück gestürzt habe, da man diese aufgrund der kranken Tochter im Dorf meidet.

Da selbst relativ gesund, muß Fräulein Fuji als Krankenschwester arbeiten. Dort erlebt sie, wie schwangeren Patientinnen selbst im achten Monat zwangsweise ihr Kind abgetrieben wird. Als die Patienten für besser Lebensbedingungen demonstrieren, werden sie von vom Land eingeschifften Polizisten niedergeknüppelt. Erst ein Jahrzehnt später verbessern sich die äußeren Lebensbedingungen der Verbannten, doch selbst da bleiben sie vom wirklichen Leben ausgeschlossen. Nur zarte Freundschaften untereinander verhindern die völlige Verzweifelung der von einer hohen Selbstmordrate gekennzeichneten Inselbevölkerung.

Jeff Talarigo schildert in nüchternen Worten das tragische Schicksal der an Lepra erkrankten Japaner auf Nagashima. Ein Schicksal das berührt! R. Bellano

Jeff Talarigo: „Die Perlentaucherin“, Luchterhand, München 2005, brosch., 235 Seiten, 19,90 Euro


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