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07.01.06 / Große Koalition: Prüfsteine und Stolpersteine / Wenn es um einen Kompromiß in der Gesundheitspolitik geht, droht dem Bündnis das Scheitern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Januar 2006

Große Koalition: Prüfsteine und Stolpersteine
Wenn es um einen Kompromiß in der Gesundheitspolitik geht, droht dem Bündnis das Scheitern

Die hundert Tage sind zwar noch nicht erreicht, aber in diesen ersten Tagen des neuen Jahres darf man trotz des überschwenglichen Lobs in den Parteien und unter den Publizisten für die große Koalition und insbesondere die Bundeskanzlerin die Frage stellen, wie es denn nun weitergehen könnte. Das um so mehr, als sich das Lob vor allem auf die Außenpolitik bezieht und sich auch hier und da schon relativiert.

Auf internationalem Parkett kann Frau Merkel derzeit wenig falsch machen. In Paris und Washington genießt sie einen Vertrauensbonus, in Moskau und London ist man noch voller Erwartung. Bei den absehbaren größeren Krisen – etwa in Nahost oder Lateinamerika – kann Deutschland kaum etwas bewirken. Nein, die wahren Prüf- und Stolpersteine des Jahres 2006 werden innenpolitischer Natur sein. Dabei wird man sich in grundsätzlichen Fragen wie Lebensschutz, aktive Sterbehilfe, Familie rasch einig sein. Holprig könnte es dagegen schon bei der Rente werden, steinig bei den Reformen zum Arbeitsmarkt und bei Hartz IV, und gefährlich wird es bei der Gesundheit.

Bei der Rente wird man vermutlich einknicken, den Sozialverbänden nachgeben und einiges aus dem Koalitionsvertrag ruhen lassen. Schon die Beibehaltung der Regel, wonach die 58jährigen nicht unter die Hartz-IV-Guillotine fallen, zeigt an, daß den Regierungsparteien die älteren Generationen allemal wichtiger sind als die jüngeren. Das war schon bei Kohl so, das setzte sich fort bei Schröder.

Ältere sind durchaus verzichtsbereit, wenn es um das Wohl der Familie geht. Schon heute vollzieht sich millionenfach ein Generationsausgleich, indem die Großeltern ihren Kindern finanziell oder auch im praktischen Leben unter die Arme greifen. Sonst ginge die deutsche Familie längst am Krückstock.

Man wird also im anstehenden Jahr den Beitragssatz für die Rente erhöhen in der Hoffnung, in der von allen erwarteten Aufschwungphase damit den Menschen die gute Laune nicht zu verderben. Allerdings wird der Aufschwung nicht zu einer nennenswerten Senkung der Arbeitslosenzahlen führen. Apropos Arbeitslose und

Hartz-IV: Auch hier wird man sich noch einigen können, auch wenn die SPD dabei immer häufiger nach links schielt. Aber die Reformen waren handwerklich so schlampig angefertigt, daß Kundige schnell die Lücken entdeckten. Heute kostet Hartz IV doppelt so viel wie angenommen. Es macht den Haushalt zum Faß ohne Boden. Die Erkenntnis dieser Not wird die große Koalition zusammenhalten.

Anders sieht es aus bei Pflege und Gesundheit. Auch hier geht es vorwiegend um die ältere Generation. Die Generation

60 plus verbraucht mehr als die Hälfte der Gesundheitsausgaben. Kinder sind im Gesamttableau ein kleiner Posten. Deshalb werden alle zuständigen Politiker mit Spendierpose und Blick auf die rapide Alterung der Gesellschaft die kostenlose Mitversicherung von Kindern fordern und sich damit brüsten.

Wie aber Bürgerversicherung und Prämienmodell zusammenpassen sollen, ist vorerst noch ein Geheimnis. Beide Konzepte sind so stark ideologisch geladen, daß keine Partei zugunsten der anderen darauf verzichten kann. Man wird einen dritten Weg suchen, diesen in der eigenen Partei als das alte Modell verkaufen, in der Öffentlichkeit aber einen neuen, gemeinsamen Namen erfinden. De facto gibt es diesen dritten Weg zwischen gesundheitlicher Marktwirtschaft und Planwirtschaft nicht. Die Gesundheit kann zum Stolperstein der großen Koalition werden. Das Straucheln kann früh kommen, gerade weil die Taktik es erforderlich macht, wie bei der Rente spätestens 2007 eine Lösung zu finden.

Der letzte Wahlkampf in Deutschland hat wieder einmal gezeigt, daß Ehrlichkeit als Trumpf nicht immer sticht und viele Menschen sich bereitwillig manipulieren lassen. Viele Bürger wollen Reformen, solange diese sie selbst nichts kosten. Das ist nur möglich, wenn sie auf Kosten der künftigen Generationen gestaltet werden. Das könnte auch bei einem Gesundheitskompromiß so sein.

Daß dadurch das wahre Problem, die demographische Zukunftsfrage, nicht gelöst, sondern im Gegenteil verschärft wird, könnte das fatale Erbe dieser großen Koalition sein. Da wäre es besser und ehrlicher, sie würde über diesen Prüfstein stolpern. Franz Salzmacher


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