25.04.2024

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07.01.06 / Dumm gelaufen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Januar 2006

Gedanken zur Zeit:
Dumm gelaufen
von Jürgen Liminski

Seit über zwei Monaten wird der gemeine Deutsche an seine Identität erinnert. „Du bist Einstein“, „Du bist Porsche“, „Du bist Beethoven“, „Du bist Ludwig Erhard“ verkünden ihm große Werbeplakate. Das mag angehen. Mit solchen Leuten kann man sich identifizieren. Dann aber stößt er bei der 30 Millionen Euro schweren Kampagne auch auf Plakate, die ihm weismachen wollen, „Du bist Beate Uhse“ oder „Du bist Alice Schwarzer“.

Hand aufs Herz, welcher Leser dieser Zeitung möchte eine Pornotante sein? Auch die Identifikation mit Frau Schwarzer fällt schwer. Und damit ist man beim ersten Manko einer eigentlich guten Idee: Um sein Land zu schätzen und zu lieben, muß man sich nicht mit jedem Quatsch identifizieren, den der eine oder die andere Landsmann/frau hervorgebracht hat. Das ist Kollektivismus, Herdentrieb. Vielleicht ist das ja typisch deutsch, allein deshalb aber noch nicht lobenswert. Lobenswert ist dagegen der Versuch, einer zerfallenden Gesellschaft neuen Halt zu geben, etwas, was sie auch im Inneren zusammenhält.

Es ist die größte Sozialmarketing-Kampagne der Bundesrepublik. Die 25 größten Medienunternehmen und mehr als 30 Prominente beteiligen sich daran. Produzieren soll sie mehr Selbstbewußtsein, mehr Zuversicht, vielleicht auch mehr Liebe fürs Vaterland. Auf jeden Fall soll ein Ruck durch das Land gehen. Das wird ja schon länger mit großem Applaus angemahnt.

Lieben und sich identifizieren kann man nur (mit) etwas, das man kennt. Die Marketing-Kampagne verpufft, wenn sie nicht in den Bildungsanstalten der Republik, den Schulen und Universitäten mit Wissen unterfüttert wird. Was ist das Vaterland, was ist Deutschland? Das ist nicht nur Porsche, Beethoven oder Einstein. Dazu gehören auch Landschaften, Geschichte, Geistesströmungen. Und der Begriff des Patriotismus. Da gäbe es manches zu sagen. Man könnte auf Fichte und Kant zurückgreifen, sie haben die Definition des Patrioten sozusagen in Stein gemeißelt. Kant sah ihn im Zusammenhang mit dem Gemeinwohl, anders als Franzosen und Briten, die das Gemeinwohl mit der Nation identifizierten. Das greift zu kurz, so wie die Kampagne.

Aber es hapert nicht nur bei der Identifikation, auch bei der Ursachenforschung springen die Kampagneros zu kurz. Die Gesellschaft zerfällt ja nicht, weil die Menschen keine Vorbilder mehr in Politik, Wirtschaft und Kultur kennen (auch wenn die derzeitigen Prominenten diesbezüglich viel zu wünschen übrig lassen), sondern weil die ersten Vorbilder, die Eltern, kaum noch Zeit oder auch die Gelegenheit haben, die Kinder jene Erfahrungen machen zu lassen, die Identifikation mit Geschichte, Kultur und Folklore ermöglicht: Die liebevolle Begegnung der Generationen, die Begegnung mit Geschichte durch die eigene Familiengeschichte, das Erlernen der Sprache durch zuwendungsvolles Vorlesen, die verständnisvolle Geborgenheit in der Kultur und Religion der Nächsten. Adolph Kolping hat das einmal so formuliert: „Im Hause, in der Familie muß beginnen, was leuchten soll im Vaterland.“ Die Zerfallserscheinungen in der Gesellschaft, die Entwicklung zur „Ich-Gesellschaft“ – all dies hat auch mit der Mißachtung der Familie zu tun.

In diesem Sinn beschrieb Charles de Gaulle den Patrioten als einen Menschen, „der sein Eigenes liebt, aber das Andere achtet“. Das sollten auch Deutsche sagen dürfen, nach dem Ende der verlorenen Jahre der Multikulti-Ära mit den identifikationsunfähigen Gesellen allemal. Für solche Ursachenforschung oder tiefer gehende Gedanken hatten die Autoren der Du-bist-Kampagne wohl keine Zeit. Sie hätten gründlicher vorgehen sollen, dann wäre ihnen vielleicht auch aufgefallen, daß die schlichte Identifikation ohne weitere Gründe schon einmal jemand eingefordert hatte: Adolf Hitler. Und mit denselben Worten hatte man ihm damals gehuldigt: „Du bist Deutschland.“ Leider gibt es davon auch schon ein Foto im Internet. Dumm gelaufen, würde man da auf Neudeutsch sagen.

Der Versuch, neuen Halt zu geben, ist lobenswert

Schon Hitler fand den Du-bist-Slogan recht eingängig


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