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14.01.05 / Endlich Grenzen überwinden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Januar 2006

Gedanken zur Zeit:
Endlich Grenzen überwinden
von Wilfried Böhm

Die Bundesrepublik Deutschland ist in höchstem Maße reformbedürftig. Das wissen alle Bürger, auch die meisten Politiker und Medienmacher wissen oder ahnen es. Kaum einer, der nicht häufig und bekenntnisreich über die Notwendigkeit der längst fälligen Schlüsselreform zu allen weiteren Reformen redet: über die Reform des Föderalismus.

Das Reden über diese Reform geschieht so häufig, daß es die Bürger langweilt oder, was schlimmer ist, an den Fähigkeiten und dem Gestaltungswillen der Politiker zweifeln läßt. Die Föderalismusreform ist aber ohne eine Länderneugliederung nicht denkbar, weil alle bisherigen Versuche, im System der 16 Bundesländer Reformen in sachbezogenen Teilbereichen der Politik durchzusetzen mehr oder weniger erfolglos geblieben sind. Ob bei der Finanzverfassung, im Beamtenrecht der Besoldungs- und Laufbahnreform, der Regelung der Bildungskompetenz oder im mittlerweile unüberschaubaren Dickicht des Länderfinanzausgleichs mit seinen Überweisungssystemen: überall gibt es zwar stolze Beharrungsfähigkeit der Länder auf ihre Zuständigkeiten und Teilzuständigkeiten, aber nirgends den Beweis dafür, daß föderalistische Kompetenzen bessere Ergebnisse und Kosten-Nutzen-Rechnungen erbringen als zentral gesteuerte Zuständigkeiten. Im Gegenteil: die Bildungspolitik als Domäne der Bundesländer hat nach „Pisa“ geführt. Die Lage ist grotesk: Altbundespräsident Roman Herzog stellte dazu fest, die Zahl der armen Länder sei schon immer höher gewesen, als die der reichen und meinte: „Das kann eigentlich nicht wahr sein. Die Linien sind falsch gezogen.“

Unter Kosten- und Effizienzgesichtspunkten ist zu erwarten, daß eine geringere Anzahl von Bundesländern sinnvoll wäre. Im Grundgesetz ist zwar der Föderalismus festgeschrieben, nicht aber die Zahl der Bundesländer. Als theoretisches Modell für die Zahl von acht Bundesländern in Deutschland könnten die Organisationsstrukturen von einigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Großorganisationen dienen, die bereits existieren: Es gibt in der Bundesrepublik neun Landesbanken, die Bundesbank hat neun Hauptverwaltungen, die ARD neun Sender (nur Bremen und Saarland halten an ihren Kleinstsendern fest), die Bahn gliedert sich in neun Regionen und auch der DGB hat neun Bezirke.

Damit der vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog vor nunmehr fast einem Jahr-zehnt und bisher vergeblich eingeforderte „Ruck“ durch Deutschland gehen kann, muß der Föderalismus in seiner heutigen organisatorischen Erscheinungsform tiefgreifend reformiert werden. Das kann dazu führen, daß politisch Verantwortliche eigene Macht aufgeben, aber zugleich als verantwortungsbewußte Politiker gesellschaftliche Vorbildfunktion erwerben, nicht zuletzt als Basis für ihre persönliche Zukunft. Bisher hat noch kein Politiker ernsthaft und mit Kraft wirklich etwas für diese grundsätzliche, durchgreifendste und damit wichtigste „Mutter aller Reformen“ getan und sich damit zum geschichts- und zukunftsbewußten Staatsmann über das Heer der pfründen-besessenen Politikaster erhoben, gewissermaßen als ein Freiherr vom Stein im Zeitalter des europäischen Zusammenschlusses.

Diese Reform des föderalistischen Systems mit der drastischen Reduzierung der Zahl der Bundesländer ist seit Jahrzehnten überfällig, spätestens jedoch seit der Wiederherstellung der staatlichen Einheit im Jahr 1990, als ein revolutionärer Zustand in Deutschland die Voraussetzung dazu geboten hätte. „Das jetzt nicht auch noch!“ oder die Fixierung auf das Brüsseler Europa waren damals die schwerfällig abwehrenden oder illusionären Antworten auf hier und da laut werdende Forderungen, das aus den Zufälligkeiten des Zuschnitts von Besatzungszonen entstandene System der 16 Bundesländer nicht weiterzuführen und statt dessen ein die einstigen „Zonengrenzen“ überwindendes, auf acht starke Bundesländer gegründetes föderalistisches Deutschland zu schaffen.

Das hätte zugleich bedeutet, daß vier dieser wirklich „neuen“ Bundesländer aus Bürgern „westlicher“ und „östlicher“ Sozialisation bestanden hätten, also im Jargon aus „Wessis“ und „Ossis“. Nicht nur die von Besatzungsmächten gewollte Kleinstaaterei wäre überwunden worden, sondern die imaginäre Grenze zwischen „alten“ und neuen“ Bundesländern wäre gar nicht erst entstanden. Das wäre ein großer Vorteil für das Zusammenwachsen nach 40jähriger Trennung geworden und zu einem Beweis mehr dafür, daß die Deutschen „ein Volk sind“.

Mit Blick auf die Länderneugliederung könnte ein konkretes Modell eine Reduzierung der Zahl auf acht Bundesländer bedeuten, Schleswig-Holstein mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammenzuschließen, Niedersachsen mit Bremen und dem Bezirk Magdeburg (Sachsen-Anhalt), Berlin und Brandenburg.

Nordrhein-Westfalen bliebe bestehen. Sachsen und der Bezirk Halle (Sachsen-Anhalt) entstünde als einziges „neues Bundesland“ auf dem Gebiet der früheren DDR, während der Zusammenschluß von Hessen und Thüringen die Erneuerung historischer Verflechtungen bedeutet. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie das Saarland stellen im Westen und Südwesten ein lebensfähiges Bundesland dar, ebenso, wie es das unverändert bestehen bleibende Bayern ist.

Die Durchführung einer Länderneugliederung als Grundlage der Föderalismusreform könnte sich als überzeugende Leistung der derzeitigen großen Koalition auf Zeit erweisen, die sich dadurch ihre Rechtfertigung verdienen würde.

Bildung als Domäne der Länder hat nach "Pisa" geführt

Es hätte keine "Ossis" und "Wessis" gegeben


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