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21.01.05 / Der faule Kompromiß wird verewigt / Bonn / Berlin: Das kostspielige Hin und Her der Ministerialen soll Verfassungsrang bekommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Januar 2006

Der faule Kompromiß wird verewigt
Bonn / Berlin: Das kostspielige Hin und Her der Ministerialen soll Verfassungsrang bekommen
von Annegret Kühnel

Berlin soll im Artikel 22 des Grundgesetzes als Hauptstadt festgeschrieben werden. Damit würde der Bund sich zu seiner Hauptstadt offiziell bekennen und sich in die Pflicht nehmen lassen und sich, so hofft man in Berlins Rotem Rathaus, an der Finanzierung und Ausgestaltung der repräsentativen und logistischen Hauptstadtaufgaben – etwa des Polizeischutzes bei Staatsbesuchen – mehr als bisher beteiligen. Vor dem Hintergrund der Berliner Finanznot sind solche Erwartungen nur zu verständlich.

Das mächtige Nordrhein-Westfalen hat im Prinzip nichts dagegen, macht seine Zustimmung im Bundesrat aber von der Verabschiedung eines Zusatzprotokolls abhängig, in dem es heißt: „Das Bonn-Berlin-Gesetz, die bis 2010 laufende Kulturförderung des Bundes für die Bundesstadt Bonn sowie die vom Bund in Bonn getragenen Kulureinrichtungen (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sowie Beethoven-Haus) bleiben unberührt.“

Der Schwerpunkt liegt auf dem 1994 verabschiedeten Bonn-Berlin-Gesetz. Dort wird einerseits Berlin zur „Bundeshauptstadt“ und als Parlaments- und Regierungssitz, Bonn aber zur „Bundesstadt“ bestimmt. Berlin bekam acht und Bonn sechs Bundesministerien zugesprochen. Außer dem Auswärtigen Amt, das komplett an die Spree gezogen ist, hat jedes Ministerium in der jeweils anderen Stadt einen zweiten Dienstsitz. Nach wie vor arbeiten mehr Regierungsangestellte in Bonn als in Berlin. Ihren Hauptsitz in Bonn haben die Ministerien für Verteidigung, Bildung, Ernährung, Umwelt, Entwicklung und Gesundheit.

In Berlin verfügen sie über sogenannte Kopfstellen, recht große sogar, denn die Minister erledigen den Großteil ihrer Arbeit natürlich in Berlin: Kabinettssitzungen, Ministertreffen, Parlaments- und Parteisitzungen sowie Kontakt zu internationalen Gästen und Diplomaten. Das Entwicklungshilfeministerium etwa ist der natürliche Ansprechpartner armer Länder, die sich keine Zweitvertretung am Rhein leisten können. Mit dem Europahaus in der Stresemannstraße verfügt es über ein repräsentatives Gebäude – zusätzlich zur Bonner Zentrale.

Das Gleiche gilt für das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Das Verteidungsministerium ist mit Sitz im sogenannten „Bendlerblock“, wo sich am 20. Juli 1944 die Zentrale der Verschwörer um Stauffenberg befand, nur mit 340 Mitarbeitern präsent, während auf der Bonner Hardt-höhe 2870 Mitarbeiter tätig sind.

Die Kommunikation zwischen beiden Standorten wird durch Video- und Telefonkonferenzen und Dienstreisen gewährleistet. Allein letztere kosten zehn Millionen Euro im Jahr, hinzu kommen die Kosten für Zweitwohnungen, nicht zu zählen die politischen Reibungsverluste und längeren Dienstwege. Diese umständliche, teure Doppelung soll nach dem Willen der NRW-Landesregierung nun festgeschrieben werden.

Die Aufgabenverteilung zwischen Berlin und Bonn war von Anfang an ein fauler Kompromiß. Der Bundestag meinte, das Wehklagen aus Bonn und NRW über das hereinbrechende Elend nach dem Wegzug der Regierung besänftigten zu müssen. Bonn erhielt großzügige Ausgleichszahlungen, ihm wurde auch die Finanzierung von Kultureinrichtungen und die Ansiedlung von Bundesbehörden zugesagt. Mehr als 20 haben heute hier ihren Sitz, darunter das Bundeskartellamt und der Bundesrechnungshof. Außerdem wurden mehrere Uno-Gremien angesiedelt, nicht zu reden von Post und Telekom. Die Zahl der Arbeitsplätze ist seither von 20000 auf 35000 gestiegen. Das sind Zahlen, von denen Berlin trotz Bundestag, Kanzleramt und Verbandszentralen nur träumen kann. Sehnlichst erhofft man den Zuzug weiterer zahlungskräftiger Bundesbediensteter, die die finanzielle Bilanz der Stadt verbessern. Außerdem steht massenhaft günstiger Büroraum leer, selbst in Bestlagen.

Realistisch sind die Erwartungen kaum. Der rot-rote Senat genießt in den anderen Landeshauptstädten keine Sympathien, die Berliner Schulen haben einen schlechten Ruf, und ein Umzug der restlichen Ministerien wird mit fünf Millionen Euro veranschlagt. Wahrscheinlich wird der faule Kompromiß tatsächlich festgeschrieben. Er paßt zum Zustand des Landes.


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