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28.01.06 / Nicht nur die Politik muß handeln / Auch die Wirtschaft muß anfangen, sich auf eine alternde Belegschaft und ältere Kunden einzustellen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Januar 2006

Nicht nur die Politik muß handeln
Auch die Wirtschaft muß anfangen, sich auf eine alternde Belegschaft und ältere Kunden einzustellen
von Ansgar Lange

Der demographische Wandel wird Europa in unterschiedlicher Form treffen. Der künftige Bevölkerungsrück-gang in Europa gehe vor allem auf das Konto Osteuropas, schreibt Martin Schulte in der Januar-Ausgabe von „IWG aktuell“, dem Informationsdienst des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) Bonn. Nach einer Projektion der Vereinten Nationen schrumpft die europäische Bevölkerung bei unverändert niedrigen Geburtenraten bis 2050 trotz Zuwanderung und steigender Lebenserwartung von heute 728 Millionen um 122 auf 606 Millionen. Mit 96 Millionen entfallen allerdings fast vier Fünftel des europäischen Bevölkerungsschwundes auf Osteuropa, so Schulte.

Nach Einschätzung von Experten hat dies wirtschaftliche Folgen. Zur Zeit profitiert beispielsweise Österreich ökonomisch sehr stark davon, daß es als Drehscheibe zwischen Ost und West fungiert. Auf lange Sicht wird die wirtschaftliche Bedeutung der mittel- und osteuropäischen Länder aber wieder abnehmen. Die rückläufige Bevölkerungsentwicklung wird aller Voraussicht nach dazu führen, daß Osteuropa als Absatzmarkt und Produktionsstandort an Attraktivität einbüßt.

Doch auch wenn der Bevölkerungsanteil West- und Nordeuropas von 39 Prozent auf 46 Prozent bis zum Jahr 2050 ansteigen dürfte, müssen sich die westeuropäischen Staaten ebenfalls auf diesen Wandel einstellen. „Bisher waren insbesondere die jüngeren Fachkräfte für Innovationen zuständig. Universitätsabsolventen sorgten oft für frischen Wind. Demnächst muß die Innovationsoffensive auch von den Älteren angestoßen werden“, folgert Marc Emde, Geschäftsführer der Kirch Personalberatung in Köln, aus den Forschungsarbeiten des IWG.

Laut Stefanie Wahl, Geschäftsführerin des IWG, müssen sich die Deutschen rechtzeitig auf alternde Belegschaften einstellen. Dies heißt zunächst, daß die Alterszusammensetzung der Belegschaft analysiert werden sollte. Altersbezogenes Personalmanagement hat dafür zu sorgen, daß auf der Grundlage der demographischen Analyse eine Personal- und Karriereplanung auch für ältere Mitarbeiter aufgestellt wird. Wahl räumt mit gängigen Vorurteilen auf: „Aus Sicht Personalverantwortlicher von Betrieben ist die Leistungsfähigkeit älterer, eingearbeiteter Arbeitskräfte häufig nicht schlechter als die jüngerer.“ Die Bonner Wissenschaftlerin empfiehlt ferner die Einrichtung eines altersgerechten Arbeitsumfeldes. Zudem müsse die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer ausgebaut werden.

Eine Beibehaltung des Senioritätsprinzips wird sich nach Auffassung von Wahl als Beschäftigungshürde erweisen. „Die Vergütung sollte bei der Leistung und nicht beim Lebensalter ansetzen“, meint auch Emde. Die IWG-Geschäftsführerin befürwortet allgemein die stärkere Berücksichtigung gewinn- und erfolgsabhängiger Komponenten bei der Entlohnung. Abschließend rät die Forscherin dazu, die Arbeitsbedingungen in deutschen Unternehmen familienfreundlicher zu gestalten und Zuwanderer konsequent zu integrieren.

Kritik übt Wahl an der Politik der großen Koalition. Es sei nicht nachvollziehbar, daß das schwarz-rote Bündnis als „eine der ersten Amtshandlungen“ die umstrittene 58er-Regel bis 2007 verlängert habe. Danach können Arbeitslose ab 58 auch dann Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie keinen Job mehr annehmen wollen. Die 58er-Regelung „schönt“ letztlich die Arbeitslosenstatistik.

„Statt ältere Arbeitnehmer gezielt zu fördern, können Unternehmen die Lasten der Alterung ihrer Belegschaften weiter der Arbeitslosenversicherung und damit der Allgemeinheit aufbürden“, warnt Stefanie Wahl. Außerdem gebe der Staat bisher mit 21300 Euro pro Kopf 2005 für über 59jährige fast doppelt so viel aus wie für unter 20jährige und sogar 2,6 mal so viel wie für 20- bis 59jährige.

Europas Bevölkerung schrumpft um 122 Millionen

Vergütung nach Leistung und nicht nach Alter


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