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04.02.06 / Alles dreht sich ums Geld / Trotz Milliarden aus Brüssel fühlen sich die neuen osteuropäischen EU-Länder unterjocht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Februar 2006

Alles dreht sich ums Geld
Trotz Milliarden aus Brüssel fühlen sich die neuen osteuropäischen EU-Länder unterjocht
von Martin Schmidt

Das sogenannte neue Europa hat mit dem alten EU-Europa anhaltende Schwierigkeiten. Das Ausmaß der Kritik am „Brüsseler Moloch“ übersteigt die ebenfalls nicht geringe Unzufriedenheit in den Staaten westlich des einstigen Eisernen Vorhangs deutlich.

Der durchschnittliche Pole, Tscheche, Este oder Ungar ist stolz auf seine eigene Nation und fürchtet, deren Interessen könnten im Rahmen der schwer überschaubaren Europäischen Union untergebuttert werden. Nur jeder sechste Tscheche ist beispielsweise der Meinung, er könne in irgendeiner Weise die Geschicke der EU beeinflussen. Das besagt ein veröffentlichtes tschechisches Eurobarometer, das auf Umfragen aus dem vergangenen Herbst basiert. Nur die Letten unterstellen der Brüsseler Staatengemeinschaft einen ähnlich großen Mangel an Demokratie.

Bestärkt durch die jüngsten Haushaltsstreitereien und die Ablehnung der EU-Verfassung infolge der Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden geht die Beliebtheit der EU in Tschechien immer weiter zurück. Während im Frühjahr vergangenen Jahres noch 49 Prozent der Tschechen die EU-Mitgliedschaft ihres Landes unterstützten, so waren es im folgenden Herbst nur noch 44 Prozent. Und das, obwohl mittlerweile klar ist, daß sich allein zwischen 2007 und 2013 über 22 Milliarden Euro aus Brüsseler Strukturfonds in tschechische Kassen ergießen sollen.

Die geplante Einführung des Euro stürzt Lettland, Litauen, Slowenien und Ungarn überdies in sprachwissenschaftliche Probleme. Zwar haben alle ostmitteleuropäischen EU-Neulinge einen Beitrittsvertrag unterzeichnet, in dem einheitlich vom „Euro“ die Rede ist, doch diese Länder bestehen auf ihrer jeweiligen Sprache angemessene Währungsbezeichnungen. So betont die lettische Regierung, die das Einheitsgeld 2008 einführen möchte, daß der Doppellaut „eu“ der eigenen Sprache völlig fremd sei. Deshalb werde man das Geld Eiro nennen, sagte Erziehungsministerin Ina Druviete, eine studierte Linguistin, Anfang Januar im Rigaer Nationalparlament. Daraufhin verkündete Nachbar Litauen umgehend seine Namensvariante Euras. Slowenien würde der Bezeichnung Evro den Vorzug geben, während sich Ungarn mit einem Akzent auf dem o (Euró) begnügen will.

Die vier Sprachregelungsrebellen, zu denen sich außerdem Malta gesellt (dort strebt man den Ewro an), pochen auf eine EU-Richtlinie über die Gemeinschaftswährung, in der bereits nationale Sonderformen bei der Schreibung auftauchen. Dies allerdings nur in Bezug auf das Kleingeld Cent, das denn auch in Frankreich Centime heißt und in Spanien Céntimo.

In Deutschland hat der Euro nur inoffiziell, nämlich im Volksmund, einen eigenen Namen bekommen: Teuro. Daß sich das Gemeinschaftsgeld eines wohl nicht sehr fernen Tages als Weichwährung entpuppen dürfte, dazu tragen auch die ostmitteleuropäischen Länder ihren Teil bei. Als krasses Beispiel sei auf Ungarn verwiesen, das die Einführung der Einheitswährung für 2010 plant und das von der EU gerade zur Überarbeitung seines 2004 eingereichten und im Dezember nochmals überarbeiteten Konvergenzprogrammes aufgefordert wurde.

Statt die Erfüllung der Kriterien bis zum vorgesehenen Stichjahr 2008 offen als unmöglich zu bezeichnen, bemängelten Brüssel und Frankfurt in üblicher Schönfärber-Rhetorik vor allem das hohe ungarische Haushaltsdefizit. Dieses liegt trotz eines Wirtschaftswachstums von etwa vier Prozent seit Jahren bei sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP); ähnlich hohe Defizite weisen im EU-Rahmen nur noch Griechenland und Portugal auf. Griechenland konnte ohnehin nur am Euro teilnehmen, weil es seine Haushaltszahlen seinerzeit frech gefälscht hatte, um scheinbar die „Konvergenzkriterien“ im Stichjahr 1997 zu erfüllen.

Brüssel gewährt Ungarn, nicht zuletzt mit Blick auf die dortigen Parlamentswahlen im April, einen Aufschub. Dann dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Budapest seine finanzpolitischen Hausaufgaben erfüllt haben. Zumindest offiziell. Denn wenn Deutschland und Frankreich sowie Großbritannien die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Höchstverschuldung von drei Prozent des BIP folgenlos überschreiten dürfen, dann kann man den Ungarn schwerlich unter Hinweis aufs Haushaltsdefizit den Beitritt zum Eurogebiet verwehren. Der Wille zu einem solchen Schritt, der dem hohen Ziel der Währungsstabilität verpflichtet wäre, ist mangels Mut zum politischen Konflikt nicht erkennbar. Den Preis für das finanzpolitische Vabanquespiel werden wieder einmal die Bürger zu zahlen haben. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.


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