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11.02.06 / Reines Ablenkungsmanöver / Rente mit 67 - Parteien fehlt der Mut zu einer echten Reform

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Februar 2006

Reines Ablenkungsmanöver
Rente mit 67 - Parteien fehlt der Mut zu einer echten Reform
von Jürgen Liminski

Es war der alte Kaiser Wilhelm. Er führte das Renteneintrittsalter 65 ein und zwar im Jahr 1916, also vor fast einem Jahrhundert. Das ist an sich noch kein Grund, es jetzt heraufzusetzen. Aber der demographische Niedergang in diesem Jahrhundert sucht in der Geschichte seinesgleichen, und man muß noch weiter als zu Kaiser Wilhelm, und zwar bis auf den 30jährigen Krieg zurückgehen, um eine vergleichbare Situation vorzufinden. Im Jahr 2030 wird Deutschland ein Drittel seiner Bevölkerung verloren haben, wie nach dem 30jährigen Krieg eben, und schlimmer noch: Dann wird es vermutlich einen Rentner auf zwei Erwerbstätige geben. Das ist mit dem heutigen System selbst bei einer Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 schlicht nicht zu bezahlen. Die erste Existenzkrise des Systems kommt aber noch früher: Ab 2010 erreicht die Generation der Baby-Boomer das Rentenalter. Diese geburtenstarke Generation wird das System im wahrsten Sinn des Wortes überfluten. Eigentlich müßte das Rentenalter schon bis dahin auf 67 erhöht sein, was aber das Problem auf der langen Bank des Generationenvertrags nur etwas weiter rücken, aber nicht lösen würde.

Angesichts dieser unausweichlichen und leicht berechenbaren Fakten mutet die jetzige Rentendiskussion irgendwie weltfremd an - um nicht zu sagen wie ein Ablenkungsmanöver. Bisher hat sich noch jede Regierung in den letzten 30 Jahren um dieses Problem gedrückt. Für Kohl war es eine Machtfrage, er wollte die Rentner-Wähler nicht aus der Blümschen Sicherheitstrance wecken, auch Schröder laborierte mit der Riester-Rente und den Nullrunden nur an den Symptomen herum. Auch die jetzt von SPD-Vize Beck wahlträchtig ausgelöste Dachdecker-Diskussion kratzt nur an der Oberfläche herum. Zu der notwendigen Strukturreform fehlte und fehlt den Politikern aller Parteien der Mut.

Für diese Reform gibt es aber allerlei Anstöße. Da ist in erster Linie das Bundesverfassungsgericht zu nennen, das seit dem Trümmerfrauenurteil 1992 wiederholt darauf hingewiesen hat, daß Eltern mit der Erziehung von Kindern einen "generativen Beitrag" zur Bestandserhaltung des Systems leisten und daß dieser Beitrag vom finanziellen Beitrag abgezogen werden müßte. Da die Politik nicht reagierte, hat Karlsruhe dann im Pflegeurteil 2001 eine Frist gesetzt. Auch hier hinkt die Politik jetzt unwillig hinterher. Aber es hilft alles nichts: Der Generationenvertrag ist nur dann zu retten, wenn die Eltern entlastet werden, was bedeutet, daß die Kinderlosen entweder höhere Beiträge zu entrichten oder geringere Leistungen zu erwarten haben. Alles andere sind nur Pflaster auf klaffende Wunden, so auch die Erhöhung auf 67.

Die Leistung, die das Volk von seiner Regierung nun erwartet, ist einfach: Die Wahrheit sagen, erst mal sich selbst im Kabinett ungeachtet aller Harmoniesüchte, und dann in den Parteien, ungeachtet aller Profilierungssüchte, und schließlich dem Volk, ungeachtet aller Machtfragen. Denn mittlerweile geht es nicht mehr nur um Gerechtigkeit, sondern auch um den sozialen Frieden und die Zukunft.

Was bleibt für die Jungen? Um die Alten von heute nicht zu verschrecken, schröpft man die Alten von morgen. Foto: pa


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