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11.02.06 / Nur die Ministerin ist glücklich

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Februar 2006

Gedanken zur Zeit:
Nur die Ministerin ist glücklich
von Wilfried Böhm

Über den von der Koalition vereinbarten Kompromiß zur steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten schien nur Familienministerin Ursula von der Leyen so richtig glücklich zu sein. Das aber sei sie immer, hieß es in Berlin dazu, so wie früher in Hannover, wo sie ihre Politlaufbahn begann. Glücklichsein und das zu zeigen gehöre zum Politikstil der Mutter von sieben Kindern im Alter von fünf bis 18 Jahren. Ihren politischen Auftrag beschreibt sie wie folgt: "Ich will beweisen, daß es geht, eine gute Mutter zu sein, und Erfolg im Beruf zu haben." Kein Wunder, daß der Kompromiß, der die Frau Minister glücklich macht, für den Bundeselternrat nur "Flickschusterei" darstellt, weil ein umfassendes Konzept zur Bildungsfinanzierung fehle. Arme Familien, die gar keine Steuern zahlten, hätten gar nichts vom Kompromiß. Gerade sie aber müßten gefördert werden.

Der Weg zu diesem Kompromiß bei den Betreuungskosten mit seinem unüberschaubaren und für die meisten Bürger unverständlichen, weil komplizierten Ergebnis macht darüber hinaus deutlich: Die Strecke vom Steuermodell des Professors Paul Kirchhof und der Steuererklärung auf dem Bierdeckel von Friedrich Merz zum großkoalitionären Gezerre war kurz. Steuerpolitik bleibt undurchsichtig für die Bürger und letztlich ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für professionelle Steuerberater.

Hingegen wäre ein Familiensteuersplitting, bei dem jede Person in einer Familie ihren Anteil am Familieneinkommen so versteuert wie ein Alleinstehender mit gleichem Einkommen, der richtige und gerechte Weg zur Anerkennung der Erziehungsleistung der Familien, die endlich in den Mittelpunkt der Gesellschafts- und Familienpolitik gestellt werden muß. Die gegenwärtige Absurdität liegt darin, daß Kinderlose von der Wirtschaftskraft der Kinder der Familien eine höhere Rente erhalten, als deren Eltern, was junge Leute dazu verleitet, lebenslang kinderlos zu bleiben. Die deutsche 1,3-Kinder-Frau ist zum Schlagwort in der bevölkerungspolitischen Debatte geworden.

Die zu geringe Achtung der Erziehungsleistung der Familien findet ihre Korrelation in der Tatsache, daß in weiten Kreisen der Gesellschaft die Arbeit der Hausfrau und Mutter nicht die entsprechende Würdigung erfährt. Es ist nicht zu erklären, warum zum Beispiel die Berufe der Tagesmutter oder Erzieherin als anerkannte und wichtige Berufstätigkeiten gelten, der Beruf der Mutter aber nicht.

Das alles geschieht in einer Zeit, in der Deutschland gewaltige demographische Verwerfungen erlebt, die von dem Magazin "GEO" schon vor zwei Jahren mit den Folgen der großen Auswanderungswellen des 19. Jahrhunderts verglichen wurden. Danach hat Deutschland in den letzten 30 Jahren fünf Millionen Einwohner verloren. Seit 1972 sterben jährlich mehr Menschen als geboren werden, und jede nachfolgende Kindergeneration ist um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. In diesem Zusammenhang steht die seit der Neufassung des § 218 im Jahr 1974 (geschätzte) Zahl von rund acht Millionen durch Abtreibung nicht geborener Kinder. Fest steht: Deutschland zählt heute zu den kinderärmsten Gesellschaften der Welt. Bevölkerungsrückgang und Überalterung ruinieren die Rentenkassen und das Gesundheitssystem. Die Folge davon ist, daß sich Deutschland zum Einwanderungsland entwickelt hat und mehr und mehr dazu werden wird.

Diese demographische Krise und ihre Bewältigung sollte zum Maßstab jedweder wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen werden, die von der öffentlichen Hand getroffen werden. Professor Herwig Berg formulierte drastisch, bevölkerungspolitisch sei es für die Bundesrepublik "bereits 30 Jahre nach Zwölf".

In der Tat, wer vor 20 Jahren auf die sich abzeichnenden Probleme der bevölkerungspolitischen Entwicklung hinwies, fand kein Gehör, ebenso wie alle, die sich schon damals für ein modernes Familienwahlrecht einsetzten, um die Aufmerksamkeit auf diese deutsche Überlebensfrage zu lenken.

Jetzt sind Anstrengungen notwendig, die denen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg ebenbürtig sind, allerdings unter weitaus günstigeren Bedingungen und darum müßten sie erst recht zu bewältigen sein. Glücksgefühle aber dürften sich erst danach einstellen.

Neue Familienpolitik begünstigt die falschen Leute, Seit 1972 sterben mehr Menschen als geboren werden


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