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11.02.06 / "Funken aus der Asche eines Toten" / Vor 225 Jahren starb der Gelehrte und Dichter Gotthold Ephraim Lessing

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Februar 2006

"Funken aus der Asche eines Toten"
Vor 225 Jahren starb der Gelehrte und Dichter Gotthold Ephraim Lessing
von Silke Osman

Der große Denker aus dem ostpreußischen Mohrungen, Johann Gottfried Herder (1744-1803), nannte eine Auswahl von Zitaten, die er ein Jahrzehnt nach Lessings Tod zusammengestellt hat, "Funken aus der Asche eines Toten". Zu finden ist diese kleine Sammlung mit dem poetischen Titel im 111. "Briefe zur Beförderung der Humanität". Auch zu Beginn des 112. Briefes sprach Herder von den "Spuren eines unsterblichen Geistes" und deutete sie als "Funken", die zu "einer herrlichen Flamme an Glanz und Farbe" werden können. Auch heute noch, 225 Jahre nach dem Tod des Dichters und Denkers Gotthold Ephraim Lessing, leuchtet die Lebensleistung dieses Mannes in der Kulturgeschichte des Abendlandes hell auf. Wer war dieser Dichter, den Theaterfreunde noch heute verehren, dem Schüler vieler Generationen im Unterricht begegneten?

Am 22. Januar 1729 im sächsischen Kamenz als Sohn eines Pfarrers geboren, besuchte er die Fürstenschule St. Afra in Meißen, um später in Leipzig Theologie und Medizin zu studieren. Wie viele seiner Altersgenossen fühlte der junge Lessing sich jedoch eher zu den Zerstreuungen denn zu ernsthafter Arbeit hingezogen. Bald schon wandte er sich den schönen Künsten zu, veröffentlichte erste Gedichte und Rezensionen in Berliner Zeitschriften. Sein Weg war vorgezeichnet, als er der Schauspielertruppe um Friederike Caroline Neuber begegnete und 1748 sein Schauspiel "Der junge Gelehrte" aufgeführt wurde. Ironie des Schicksals: Die Neuberin arbeitete eng zusammen mit dem Literaturpapst jener Zeit, mit dem Königsberger Johann Christoph Gottsched (1700-1766), der einmal ein erbitterter Gegner Lessings werden sollte.

Nach dem finanziellen Zusammenbruch der Neuberschen Truppe ging Lessing nach Wittenberg und schließlich nach Berlin, wo er sich als Journalist, Kritiker und Poet durchs Leben schlug. In Berlin lernte er Voltaire kennen, mit dem er sich allerdings bald heftig wieder entzweite - ein Umstand, der Friedrich den Großen nicht gerade für Lessing einnehmen sollte.

Nach einem Jahr verließ Lessing Berlin wieder und ging erneut nach Wittenberg, wo er den Magistertitel erwarb. Doch nicht lange hielt es den unruhigen Geist dort. Erneut in Berlin, freundete er sich mit dem Philosophen Moses Mendelssohn und dem Buchhändler Friedrich Nicolai an; gemeinsam gab man die "Briefe, die neueste Literatur betreffend" heraus. Auch die Freundschaft zu Ewald von Kleist entwickelte sich fruchtbar.

Lessing war erst 26 Jahre alt, als er eine sechsbändige Gesamtausgabe seiner Schriften veröffentlichte, im selben Jahr, 1755, wurde seine "Miß Sara Sampson", das erste "bürgerliche Trauerspiel", in Frankfurt / Oder aufgeführt. Wie andere Dichter seiner Zeit wollte auch Lessing sich auf Reisen begeben, um seinen Horizont zu erweitern, Neues kennen zu lernen.

Eine geplante Reise durch Europa mußte er allerdings absagen - die Zeiten waren zu unsicher, schließlich herrschte Krieg zwischen Preußen und Österreich. Lessing ging zunächst nach Leipzig, dann jedoch wieder nach Berlin. Allerdings nur für eine kurze Zeit, da er sich entschlossen hatte, als Sekretär des Generals von Tauentzien nach Breslau zu gehen (1760-1765).

Nach dem Krieg fand man Lessing wieder einmal in Berlin, wo er versuchte, die Leitung der Königlichen Bibliothek zu erhalten. Diese Hoffnung scheiterte jedoch an Friedrich dem Großen und dessen Vorliebe für französische Gelehrte und Dichter. Lessing folgte schließlich 1767 einem Ruf nach Hamburg, wo er als Dramaturg am neugegründeten Nationaltheater wirken sollte. Als fruchtbarstes Ergebnis seiner Zeit in der Hansestadt wird die Hamburgische Dramaturgie betrachtet, da bereits nach Verlauf eines Jahres das Nationaltheater zum Scheitern verurteilt war.

1770 endlich nahm Gotthold Ephraim Lessing den Antrag des Erbprinzen von Braunschweig an, die Herzogliche Bibliothek in Wolfenbüttel zu leiten. Dort heiratete Lessing 1776 Eva König, die Witwe eines Freundes. Dieses späte Glück war jedoch nur von kurzer Dauer. Lessings Frau Eva starb nach der Geburt seines ersten Kindes. Auch der Sohn blieb nicht am Leben.

In Wolfenbüttel schließlich entstanden die geschichtsphilosophische Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts" und das wohl bekannteste Werk Lessings, "Nathan der Weise." Paul Fechter schrieb über den Nathan: "... Auch die Tatsache, daß das dramatische Gedicht die erste Bühnendichtung ist, die konsequent den Blankvers gebraucht, der seitdem der tragende Vers auch der deutschen Bühne geworden ist -, auch dieses Faktum hätte der Dichtung kaum den Widerhall zu geben vermocht, den sie in den Jahrhunderten ihrer Bühnenlaufbahn gefunden hat. Der ergab sich aus der menschlichen Haltung ihres Dichters, aus der aufgeklärten Humanität im schönsten Sinn, die in dem Drama lebt und sein wesentlicher Kern, seine Grundtendenz zu sein scheint."

Am 15. Februar 1781 starb Lessing bei einem Besuch in Braunschweig. Auf dem Friedhof der Magni-Gemeinde fand er seine letzte Ruhestätte. Er hinterließ der Nachwelt eine stattliche Reihe von Schriften, dramatische, kunstkritische und religionskritische. Zu entscheiden, welche Thematik den Nachwachsenden entscheidende Impulse gegeben hat, bleibt Berufeneren überlassen. Paul Fechter urteilte: "Denn das ist Gotthold Ephraim Lessings bleibendes historisches Verdienst, daß er den Mit- und Nachlebenden die Pflicht der geistigen Forderung an sich selbst und die Möglichkeit höchster Leistung von solcher Forderung aus zum Bewußtsein brachte."

Als man 1929 den 200. Geburtstag Lessings in der Preußischen Akademie der Künste beging, hielt Max Liebermann in seiner Eigenschaft als Präsident eine Ansprache, in der er ausführte: "Goethe sagte einmal, wenn er im Kant läse, wäre es ihm, als ob er das Fenster öffnete: dasselbe und mit größerem Rechte hätte er von Lessings Werk sagen dürfen. Doch wie wenige, außer den Fachgelehrten, beschäftigen sich noch mit dem Laokoon, der Hamburgischen Dramaturgie oder mit seinen antiquarischen und theologischen Kampfschriften? Frische, freie Luft strömt uns aus ihnen entgegen. Zwar sind die französischen Stücke, gegen die er in der Dramaturgie zu Felde zieht, ebenso vergessen wie die Lange, die Klotz und die Pfarrer Goeze. Mögen die Ergebnisse des Laokoon von der Wissenschaft als falsch und antiquiert erkannt sein: der Geist, der diese Schriften schuf, ist unsterblich. Er war seiner Zeit so weit voraus, daß wir ihn an Freimut und Leidenschaft der Gesinnung, an Weite und Höhe der Weltanschauung bis heute nicht eingeholt haben, geschweige denn, daß wir ihn überholt hätten."

"Kein neuerer Schriftsteller hat, dünkt mich, in Sachen des Geschmacks und des feineren, gründlichen Urteils über literarische Gegenstände auf Deutschland mehr gewirkt als Lessing", schrieb Herder im Oktober 1781 in Wielands "Teutschem Merkur".

"Was war deutscher Geschmack im Anfang dieses Jahrhunderts? ... Sowohl an Witz als in Gelehrsamkeit, an Talenten und im Ausdruck war er beinah Gottscheds Antipode. Von den Schweizern nutzte er ihre Belesenheit und ihr gründlicheres Urteil; er übertraf sie bald in beidem. Im meisten aber übertraf er sie und alle seine Vorgänger in der Gelenkigkeit des Ausdrucks, in den immer neuen und glänzenden Wendungen, seiner Einkleidung und Sprache, endlich in dem philosophischen Scharfsinn, den er mit jedem Eigensinn seines muntern, dialogischen Stils zu verbinden und die durchdachtesten Sachen mit Neckerei und Leichtigkeit gleichsam nur hinzuwerfen wußte. Solange deutsch geschrieben ist, hat, dünkt mich niemand wie Lessing deutsch geschrieben; und komme man und sage, wo seine Wendungen, sein Eigensinn nicht Eigensinn der Sprache selbst wären! Seit Luther hat niemand die Sprache von dieser Seite so wohl gebraucht, so wohl verstanden ..."

In seiner Totenklage fragt Herder: "Man wird sich umsehen, nach einem, der diesen leergewordenen Stuhl an der kleinen Tafelrunde der Weisen ausfüllen könnte. Wo ist nun der Denker, der helle, tiefblickende, weitumschauende philosophische Denker ... wo ist der Kenner der menschlichen Natur ... wo der Mann von Geschmack und seinem scharfen, sichern Urteil, der uns diesen Mann ersetzen könne? Und man wird sich keine Antwort geben können."

Was gäbe man heute in der "modernen" Theaterwelt für nur ein Fünkchen dieser Asche!

Der junge Lessing zog Zerstreuungen der Arbeit vor

Das späte Glück war nur von kurzer Dauer

"... der aufgeklärten Humanität im schönsten Sinn ..."

Gotthold Ephraim Lessing: Mit seinen Werken erlangte er Weltgeltung. Foto: Archiv

 

Der 1729 in Kamenz geborene Pfarrerssohn Gotthold Ephraim Lessing wird heute noch zu Recht im öffentlichen Bewußtsein als ein herausragender Gelehrter und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts geschätzt, der als beispielgebender Aufklärer europäische und weltliterarische Bedeutung erlangt hat. Auch in unserer Zeit ist das friedliche Zusammenleben von Menschen und Völkern, von Kulturen und Religionen ohne praktizierte Vernunft und Toleranz sowie aktive Humanität undenkbar. Aus dieser Sicht präsentiert das Kamenzer Lessing-Museum anläßlich des 225. Todestages des Dichters ein gegenwartsorientiertes Programm, das an die Unvergänglichkeit seiner Aufklärungsideen erinnern soll: durch Theatergastspiele, Vorträge, Lesungen und Gesprächsrunden. Im Mittelpunkt steht das letzte Lebensjahrzehnt des Dichters: Sowohl die persönliche Situation in der Zeit von 1770 bis zum Tod am 15. Februar 1781 wie auch das in diesen Jahren entstandene Spätwerk bieten so manche Assoziation zur individuellen und gesellschaftlichen Lebenswelt am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Als Höhepunkte der Veranstaltungsfolge dürften sich wohl die drei Aufführungen von "Nathan der Weise", die Würdigung des Dichters an seinem 225. Todes-tag und die gegenwartsbezogene Adaption des Einakters "Philothas" (1759) erweisen. Der 75. Gründungstag des Lessing-Museums ist weiter Anlaß, die Einzigartigkeit und das jahrzehntelange Wirken dieser städtischen Einrichtung der Öffentlichkeit nahezubringen. Während das erste, 1908 in Berlin gegründete Lessing-Museum 1936 wegen der zeitpolitischen Umstände und finanzieller Schwierigkeiten geschlossen werden mußte, hat die am 1. Juni 1931 in Kamenz eröffnete Institution den Nationalsozialismus relativ unbeschadet überstanden. Nach der Wiedereröffnung am 14. Mai 1947 konnte sie sich schrittweise zu einem Literaturmuseum entwickeln. Seit 1990 war es dann möglich, insbesondere durch die dankenswerte Unterstützung des Bundes und des Freistaates Sachsen, die überregionale Bedeutsamkeit der Einrichtung erheblich zu steigern. Bei einem Autor wie Lessing bildet die Museumspädagogik den Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit: Vorträge, Seminare und die Stadtführung "Auf Lessings Spuren" sind zur Vertiefung des Ausstellungsbesuches von besonderer Bedeutung, vor allem für Gruppen.

Darüber hinaus wird alljährlich der traditionsreiche Schüler-Schreibwettbewerb gestaltet. Die Auszeichnung der Arbeiten eröffnet am 3. März das Jubiläumsprogramm. Danach folgt bis zum 1. Juni, dem Tag der Museumsgründung, ein abwechslungsreiches kulturelles und künstlerisches Angebot. Am Museum wirkt eine von Bund und Land geförderte "Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption", die mit Forschungen, Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen zur wissenschaftlichen und populären Verbreitung des Gedankengutes der Aufklärung im In- und Ausland beiträgt, beispielsweise im Gedenkjahr mit einer Wanderausstellung. df

Zu den Höhepunkten der 45. Kamenzer Lessing-Tage zählt zweifellos die Wiedereröffnung des Lessing-Museums am 15. Februar um 18 Uhr, eine Stunde zuvor findet eine Lesung im Röhrmeisterhaus statt: "Über Lessings Grab". Eine Festveranstaltung im Stadttheater rundet ab 19.30 Uhr den Tag ab. Weitere Veranstaltungen: Präsentation des zweiten Begleitbuches zur Dauerausstellung des Lessing-Museums, 24. Februar, 19.30 Uhr, Röhrmeisterhaus; "Brandaktuell. Lessing in den Fängen des Regietheaters", Vortrag, 25. Februar, 16.30 Uhr, Röhrmeisterhaus; "fi'lo:tas nach ,Philotas' von Gotthold Ephraim Lessing", Theatergastspiel,

25. Februar, 19.30 Uhr, Stadttheater; "Lessing in den USA", Rundtischgespräch, 26. Februar, 10 Uhr, Lessing-Museum. Das Stadttheater zeigt am 17. März, 19.30 Uhr, "Alle deutschen Dramen an einem Abend", ein Klassikerprogramm. Am 28. April wird die Sonderausstellung zur Museumsgeschichte in der Lessing-Gedenkstätte eröffnet (18 Uhr); am selben Tag findet im Röhrmeisterhaus eine Vortragsveranstaltung zur Baugeschichte des Lessinghauses statt (19.30 Uhr). Weitere Informationen sind auch im Internet unter www.lessingmuseum.de zu finden. Das Museum im Lessinghaus, Lessingplatz 1-3 ist nach seiner Wiedereröffnung am 15. Februar dienstags bis freitags von 9 bis 16 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen von 13 bis 16 Uhr geöffnet, montags geschlossen.

Neues aus dem Lessinghaus in Kamenz


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