27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.02.06 / Hier studieren, aber Zuhause arbeiten / Königsberger LO-Stipendiatin gewährte der PAZ Einblick in den Alltag und die Hoffnungen einer neuen Generation

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Februar 2006

Hier studieren, aber Zuhause arbeiten
Königsberger LO-Stipendiatin gewährte der PAZ Einblick in den Alltag und die Hoffnungen einer neuen Generation
von Manuela Rosenthal-Kappi

Die Redaktion der PAZ hatte unlängst das Vergnügen, mit Anna Kozyakova eine interessante Vertreterin der jungen Generation aus dem Königsberger Gebiet zu Gast zu haben. Die 19jährige studiert seit zweieinhalb Jahren Jura an der Kant-Universität in Königsberg. Für ein halbes Jahr ist sie im Rahmen eines vom Ostseerat in Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten initiierten Förderprogramms nach Marburg gekommen, um ihre Fachkenntnisse an der dortigen juristischen Fakultät zu erweitern. Professor Horn betreut engagiert Studenten aus dem Königsberger Gebiet. Da die Landsmannschaft Ostpreußen sich an den Kosten für Anna Kozyakova Aufenthalt in Marburg beteiligt hat, hat sie die junge Studentin nach Hamburg eingeladen, damit sie sich ein Bild von der Arbeit der Landsmannschaft und der Redaktion der PAZ machen kann.

Gerne hörten die Redakteure zu, als Anna Kozyakova begann, von sich, Königsberg und ihrer Zeit in Marburg zu erzählen. Zunächst wirkt sie ein bißchen ernst. Ruhig und freundlich antwortet sie auf Fragen. Sie spricht fließend Deutsch, wenn auch mit russischem Akzent. Man sollte es kaum glauben, daß sie mit 19 Jahren schon im dritten Studienjahr ist. Anna erklärt, daß russische Schüler bereits mit 16 die Schule verlassen und mit entsprechend guten Schulnoten anschließend studieren können. Mit 22 ist ihre Ausbildung in der Regel beendet.

Anna hat in Königsberg als Tochter russischer Umsiedler (ihre Mutter stammt aus dem Großraum St. Petersburg, ihr Vater aus der Ukraine) das Licht der Welt erblickt. Nach der Schule beginnt sie ihr Jurastudium an der heutigen Kant-Universität. Dabei ist es gar nicht so einfach, zum Studium zugelassen zu werden. Die Schulnoten müssen sehr gut sein, eine Aufnahmeprüfung bestanden sein, damit man ein staatliches Stipendium erhält. Wer die Prüfung nicht besteht und dennoch studieren will, muß eine Aufnahmegebühr bezahlen. Wer kein Stipendium erhält, muß zusätzlich Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Studienjahr aufbringen. Neben staatlichen Stipendien gibt es in neuerer Zeit häufiger auch private, beispielsweise von im Gebiet niedergelassenen Firmen.

Seit zweieinhalb Jahren lernt Anna nebenbei Deutsch, in Kursen, die studienbegleitend in mehreren Sprachen angeboten werden. Sie hat sich für Deutsch entschieden, weil sie von Beginn ihres Studiums an ein ehrgeiziges Ziel verfolgt: in der Bundesrepublik Deutschland studieren, um das Erlernte in Königsberg anwenden zu können! Seit 1993 gibt es für einige wenige die Möglichkeit dazu. Annas Kurslehrer an der Uni sind Absolventen mit Auslandserfahrung. Sie haben zum Beispiel in der Bundesrepublik nach ihrem russischen Studienabschluß ein Aufbaustudium mit Magisterprüfung absolviert. Sie sind jung - im Durchschnitt 25 Jahre - und unterrichten das, was den Nachwuchs interessiert: Wie wende ich Gesetze richtig an? Wie kann erreicht werden, daß Gerichte und Richter unabhängige Entscheidungen im Sinne des Gesetzes fällen? Hier sieht die junge Studentin in Rußland noch Nachholbedarf, weil ein Gesetzbuch nach Römischem Recht erst während der Perestrojka entstand, und es den Menschen, die Recht anwenden, an Erfahrung fehlt. Diese hoffen junge Leute im Westen zu erhalten, wo man sich an Fallbeispielen orientieren kann.

Der Unterschied im Studienalltag ist groß. Annas Augen beginnen zu strahlen, als sie von Marburg erzählt. Es gefällt ihr besonders, daß es so viele Studenten dort gibt, für die ein reichhaltiges Freizeitangebot besteht. Überall trifft man auf Kommilitonen, in der Mensa ebenso wie im Studentenwohnheim oder in der Stadt. Das Studium ist freier, in Königsberg geht man ins Institut und anschließend wieder nach Hause. Die einzelnen Institute liegen weit voneinander entfernt, verstreut über die ganze Stadt. In Marburg treffen die Studenten sich nach den Kursen, sie diskutieren, finden sich in Arbeitsgruppen ein, um Aufgaben gemeinsam zu lösen. Die Arbeitsweise gefällt Anna, auch, daß die Studenten praktische Aufgaben bekommen, Fallbeispiele, die sie unter Hinzuziehung von Präzedenzfällen selbständig lösen sollen. Solche Übungen gibt es im russischen Studium nicht.

Im Jahr 2007 läuft das Förderprogramm des Ostseerats aus. Anna weiß, daß es engagierte Hochschullehrer wie Professor Horn auch an anderen Universitäten gibt - ihr fallen Göttingen und Halle ein -, die nach Möglichkeiten suchen, die Förderung weiterzuführen. Anna weiß das Wissen, das sie in Marburg erworben hat, sehr zu schätzen und hofft, daß es auch in Zukunft noch möglich sein wird, einen deutschen Magisterabschluß zu erwerben.

Mit der Umbenennung der Albertina in Kant-Universität zur 750-Jahrfeier hat sich auch der Status der Uni verändert. Sie wurde mit dem Namen des großen Philosophen von einer regionalen Lehranstalt zu einer russischen Universität, das heißt, sie wird künftig mehr Mittel aus dem Budget der Föderation erhalten. Wie weit die Pläne gediehen sind, die Universität zu einer Lehranstalt von internationaler Bedeutung auszubauen, weiß Anna nicht zu sagen, da sie während des Jubiläums schon in Marburg war. Allerdings gibt es seit einigen Jahren die sogenannte "Sommer-Uni". Das bedeutet, daß deutsche Professoren in den Semesterferien nach Königsberg kommen und Seminare und Vorlesungen in deutscher Sprache halten. Auch Anna hat solche Sommerkurse besucht. Am Ende legen die Studenten eine Prüfung ab und erhalten eine Urkunde.

Das Ansehen der Deutschen unter jungen Russen scheint hoch zu sein. Sie beschäftigen sich mit der deutschen Geschichte der Region, in der sie leben. Schon in der Schule erfahren sie etwas über deutsche Kultur. Kunst und ostpreußische Bräuche interessieren sie. Daß es Diskussionen um die Umbenennung der Universität gegeben hat, weiß Anna. Sie kann keine Beurteilung abgeben, aber sie hält eine Zusammenarbeit ihrer Region mit der Bundesrepublik Deutschland für äußerst wichtig angesichts der Eingeschlossenheit der Exklave durch die angrenzenden EU-Staaten. Wie alle jungen Menschen wünscht sie sich Reisefreiheit. Die derzeitigen Visaregelungen wirken bedrückend.

Bezüglich der Berufsaussichten junger Akademiker in der Russischen Föderation, speziell im Königsberger Gebiet, macht Anna sich keine großen Sorgen. Bedarf ist auf jeden Fall da, an der Uni, in Behörden, Instituten, aber auch viele private Unternehmer stellen Juristen ein. Ein Problem stellt jedoch immer noch die schlechte Bezahlung von Akademikern dar. Ein Umdenkungsprozeß setzt erst langsam ein. Für sich hofft die junge Anna, in der Bundesrepublik auf Magister studieren und anschließend in Königsberg arbeiten zu können. Sie vermittelt den Eindruck aufrichtiger Dankbarkeit gegenüber allen, die ihr dieses Auslandssemester ermöglicht haben. Die Redaktion der PAZ wünscht Anna Kozyakova für die Zukunft alles Gute.

Die junge Russin blickt optimistisch in die Zukunft

Anna Kozyakova im Gespräch mit der PAZ-Autorin Manuela Rosenthal-Kappi


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren