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11.02.06 / Antipreußischer Affekt / Ausstellung über August Reichensperger in Kölns Stadtmuseum

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Februar 2006

Antipreußischer Affekt
Ausstellung über August Reichensperger in Kölns Stadtmuseum
von Manfred Müller

Der antipreußische Affekt ist im ehemals preußischen Rheinland nicht, wie man annehmen sollte, längst ausgestorben. Zwar feiert er nicht fröhliche Urständ, aber in eher subtiler Weise ist er immer wieder zu finden. So etwa in einer historischen Ausstellung, die erst im Mittelrhein-Museum Koblenz gezeigt wurde und nun noch bis nächsten Sonnabend, dem 19. Februar, im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen ist. Sie ist dem Politiker und Kunstförderer August Reichensperger gewidmet, dem neben Ludwig Windthorst wohl bedeutendsten Widersacher Otto von Bismarcks aus den Reihen der Zentrumsfraktion im Deutschen Reichstag.

Die Ausstellung trägt den Untertitel: "Koblenz - Köln - Europa". Damit liegt sie ganz auf der Linie jener Rheinländer, die nach 1945 unter Weglassung des deutschen Vaterlandes von der rheinischen Heimat gleich ins europäische Ersatzvaterland gelangen wollten. Man hätte der Ausstellung ohne weiteres den Untertitel "Rheinland - Reich - Europa" geben können. Bei "Europa" wäre anzumerken, daß der Kunstfreund Reichensperger vorwiegend auf den Spuren des gotischen Stils reiste, den er als "christlich-germanisch" auffaßte. Dabei blieben die Länder, die letztes Jahr zur Europäischen Union hinzukamen, weitgehend ausgespart. Das hinderte den Schirmherrn der Reichensperger-Ausstellung, den rheinland-pfälzischen Justizminister Herbert Mertin, jedoch nicht, den durch die Ausstellung Geehrten als einen "Weltbürger" zu sehen und im Grußwort zu behaupten: "August Reichensperger wäre begeistert gewesen, als am 1. Mai 2005 die Europäische Union über Nacht um 75 Millionen Menschen auf nunmehr 450 Millionen Einwohner gewachsen ist. So groß und so weitgehend vereint war Europa noch nie." Betrachtet man Reichenspergers Reisen mit nüchternem Blick, so beschränkten sie sich weitgehend auf das alte EWG-Kerneuropa - bedingt durch seine Vorliebe für die gotische Kunst und das damalige Aufblühen einer neugotischen Baukunst.

Gewiß gab es ein antipreußisches Element in Reichenspergers Leben. Als jedoch 1840 Friedrich Wilhelm IV. in Preußen den Thron bestieg und nach den Zuspitzungen des Mischehenstreits einen versöhnlichen Kurs gegenüber seinen katholischen Untertanen einschlug, war auch der im preußischen Justizdienst stehende Reichensperger um Versöhnung bemüht. Der 1808 in Koblenz geborene Sohn eines antipreußischen Kollaborateurs, der im von Napoleon besetzten Rheinland Karriere gemacht hatte, anerkannte die finanziellen Leistungen des preußischen Staates für die Vollendung des Kölner Doms. In einer zündenden Broschüre schrieb Reichensperger, der Kölner Dom solle durch die Spenden möglichst vieler deutscher Menschen zu einem "Nationaldenkmal im vollsten Sinn des Wortes" werden. Die Vollendung des Doms werde das Vaterlandsgefühl würdiger zum Ausdruck bringen als "patriotische Rheinweinlieder, Bankett-Toaste, deutsche Grobheiten und Purismen".

Als Abgeordneter der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche konnte er sich die Einheit Deutschlands nur unter Einschluß Österreichs vorstellen. Durch eine Abtrennung Österreichs werde ein "Riß durch das Herz unseres Vaterlandes entstehen". So betrachtete er 1866 den deutschen Bruderkrieg zwischen Österreich und Preußen mit großem Entsetzen. Für ihn war die Verdrängung Österreichs aus dem deutschen Staatsverband ein furchtbares Unglück: "Es kostet sehr viel Mühe, sich in solche Ratschlüsse Gottes zu fügen."

Im neuen deutschen Kaiserreich gehörte Reichensperger von 1871 bis 1884 dem Reichstag an. Reichskanzler Bismarck machte ihm das Kompliment, er halte ihn und seinen ebenfalls für das Zentrum im Reichstag sitzenden Bruder Peter für "loyale Deutsche". Als 81jähriger tadelte August Reichensperger die Haltung bestimmter Politiker seiner Partei, die sich noch immer mit Haß gegen Bismarck wandten. Zwar verzieh auch er Bismarck nicht, daß dieser acht Millionen Deutsche in Österreich "dem Ansturm des Slawentums" preisgegeben habe, aber nun schien ihm doch die Stunde der Aussöhnung gekommen zu sein.

Von dieser Überwindung eines plumpen antipreußischen Affekts ist in den Wandtexten der Ausstellung nichts zu finden, auch der Katalog meidet diese nötigen Differenzierungen, obwohl er mit seinen Aufsätzen wissenschaftlichen Anspruch erhebt. Was Reichenspergers klares und warmherziges nationales Bekenntnis anbelangt, so beläßt man es bei versteckten und nebulösen Andeutungen - typisch für große Teile der heutigen bundesdeutschen Akademikerschaft.

August Reichensperger Foto: Archiv


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