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25.02.06 / Spannende Runde / Sehenswertes in "Der kleinen Nationalgalerie" in Dortmund

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Februar 2006

Spannende Runde
Sehenswertes in "Der kleinen Nationalgalerie" in Dortmund

Die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel Berlin beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen zur Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1876 ist sie ein faszinierendes Monument deutscher Geschichte, der politischen ebenso wie der Kunst- und Geistesgeschichte. Selten gezeigte Werke, Gemälde und Skulpturen, Vertreter der Romantik, des Historismus und der Gründerzeit werden jetzt in der Dépendance der Alten Nationalgalerie Berlin im Mu-seum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund in dieser Zusammenstellung zum ersten Mal dem Publikum präsentiert. Sie erlauben einen repräsentativen und spannenden Überblick über die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts.

In Deutschland öffneten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die fürstlichen Sammlungen für das Bürgertum. Auch das Bürgertum selbst begann in den großen deutschen Städten eigene Sammlungen anzulegen, der Kunst wie der Geschichte gewidmet. Im Ruhrgebiet waren es zuerst die Bürger der im Mittelalter so bedeutenden freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, die 1866, angestoßen durch die Entdeckung eines Schatzes Dortmunder Münzen aus dem 15. Jahrhundert, ihre Stadtväter von der Notwendigkeit und der Sinnhaftigkeit überzeugen konnten, "die Alterthümer unserer Stadt zu sammeln, wie sich das für eine große, alte Stadt wohl ziemte" (aus einem Schreiben des Oberbürgermeisters an den Magistrat der Stadt Dortmund vom 24. Februar 1866).

Es dauerte allerdings weitere 17 Jahre, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, daß die Denkmäler der alten Zeit mit großer Geschwindigkeit dem raschen Wachstum der Stadt und der Industrie zum Opfer fielen und es deshalb hohe Zeit wurde, das Sammeln zu institutionalisieren. Es war der Historiker und Gymnasiallehrer Dr. Eduard Roese, der 1882 die Anregung zur Errichtung eines städtischen Museums gab, der die Stadtverordnetenversammlung schließlich am 25. Juni 1883 zustimmte. In diesem Gründungsbeschluß hieß es, daß eine "Sammelstelle" angelegt werden sollte, "in welcher die in der Stadt noch vorfindlichen Gegenstände von historischem, künstlerischem oder kunsthistorischem Interesse vereinigt dem Publikum zur wissenschaftlichen Benutzung zu-gänglich gemacht werden sollten". Für die Entwicklung dieser "Sammelstelle" zu einem ausgewachsenen Museum war für Dortmund ein Glücksumstand entscheidend: Die Ernennung des Zeichenlehrers Albert Baum zunächst (ab 1892) zum nebenamtlichen, dann (ab 1904) zum hauptamtlichen Museumsleiter. Ihm gelang in knapp 20 Jahren der Aufbau von kunstgewerblichen, heimat- und volkskundlichen sowie archäologischen Sammlungen, die 1911 ganze 70 Säle füllten. So groß war nämlich das Gebäude am Ostwall, das kurz vor 1875 in den strengen Formen der späten Schinkel-Schule als Oberbergamt erbaut worden war und das 1911 nach einem geschickten Umbau durch den Stadtbaurat Friedrich Kullrich auf vier Stockwerken dem "Städtischen Kunst- und Gewerbemuseum zu Dortmund" eine neue Heimstatt bot.

Die zweite Entwicklungsperiode des Dortmunder Museums sollte bis 1945 reichen; an ihrem Ende stand die Zerstörung des Gebäudes am Ostwall in einer Bombennacht des Zweiten Weltkriegs. Sie war geprägt von der wissenschaftlichen Erforschung und Neuausrichtung der Sammlung mit dem Schwerpunkt auf bildender Kunst im allgemeinen und mittelalterlicher Kunst in Westfalen im besonderen. Diese Periode ist aufs engste verbunden mit dem Wirken des Dortmunder Kunsthistorikers Dr. Rolf Fritz, der nach dem Tode von Albert Baum 1934 zunächst kommissarischer, ab 1936 hauptamtlicher Leiter des Museums wurde.

Nach einer vollständigen Neuordnung der Sammlungen, bei der das Wertvolle sichtbar gemacht und auf Überholtes verzichtet wurde, erhielt das Museum konsequenterweise den Namen "Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund". In diese Zeit fiel auch der Aufbau der Sammlung von Gemälden der Romantik, vor allem durch den Ankauf eines bedeutenden Gemäldes von Caspar David Friedrich durch die damalige Museumsassistentin

Leonie Reygers. Ihr ist schließlich auch die Überführung der Sammlungen in den letzten Kriegsjahren in vorbereitete Depots in westfälischen Schlössern und an anderen Orten zu verdanken, so daß zumindest die Sammlungen von den Zerstörungen des Krieges weitestgehend verschont blieben.

Die dritte, die "Cappenberger" Periode des Museums begann im Sommer 1946, in einer Zeit, als die Situation zunächst hoffnungslos erschien. "Das Museumsgebäude in Dortmund war zerstört, die alten Mitarbeiter zerstreut, die Sammlungen in weit entfernte Depots aufgeteilt, schlecht be-wacht und dauernd gefährdet und beschädigt, dazu die wichtigeren materiellen Hilfsmittel so wenig vorhanden wie die finanziellen" (Rolf Fritz, 1964).

Besonders glücklich ist der Umstand zu nennen, daß es in jener Zeit gelang, Räume im Schloß Cappenberg in der Nähe von Lünen und damit knapp 20 Kilometer von Dortmund entfernt zu mieten und die Sammlungen dort im Sommer 1946 in guten Depoträumen unterzubringen. In den folgenden Jahrzehnten profitierte das Museum sicherlich auch vom einzigartigen Ambiente des Schlosses Cappenberg, bei dem sich historische Überlieferung und pietätvolle Pflege alter Tradition und alter Kunst mit einer reizvollen landschaftlichen Umgebung mischten.

Trotz der unbestreitbaren Attraktivität des Standortes galt die Unterbringung des Dortmunder Museums auf Schloß Cappenberg lange Jahre als Provisorium; immer wieder wurden Neubau- oder Umzugspläne diskutiert. Hätte es in der Stadt Dortmund nicht mit dem Gebäude der alten Sparkasse einen denkmalwürdigen Bau im Stil des Art Deco gegeben - den einzigen, der die Kriegszerstörung überstanden hatte -, der 1968 nach einem Neubau der Stadtsparkasse leer stand, bereits zum Abbruch freigegeben war und dennoch die Phantasie einiger Stadtväter anregte, existierte vielleicht noch heute das, was Horst Appuhn 1978 "eines der glücklichsten Provisorien, die ich kenne" nannte: Ein Museum an historischem Ort, in einem Barockschloß, neben einer romanischen Stiftskirche, inmitten eines Parks.

Im November 1983, pünktlich zum 100jährigen Bestehen des Museums, konnte das "neue" Museum für Kunst und Kulturgeschichte in der Dortmunder Innenstadt schließlich eröffnet werden. Neben der Arbeit an der Sammlung und der Dauerausstellung hat das Museumsteam seither mehr als 100 Wechselausstellungen organisiert und präsentiert, Tausende von Schulklassen und Erwachsenengruppen be-treut, über 1000 abendliche kulturelle Veranstaltungen aller Art stattfinden lassen und dabei weit über eine Million Besuche gezählt.

Auf zunächst drei Jahre begrenzt zeigt die Ausstellung Gemälde von Künstlern wie Carl Steffeck, der an der Berliner Kunsthochschule einen Lehrstuhl hatte und 1880 zum Direktor der Königsberger Kunstakademie als Nachfolger Rosenfelders berufen wurde. Neben der Historienmalerei machte sich der Berliner vor allem in der Tierdarstellung einen Namen. Carl Steffeck starb 1890 in Königsberg. Auch Lovis Corinth ist in Dortmund vertreten. Sein Gemälde mit dem Titel "Morgens" entstand im Jahr 1900 in Berlin und zeigt eine nackte junge Frau, die sich genüßlich streckt und dabei herzhaft gähnt. Das rosafarbene Bettzeug kontrastiert lebhaft mit dem keck über die Bettlehne gehängten dunklen Hut. Der Danziger Michael Carl Gregorovius hat 1818 den Blick auf das mittelalterliche Danziger Rathaus festgehalten, während Oswald Achenbach 1876 den Marktplatz von Amalfi bevorzugte. Carl Blechen zog es ebenfalls ins sonnige Italien. Er malte 1829 den Golf von Spezia. Paul Meyerheim fühlte sich 1861 vom lebhaften Zirkustreiben angezogen und hielt einen mächtigen Elefanten in einer Vorstellung mit Pinsel und Farbe auf der Leinwand fest. Weitere große Namen sprechen für die Qualität der Sammlung: Adolph Menzel, Anton von Werner, Otto Modersohn, Max Slevogt, Arnold Böcklin. Sie zeigen auch die enorme Vielfalt und die unterschiedlichen Blickwinkel, mit denen die Künstler zu Werke gingen. Kleine Formate sind ebenso zu sehen wie Kolossalgemälde.

Auch die Plastik ist hinreichend vertreten: Reinhold Begas mit einer Büste Wilhelms I. aus der Zeit um 1887 - 1890 oder Louis Tuaillons "Herkules mit dem Eber" (1899 / 1900). Schadows berühmte Prinzessinnengruppe darf ebenso wenig fehlen wie Rauchs Büste der Prinzessin Charlotte. Wie bei den Gemälden ist auch hier die Thematik breit gefächert. "Erzählerische Statuetten, dekorative Reliefs, dramatische und idyllische Tierplastiken, ein flüchtig angelegtes Entwurfsmodell für einen Brunnen werden durch Bildnisse ergänzt", erläutert Bernhard Maaz, Leiter der Alten Nationalgalerie und zusammen mit Brigitte Buberl vom Dortmunder Museum für diese Ausstellung verantwortlich, die Vielfalt des Gezeigten. "Die etwa 80 Gemälde und 20 Skulpturen", so Maaz, "bieten einen kunst- und kulturgeschichtlich vielseitigen Rundgang durch ein ganzes Jahrhundert. Die Auswahl zielt darauf, die mannigfaltigen Künstlerpersönlichkeiten in Erscheinung treten zu lassen, die wichtigsten Gebiete der Malerei und Skulptur zu zeigen, die unterschiedlichen Funktionen der Kunst zwischen privater und offzieller Aufgabenstellung zu erläutern und neben manchem Bekannten auch reizvolle Neuentdeckungen zu präsentieren." mkk / os

Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastraße 3, 44137 Dortmund, Telefon (02 31) 50-2 60 28, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr geöffnet.

Carl Steffeck: Königin Luise mit ihren Söhnen Wilhelm und Friedrich Wilhelm (von links; Öl, 1886) Foto: Die Kleine Nationalgalerie


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