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04.03.06 / Stimmung und Lage nach den ersten hundert Tagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. März 2006

Hans-Jürgen Mahlitz:
Stimmung und Lage nach den ersten hundert Tagen

Viele Jahre lang galt in Deutschland das Motto "Die Stimmung ist schlechter als die Lage". Das "Volk in Moll", wie "Spiegel"-Autor Erich Wiedemann sein lesenswertes Buch über die deutschen Ängste betitelte, gefiel sich im "Jammern auf hohem Niveau".

Irgendwann dann hatte die Lage die Stimmung eingeholt, was erheblich zum Ende des rot-grünen Pseudo-Reformprojekts beitrug. Schröder und Fischer mußten abdanken, die Großkoalitionäre um Angela Merkel sollten es nun richten, sollten Stimmung und Lage aus dem Tief holen.

Was allerdings nur teilweise gelang: Nach den ersten hundert Tagen Merkelscher Kanzlerinnenschaft erleben wir das Gegenteil des früheren Zustands - die Stimmung ist toll und wird immer besser, die Lage aber bleibt schlecht. Punktgenau zum symbolträchtigen 100. Regierungstag kam aus Nürnberg die triste Kunde: nach wie vor über fünf Millionen Arbeitslose.

Sicher, da spielt auch der außergewöhnlich strenge Winter (flugs zum Anzeichen bevorstehender Erderwärmung umgedeutet) eine Rolle. Doch sollten die in Berlin Regierenden mit diesem Argument sehr zurückhaltend umgehen, denn zu früheren Zeiten, von den Oppositionsbänken aus, hatten sie derartige Erklärungen auch nicht gelten lassen.

In der Tat, das Wetter ist nicht an allem schuld. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit signalisiert, daß die Maßnahmen der neuen Bundesregierung bislang noch nicht da angekommen sind, wo es die Menschen in diesem Lande am dringendsten brauchen - am Arbeitsmarkt. Anders formuliert: Stimmung schafft keine Arbeitsplätze. Was nützt es, wenn die Menschen nun wieder mit besserer Laune auf Schnäppchenjagd gehen? Solange sie nicht bereit sind, für gute, im eigenen Land hergestellte Waren einen der Qualität angemessenen Preis zu zahlen, sondern sich lieber lustvoll auf fernöstliches Billig-Gelump stürzen, kann Deutschlands Wirtschaft nicht auf die Beine kommen. Wer will das noch verstehen: Wir sind Export-Weltmeister, weil alle Welt "Made in Germany" schätzt, im eigenen Land aber halten wir es lieber mit "Made in China"!

Freilich bewegen wir uns hier in einer Art Teufelskreis. Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, Ein-Euro-Jobber oder Beschäftigte, die durch osteuropäische Konkurrenz zu Billigstlöhnen genötigt werden, - alles in allem dürfte es sich hier um eine deutlich zweistellige Millionenzahl handeln - können sich nun einmal nur das Allerbilligste leisten. Und das sind in aller Regel Produkte, mit deren Kauf man vorrangig Arbeitsplätze in Ostasien oder sonstwo in der Ferne sichert, aber kaum bei uns in Deutschland.

In Wahrheit handelt es sich hier nicht um einen Kreis, sondern um eine Spirale. Der Kanzlerin, die ansonsten eine eindrucksvolle Anfangsbilanz aufzuweisen hat, ist es noch nicht gelungen, die Weichen so umzustellen, daß diese Spirale sich wieder nach oben dreht und nicht weiter nach unten. Diese ersten hundert Tage waren dafür wohl auch noch zu kurz, das muß man ihr schon zubilligen. Nun aber wird es Zeit. Sonst werden Angela Merkels glänzende Werte auf der Sympathie-Skala schnell eingeholt und überholt von den traurigen Zahlen des Arbeitsmarktes.


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