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04.03.06 / Mit emotionaler Wucht / Der Zweiteiler "Dresden" in der Kritik von Zeitzeugen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. März 2006

Mit emotionaler Wucht
Der Zweiteiler "Dresden" in der Kritik von Zeitzeugen
von Rebecca Bellano

Kann man einer jüngeren Generation den Krieg zeigen, wie er 1945 physisch und psychisch erlebt wurde?" Diese Frage stellte sich Nico Hofmann, Produzent der Film-Firma "teamworx", laut eigenen Aussagen, bevor er das derzeit vom ZDF stark beworbene Filmprojekt "Dresden" in Angriff nahm. Da es "teamworx" schon mit seinen bereits gesendeten Filmen "Die Luftbrücke" und "Die Sturmflut" gelungen ist, ein Millionen-Publikum aller Altersklassen an die Bildschirme zu ziehen, ist davon auszugehen, daß dies der Produktionsfirma auch dieses Mal (ZDF, 5. und 6. März, jeweils 20.15 Uhr) gelingen wird.

Wie auch schon seine beiden Vorgänger ist "Dresden" auf den ersten Blick eine Dreiecksgeschichte. Frau zwischen zwei Männern heißt auch hier das Motto, doch das soll keineswegs bedeuten, daß es sich hier um eine Liebesschnulze vor historischer Kulisse handelte. Dem Vorurteil jedenfalls widersprechen die Aussagen von Zeitzeugen, die als Statisten bei dem Film mitgewirkt haben. Heide Blum, die eine Helferin der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt spielt, hat als Kind das brennende Dresden gesehen. Die 1936 Geborene arbeitete selbst als Dokumentarfilmerin und hat dadurch einen sehr kritischen Blick auf die Verfilmung dieses Stoffes. "Es gibt sehr berührende Szenen", stellt die nüchterne Dresdnerin fest, auch wenn nicht alles der Wahrheit entspreche. So könne sie sich daran erinnern, daß die Lage in den Krankenhäusern Anfang 1945 durchaus nicht so katastrophal gewesen sei, wie sie im Film dargestellt werde.

Die 1935 geborene Gudrun Fischer, die eine Verwundete mimt, zeigte sich erfreut, wie detailgetreu die Macher die Geschichte erzählten. In der Probevorstellung von "Dresden" entdeckte sie zahlreiche Kleinigkeiten, die sie aus eigener Erinnerung kannte, inzwischen aber vergessen hatte. So sah sie selbst, als sie am 13. Februar 1945 zu ihrer Großmutter in die Johann-Georgen-Allee fuhr, zahlreiche kostümierte Kinder in den Straßen. Auch kann sie sich daran erinnern, wie überall nach dem Bombenangriff an den Wänden der Ruinen Nachrichten der Ausgebombten für andere Familienmitglieder hinterlassen worden waren.

Da die Filmemacher sich aber nicht nur auf Zeitzeugen verlassen wollten, wurden auch einige Historiker zu Rate gezogen. Unter ihnen Professor Dr. Rolf-Dieter Müller, Leiter der Historikerkommission, die im Auftrag des Dresdner Oberbürgermeisters den Luftangriff historisch aufarbeitet und die Zahl seiner Opfer untersucht. Wer sich mit den Opferzahlen in Dresden auseinandergesetzt hat, mag jetzt möglicherweise Bedenken äußern, da Professor Dr. Rolf-Dieter Müller die Auffassung vertritt, daß es nur um die 35000 Opfer gegeben haben könne. Doch um Opferzahlen geht es in dem Film nur ganz am Rande. Vielmehr geht es um die Hölle, die sich auftat. Diese schildert der Spielfilm, so meint der Historiker, überraschend differenziert, auch wenn eben nicht alles hundertprozentig der Realität entspreche. So moniert er es zum Beispiel als ziemlich unsinnig, daß ein englischer Pilot, der kurz zuvor Magdeburg bombardiert hat, plötzlich in Dresden landet, statt direkt nach Hause zurückzufliegen. Doch hier hatte die Dramaturgie Vorrang. Ähnlich unrealistisch erscheint dem Historiker die sofortige Erschießung einer Frau. Für den Januar 1945 sei eine Verhaftung viel wahrscheinlicher.

"Natürlich kann man fragen, muß es denn unbedingt eine Liebesgeschichte sein, doch diese kritische Distanz ist häufig auch ein Ventil. Wer den Film unbefangen auf sich wirken läßt, der spürt die emotionale Wucht", so Müller.

Dafür, daß die Filmemacher nicht unüberlegt an das Thema gegangen sind, spricht auch die durchaus nachdenklich stimmende Aussage des Drehbuchautoren Stefan Kolditz, der mehrfach aufgrund zahlreicher Hinweise der Historiker und Zeitzeugen sein Drehbuch umgeschrieben hat: "Dresden ist eine der letzten großen Kriegska-tastrophen, die nicht nach den Gesetzen der medialen Verwertung inszeniert wurden. Dresden ist nicht nur das Ende eines Krieges, es ist der Anfang eines anderen. Heute säßen CNN-Reporter auf den Dächern um den Altmarkt mit Liveschaltungen in die ganze Welt. Brennende Kinder, erstickte Frauen - der Angriff würde so nicht mehr stattfinden in den Zeiten der Kollateralschäden. Die Lügen schon. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit und das letzte." Deswegen stellt der Film durchaus die Frage nach Verantwortung, Schuld und Sühne - nicht nur auf deutscher, auch auf alliierter Seite.

Der Angriff auf Dresden hat begonnen: Verzweifelt rennen die Menschen in die Luftschutzkeller. Foto Filmszene: ZDF / Conny Klein


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