18.04.2024

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04.03.06 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. März 2006

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

beginnen möchte ich heute mit einem Brief, der keinen Wunsch enthält, der es aber wert ist, daß ihn alle lesen. Denn er spricht eine Anerkennung aus, die sich unsere ganze Ostpreußische Familie verdient hat. Er kommt aus Chile, geschrieben von einem Deutschen, der dort im Süden des Landes eine Konditorei betreibt. Kein Ostpreuße, kein Vertriebener, aber Hugo Roggendorf Vennedey hält seit einem Jahr unsere Zeitung und ist von ihr sehr angetan. Und dann entdeckte er plötzlich unsere Kolumne. Er hatte bis dahin über sie hinweg gelesen, weil er glaubte, ich spräche nur die "lewe Landslied" an, sie sei also intern für die Ostpreußen und im Dialekt geschrieben. "Bald stellte ich aber fest, daß er auch hochdramatische Einzelschicksale beinhaltet, sicherlich mit großer Kenntnis, gestützt auf ein sorgfältig geführtes Archiv. Ich bin gebürtiger Rheinländer aus Mönchengladbach, aber in Bayern habe ich wunderbare Kindheits- und Jugendjahre verbracht, an die ich mich gerne erinnere. Richtig kennengelernt habe ich die Ostpreußen erst, seitdem ich die PAZ beziehe, und zolle Ihnen, liebe Frau Geede, und allen Ihren Landsleuten meine höchste Hochachtung. Die Opfer, die sie so ungerechterweise erleiden mußten, die vielen Verleumdungen und gemeinen Demütigungen finden wohl kaum ihresgleichen in der Geschichte. Außerdem ist es gar nicht genug anzuerkennen, wie die Vertriebenen, die so willkürlich auseinandergerissen wurden, jetzt bis ins hohe Alter und über Generationen hinweg zusammenhalten. Der Grund meines Schreibens ist, liebe Frau Geede, Ihnen dies mitzuteilen." Und für mich Grund genug, es hier weiterzugeben an alle, an die es gerichtet ist. Mit einem herzlichen Dank und Gruß an den Absender im fernen Chile.

Mich macht aber nachdenklich, daß manche Neuleser glauben könnten - wie ja dieses Beispiel beweist -, daß es sich bei unserer Familie um eine in ostpreußischer Mundart geführte Leserbriefspalte handelt, also um ein "Plachanderstundchen" ohne Tiefgang. Als ich einmal die "Ostpreußische Familie" übernahm, wollte ich fort von der Anrede "Liebe Leserinnen und Leser". Ich muß zugeben, daß es damals eine schmale, nur alle vier Wochen erscheinende Spalte war, die kleine Wünsche erfüllen wollte, aber auch zu einem Bindeglied zwischen unseren oft sehr einsam lebenden Landsleuten werden sollte. Während ich nach einer geeigneten Anrede suchte, las ich in einer stillen Stunde wieder einmal Agnes Miegels wunderbares Gedicht "Über der Weichsel drüben", in dem ein Ordensritter, ein weißmäntliger Graukopf, die niederdeutschen Siedler aus seiner Heimat mit dem Schrei "Landslüd, Landslüd" begrüßte. Ich dachte: Ist es nicht heute so ähnlich? Wenn Landsleute sich plötzlich wiedersehen, die vertraute Sprache hören, die Stimme der Heimat vernehmen? Wie haben wir diese Freude oft auf unseren Treffen gespürt, auch bei unvermuteten Begegnungen - warum sollte sie nicht auch beim Lesen unserer Kolumne lebendig werden? So wählte ich die Anrede "Lewe Landslied" in unserer niederpreußischen Mundart, und sie fand Gefallen. Aber dann erweiterte sich unser Aufgabengebiet immer mehr, der Leserkreis wurde größer, die Fragen und Wünsche sprengten den vorgegebenen Rahmen aufgrund der wachsenden Erfolge, und so setzte ich "und Familienfreunde" hinzu. Es kamen schon öfters Zweifel vor allem bei Neulesern auf, ob wir unsere Spalte nicht umbenennen sollten, zumindestens in "Preußische Familie" - aber wir haben uns bislang dagegen gewehrt. Die "Ostpreußische Familie" ist unter diesem Namen aufgrund der wohl einmalig zu nennenden aktiven Mitarbeit unserer Leserinnen und Leser zu einer Art Institution geworden, weltweit bekannt und anerkannt, eine Art Markenzeichen für intensive und erfolgreiche Sucharbeit, und ich glaube, so sollte es auch bleiben.

Das breite, bunte Spektrum der Wünsche und Fragen bestimmt auch unsere heutige Ausgabe. Zuerst eine Vermißtensuche, denn die brennen mir aus Zeitgründen immer sehr unter den Nägeln. Es geht um eine Königsbergerin, deren Schicksal für die überlebenden Schwestern bis heute ungeklärt ist. Die Familie Klatt wohnte in der Knochenstraße 58, nach der Ausbombung Rudauer Weg 14. Als die Russen kamen, war Tochter Hildegard mit ihrer Dienststelle in Pillau-Neutief, Mutter Lina Klatt hauste mit ihren Töchtern Gertrud und Charlotte in Königsberg-Charlottenburg in den Trümmern. Am 27. August 1948 verhungerte die Mutter und wurde in einem Splittergraben zur letzten Ruhe gebettet. Kurz darauf kam Tochter Gertrud in die "Barmherzigkeit". Als sie nach einem halben Jahr entlassen wurde, suchte sie ihre Schwester Charlotte, die schon sehr schwächlich gewesen war, aber nirgends fand sich eine Spur. Gertrud kam 1948 mit einem Transport in die damalige DDR, Hildegard wohnte seit 1946 in Hannover. Heute leben beide Schwestern zusammen in Altenburg, aber das ungeklärte Schicksal ihrer Schwester Charlotte läßt ihnen keine Ruhe. Sie haben alle begehbaren Suchwege beschritten, aber es gab auch nicht den kleinsten Hinweis. Nun hoffen die Schwestern Klatt auf unsere Familie. Vielleicht können sich Königsberger noch an Charlotte Klatt, * 25. Februar 1924, erinnern, waren mit ihr vielleicht in einem Krankenhaus oder anderswo zusammen, wissen etwas über ihr Ende? Die Schwestern wären sehr glücklich über jede Zuschrift (Gertrud und Hildegard Klatt, Stiftsgraben 20 in 04600 Altenburg, Telefon 0 34 47 / 50 90 14 und 0 34 47 / 89 22 49).

Leichter wird die Spur zu verfolgen sein, die zu Christel Baltrusch führen soll - allerdings wird sie erschwert durch das Fehlen von Ortsangaben und Daten. Der Name weist jedenfalls einwandfrei nach Ostpreußen, auch die Tatsache, daß Christel mit ihrer Mutter und Schwester Waltraut als Flüchtlinge im holsteinischen Poggensee, Kreis Herzogtum Lauenburg gelandet waren. Die damals etwa 21jährige arbeitete von 1949 bis 1952 auf dem Bauernhof von Bernhard und Brigitte Winterberg in Mannhagen. Deren 1947 geborene Tochter Brigitta hat das Flüchtlingsmädchen sehr geliebt, so daß sie sich noch heute an Christel Baltrusch erinnert und hofft, sie durch uns zu finden. Die Familie Baltrusch zog in den 50er Jahren ins Rheinland. Es ist anzunehmen, daß Christel durch Heirat einen anderen Namen trägt. Und wenn nicht sie, dann liest vielleicht ihre Schwester Waltraut diesen Suchwunsch oder jemand aus unserm Leserkreis gibt einen brauchbaren Hinweis (Brigitta Lehmitz, Am Rensemoor 9 in 23909 Ratzeburg, Telefon 0 45 41 / 87 80 35).

Es ist schon so: Je älter man wird, desto lebendiger wird die Kindheit, und die bedeutet für uns "Ostpreußen". So geht es auch unserm Landsmann Friedrich Kurreck, der trotz seiner 91 Jahre immer wieder "nach Hause" fährt, und das Heimatgefühl steigt schon auf, wenn er die ersten Störche sieht, die sich um die von Menschen willkürlich gezogenen Grenzen nicht kümmern. Bei den Mitreisenden findet er da manchmal wenig Verständnis - aber bei uns, lieber Herr Kurreck, und wir helfen Ihnen auch gerne bei der Suche nach ehemaligen Mitschülern, die hoffentlich so rege sind wie Sie. Herr Kurreck weiß sogar noch ihre Namen - bitte schön, nach 75 Jahren, denn sie wurden Ostern 1931 aus der Mittelschule Saalfeld entlassen. Es sind dies aus Saalfeld: Hedwig Blumstein, Margarete Kübler, Lotte Grade, Ursula Munter, Hanna Kötzing, Ursula Neumann und Gerda Stobbe. Dann Ewald Dziomba aus Kuppen / Abbau, Kurt Hermann aus Kunzendorf, Helmut Kerbein aus Weinsdorf, Erwin Krause aus Miswalde, sowie Horst Neudecker und eine Mitschülerin Weidemann oder Weidner. Ein in der Nähe wohnender Mitschüler von Herrn Kurreck ist kürzlich verstorben, das veranlaßte ihn zu dieser Suche. Nicht nur er, sondern auch seine Mitschülerin Anna Hiersemann aus München würde sich über Meldungen von Ehemaligen oder deren Angehörigen freuen (Friedrich Kurreck, Liebigstraße 25 in 63069 Offenbach).

Und nun noch eine persönliche Bitte: Lewe Landslied, Ihr habt mich mit einer von mir nie erwarteten Fülle von Glückwünschen zu meinem 90. Geburtstag so überrascht, daß ich immer noch etwas hilflos vor dem Korb sitze - es ist tatsächlich ein voller geworden, wie mir prophezeit wurde! - und nicht weiß, wie und wann ich all die lieben Grüße und Wünsche beantworten soll. Es ist wirklich, als hätte ganz Ostpreußen gratuliert, die Stimme der Heimat hat einen liebevollen Ausdruck in Gedichten und Gleichnissen gefunden, ihr Gesicht sieht mich so vertraut aus Zeichnungen und Abbildungen an, daß ich nicht anders kann, als daraus eine "Extra-Familie" zu gestalten, um alle Leserinnen und Leser daran teilnehmen zu lassen. Da aber immer noch Zuschriften kommen, muß ich noch ein wenig warten. Außerdem sind in manchen Glückwünschen auch eigene Wünsche enthalten - mit der Bitte um Veröffentlichung -, da muß ich also sehr genau sondieren! So kann ich vorerst nur meinen ersten Dank durch einen zweiten ergänzen!

Eure Ruth Geede


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