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04.03.06 / Hörerlebnis / Ein Lorbaß in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. März 2006

Hörerlebnis
Ein Lorbaß in Berlin

Tellerwäscher bei Woolworth, Schwesternhelfer im Krankenhaus, Koch im Speisewagen bei der Canadian Pacific - das konnte doch nicht alles sein, sagte sich der 1931 in Berlin geborene Hans Karl Schmidt, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus seiner zerstörten Vaterstadt nach Kanada ausgewandert war. In Montreal begann er schließlich eine Karriere in der Medienbranche, produzierte eine eigene Radiostunde in deutscher Sprache, einen Kinospot zur Einführung des "Bertelsmann Leserings" in Kanada. Ein Anfang war gemacht. Doch Schmidt zog es zurück nach Deutschland. Er landete bei Radio Luxemburg (RTL), wo er gemeinsam mit seinem virtuellen Freund Atze durch Sendungen führte. Mit seiner schnoddrig-lockeren Berliner Schnauze wird Atze bald zu einem Markenzeichen von RTL. Schmidt moderierte jedoch ebenfalls seriöse Programme, interviewte Heinrich Lübke, F.J. Strauß, aber auch Vico Torrriani und Udo Jürgens. Er wechselte schließlich zum Hessischen Rundfunk, wo er bei HR3 und HR4 gern gehört wurde.

Wie alles begann mit dem Lorbaß aus Berlin, kann man auf einer Doppel-CD verfolgen, auf der Hans Karl Schmidt Berliner Geschichten erzählt. Lorbaß? Aber ja, schließlich stammt seine Mutter aus dem ostpreußischen Braunsberg. Sehr lebendig erzählt Schmidt von seiner Kindheit und Jugend zwischen Bomben und Bienenstich - die erfahrene Mikrofonstimme des ehemaligen Rundfunkmoderators zieht die Zuhörer sehr schnell in ihren Bann. Klar, daß auch hier die Berliner Mundart und zum Schluß auch die ostpreußische das stimmungsvolle Lokalkolorit bringen.

Die Berliner Geschichten aus der Sicht eines Kindes spiegeln die Jahre vor und während des Zweiten Weltkrieges wider. Kinderspiele in der Großstadt, Kinobesuche, Freundschaften, Ferienvergnügen stehen im Mittelpunkt - zunächst.

Ganz langsam aber und immer mächtiger drängt die politische Wirklichkeit in diese unbeschwerte Kindheit. Erster Luftschutzalarm führt die Hausbewohner im Keller zusammen. So schicksalhaft die Kulisse, so herrlich anschaulich schildert Schmidt die einzelnen Charaktere. Erschütternd das Stück "Abgeholt" - der politische Irrsinn hat das Klassenzimmer erreicht ... Um Hans Karl in Sicherheit zu bringen, wird er nach Ostpreußen, nach Alt Passarge, zu Großmutter und Tante geschickt, kehrt dann aber doch wieder ins zerbombte Berlin zurück, wo er das Kriegsende erlebt: russische Soldaten, "Uri, Uri", "Frau, komm", überall Leichen ... Aus Hänschen ist Hans geworden. Ein eindrucksvolles Hörerlebnis, das von Klaus Feldmanns und Axel Werner Bethkes Gitarrenklängen noch unterstrichen wird. Silke Osman

Hans Karl Schmidt: "Berliner Geschichten - Zwischen Bomben und Bienenstich", NCA - New Classical Adventure, 2 CDs, Spieldauer: 72:40 / 71:33 Minuten, 19,90 Euro


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