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04.03.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. März 2006

Ruhe bitte! / Deutschland macht Pause und will nicht gestört werden: Daß die Kanzlerin uns schlafen läßt, rechnen wir ihr hoch an
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Eben die ersten Krokusse gesehen. Erstaunliche Pflanzen. Die machen Frühling, wann's ihnen paßt. Daß rundherum noch alles winterlich verfroren oder vermatscht und von häßlichen Schneefetzen entstellt ist, kümmert sie nicht. Die unerschütterlichen Blümchen müssen Pate gestanden haben bei der Erfindung des sogenannten "Konsumklima-Index'". Der geht gerade durch die Decke wie seit neunzehnhundert-was-weiß-ich nicht mehr, sagen die Wissenschaftler und die Medien verbreiten die Kunde täglich im Land.

Wer von solchen Nachrichten beflügelt auf die Straße stürmt, freut sich auf eine strahlende Menschenmenge, die wiehernd vor Euphorie tonnenschwere Einkaufstüten umherschleppt. Doch er wird enttäucht: Alles ist wie immer. Selbst eine Stadt wie Hamburg, die nicht zu den ärmsten zählt und seit einiger Zeit zudem den Eindruck erweckt, als wolle sie mit einer beeindruckenden Palette baulicher Großprojekte den Aufschwung regelrecht herbeimörteln, ist vom angeblich überquellenden Optimismus soweit entfernt wie von sommerlichen Temperaturen. Die Indexzahlen scheinen zum deutschen Wirtschaftswetter zu passen wie die Krokusse in den Hamburger Schnee.

Haben sich die Deutschen heimlich gegen ihre Konjunkturforscher verschworen und erzählen ihnen gedrechselten Tinnef über ihre wahre Befindlichkeit, um diesen Berufsklugen mal saftig eins mitzugeben? Kaum. Die Zahlen sind weder getürkt noch die Folge manipulierter Antworten. Sie "überzeichnen" die Wirklichtkeit nur ein wenig, wie die Wissenschaftler selbst durchschimmern lassen. Wer sich die Erklärtexte zu dem funkelnden Index anschaut, wird denn auch schnell wieder nüchtern.

Eigentlich gibt so ein Konsumklimaindex ebenso wie sein Bruder, der "Geschäftsklimaindex" (der die Lageeinschätzung der Wirtschaft widerpiegelt) Auskunft über die Zukunftsaussichten der Befragten. Diesmal jedoch sagen beide paradoxerweise mehr über Erinnerung an die Vergangenheit aus als über das, was wir meinen, vor uns zu haben. Die Erinnerung, das sind sieben Jahre Rot-Grün, das Dauerfeuer windiger Ankündigungen mit ihren pompösen Überschriften, das flatterhafte Hin und Her der politischen Richtungen eines mal Spaß-, mal Chaos-, mal Agenda-Kanzlers und eines Finanzministers ... ach, lassen wir's lieber! Das jedenfalls liegt nun hinter den Deutschen und allein die Gewißheit, daß es vorbei ist, spendet ihnen einen tiefen Trost, der im Vergleich mit ihren Wut- und Panikattacken während der Schröder-Fischer-Jahre schon wie der Ausdruck puren Glücks erscheint. Daher die guten Zahlen beim Index.

Erinnerte die Schröderzeit an eine grelle Superstar-Show mit wiederkehrenden Bild- und Tonstörungen, so finden wir uns nun in einem gediegenen Schwarzweißfilm wieder. Der kommt sogar ohne die schrillen Werbeunterbrechungen aus, in denen uns Rot-Grün per "Imagekampagne" alle Nasen lang irgendwas "kommunizieren" wollte, was wir ohnehin längst verstanden hatten (nur anders, als es den Regierenden lieb war).

Erschöpft und erleichtert sind wir nach dem Abgesang dieser Nervensägen in unsere Sessel gesunken, ganz Deutschland hat sich eine Art Gewerkschaftspause verschrieben. Wir wissen schließlich, daß es mit ziemlicher Sicherheit irgendwann wieder ernst werden wird. Doch dem anstrengenden Getöse wenigstens für ein paar ruhige und erfrischend langweilige Monate enthoben zu sein, das reicht uns Geschundenen vorerst völlig. So packen wir die Stullen aus und gönnen uns mal was.

Beim Wirt Steinbrück kann man ja sogar anschreiben. Der hat versprochen, uns die Rechnung fürs Verschnaufen erst im nächsten Januar zu präsentieren, per Mehrwertsteuererhöhung. Gut, natürlich ärgert die uns schon jetzt. Nur sind wir viel zu erschöpft, um dagegen lautzuwerden. Selbst die Anhebung des Renteneintrittsaltes haben wir eher in Trance an uns vorbeiziehen sehen, als dagegen auf die Straße zu ziehen.

Den Rot-Grünen wurde nachgesagt, daß sie als "68er" zu ihrem persönlichen Unglück einfach zu spät ans Ruder gelangt seien. Als Pazifisten mußten sie den ersten Krieg seit '45 führen und als Sozialromantiker die "Agenda 2010" auf den Tisch des Hauses knallen. Solche Pein konnten auch Schwulenehe und Doppelpaß nicht wirklich aufwiegen.

Angela Merkel hingegen trifft das seltene Glück, exakt in dem Moment die Brücke betreten zu haben, in dem die flachen Wellen der Zeit ohnehin in ihre Richtung treiben - ganz leicht nach Back-bord.

Für die lange vermißte Monotonie im Politbetrieb sind ihr die Deutschen unendlich dankbar und sehen ihr einiges nach. Daß sie sich bei ihrem grandiosen Debüt bei der EU mal eben um ein paar Milliarden zulasten Deutschlands verrechnet hat, verbuchen wir mit einem Achselzucken. Gebrochene Wahlversprechen, deretwegen wir vor gut drei Jahren den Schröder hämisch durch die "Gerd-Show" gescheucht haben, jucken uns bei der gemütlichen Nachfolgerin auch nicht mehr. Wofür, hieß es im CDU-Wahlprogramm, sollte die Mehrwertsteuererhöhung noch "ausschließlich" verwendet werden? Was soll's, jedem passiert mal ein Mißgeschick.

Selbst wenn wir nicht so entsetzlich müde wären und noch Lust hätten auf ein wenig politischen Krawall - an wen sollten wir uns denn wenden? Die Opposition? Dem täppischen Geschubse, das sich FDP und Grüne in Sachen BND liefern, kann man am besten mit Karl Valentin begegnen: Mögen hätten sie schon wollen, aber dürfen haben sie sich nicht getraut. Die Grünen nicht, weil sie während der Irak-Krise an der Regierung waren, und die FDP nicht, weil jahrzehntelange blaugelbe Außenministerei bei den Liberalen eine Rest-Ahnung davon hinterlassen hat, daß es dem Staatswohl unter Umständen abträglich ist, wenn man ausgerechnet den eigenen Geheimdienst zum Striptease nötigt.

Die dritte Oppositionstruppe, die Linkspartei, versackt unterdessen in dem Dilemma, daß der Grundsatz kommunistischer Wahrheitsfindung, "Die Partei hat immer recht", schwer umzusetzen ist, wenn es zwei davon gibt. Derzeit sieht es nicht danach aus, daß die Vereinigung der Arbeiterklasse aus PDS und WASG ähnlich reibungslos verlaufen wird wie im goldenen Jahr 1946. Haben die Linken denn nichts aus der Geschichte gelernt? Schon Lenin wußte, daß Sozialismus und Demokratie einfach nicht zusammengehen und postierte bald nach der Machtübernahme aufmerksame Leute hinter seinen Genossen, welche die allzu obstinaten Delegierten in der Parteitagspause auf eine lange Reise einluden. Aufgrund des Grundgesetzes steht den dunkelroten Parteispitzen eine solches Instrument derzeit nicht zur Verfügung.

Aber es gibt noch Paradiese auf der Welt, wo die aufmerksamen Leute nach wie vor ihrer fruchtbaren Tätigkeit nachgehen können. Diese Refugien wie beispielsweise Kuba gilt es zu pflegen. Da ist der Ärger verständlich, den die Zustimmung dreier PDS-Europaabgeordneter zu einer Castro-kritischen Resolution bei Basis und Parteiführung ausgelöst hat. Die drei Parlamentarier haben da einen Text durchgewinkt, der dem karibischen Führer "Menschenrechtsverletzungen" unterstellt. weil Fidel Castro noch über jene Kellerräume verfügt, in welchen widerspenstige Abweichler zu Besinnung und Selbstkritik bewogen werden können. Daß die Castro-Regierung überlebt habe, "hat dazu beigetragen, daß sich die Linke in Lateinamerika wieder gefestigt hat", heißt es in einer Erklärung prominenter Linker im "Neuen Deutschland".

Der PDS-Vorstand verurteilte die Abweichler und beteuerte seine "tiefe politische, kulturelle und emotionale" Solidarität mit den Genossen in Havanna. Kuba unterscheide sich nämlich grundlegend von den "staatssozialistischen Modellen in Europa". Immerhin ist es dort im Winter nicht so kalt wie in Bautzen, was letztlich auch den inhaftierten Regimekritikern zugute kommt.

Nach der bunten Schrödershow sind wir nun in einem Schwarzweißfilm gelandet

Posieren für den Feuerwehr-Fotokalender Zeichnung: Götz Wiedenroth


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