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18.03.06 / So nah und doch so fern / Das deutsch-polnische Verhältnis nach dem Staatsbesuch

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. März 2006

So nah und doch so fern
Das deutsch-polnische Verhältnis nach dem Staatsbesuch von Präsident Kaczynski

Näher können Nationen sich kaum noch kommen: direkte Nachbarn mit einer 467 Kilometer langen gemeinsamen Grenze (hinzu kommen die 210 Kilometer Grenze zum nördlichen Ostpreußen, dem Königsberger Gebiet), gemeinsam Mitglieder in Nato und EU, Handels- und Geschäftspartner mit zweistelligem Milliardenvolumen. Und neben Geographischem, Wirtschaftlichem und Bündnispolitischem verbindet Deutsche und Polen auch eine jahrhundertelange wechselhafte Geschichte.

Gerade diese Geschichte aber birgt bis heute auch viel Trennendes, Belastendes. Aus polnischer Sicht sind die Deutschen Haupt- oder gar Alleinschuldige am Zweiten Weltkrieg (und auch an den meisten vorangegangenen europäischen Kriegen); sich selbst sehen die Polen ausschließlich als Opfer. Aus deutscher Sicht hingegen - freilich längst nicht aus der Sicht aller Deutscher - zählen die Polen zu den Haupttätern bei der Vertreibung aus dem Osten.

Ein scheinbar unüberbrückbarer Gegensatz. Dennoch bemühen sich Menschen auf beiden Seiten, nicht nur zurückzublicken, sondern auf der Basis eines wahrhaftigen Umgangs mit der Geschichte - auch der eigenen! - die Zukunft zu gestalten. (Diesbezügliche Aktivitäten der Vertriebenenorganisationen, insbesondere auch der Landsmannschaft Ostpreußen, werden viel zu wenig gewürdigt.)

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Sowjetsystems, das auch Polen jahrzehntelang im Würgegriff gehalten hatte, gab es verstärkt Hoffnung, zu einem vernünftigen, auch für deutsche Heimatvertriebene tragbaren Miteinander zu finden. In Polen haben diese Hoffungen durch den Streit um das "Zentrum gegen Vertreibungen" sowie die scharfen nationalistischen Töne im Wahlkampf einen empfindlichen Dämpfer erfahren, wobei sich vor allem die Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski hervortaten. Letzterer ist nun Drahtzieher und "starker Mann" hinter der neuen Regierung in Warschau, der andere kam als frischgewählter Staatspräsident zum etwas verzögerten Antrittsbesuch nach Berlin.

Dort wartete Lech Kaczynski mit einigen Überraschungen auf. Unbekümmerter, als wir das von unseren Politikern gewöhnt sind, bekannte er sich zu konservativen Positionen, kritisierte die supranationalen Tendenzen der EU, prangerte Korruption und "polnische Wirtschaft" an, bekräftigte seine Verankerung im christlichen Wertesystem. Dies alles kann von deutschen Konservativen vorbehaltlos unterstrichen werden, wie auch sein demonstrativer Patriotismus und sein Pochen auf nationale Interessen. Der Mangel daran wird deutschen Politikern ja zu Recht zum Vorwurf gemacht.

Wie fern sich Deutsche und Polen aber immer noch sind, zeigte sich, als Kaczynski das Kernthema der jüngeren Geschichte ansprach. Zwar wandte er sich gegen "Relativierung von Schuld", sprach aber bewußt von "Umsiedlung" statt "Vertreibung". Er räumte ein, diese "Umsiedlungen" seien "sicher etwas Schlechtes", aber "nicht so schlimm" wie die Bombardements von Großstädten. Ist das etwa keine Relativierung?

Niemand erwartet von Polens Präsident die von deutschen Politikern gewohnten peinlich überzogenen Schuldbekenntnisse. Warum aber kann er nicht wenigstens eingestehen, daß Deutsche nicht nur Täter, sondern auch Opfer waren - und Polen nicht nur Opfer, sondern auch Täter? H.J.M.

Schwierige Nachbarschaft: Im Berliner Kanzleramt empfing Angela Merkel den neuen polnischen Staatspräsidenten Kaczynski. Foto: pa


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