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18.03.06 / Alle Zeichen stehen auf Krieg / Britische Studie zeigt, was passiert, wenn der iranische Atomstreit eskaliert

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. März 2006

Alle Zeichen stehen auf Krieg
Britische Studie zeigt, was passiert, wenn der iranische Atomstreit eskaliert
von Sverre Gutschmidt

Eine Skizze zeigt einen metallischen Körper, Durchmesser 61 Zentimeter, Gewicht 200 Kilogramm, eine mit Sprengstoff versehene Außenhülle, die eine Bombe zum Zünden bringen soll. Die Bombe ist eine Atomwaffe und neuester, in der arabischen Welt (und nicht nur dort) belächelter Beweis der USA für den Willen Irans, die angestrebte Atomtechnik nicht nur friedlich zu nutzen. Der Atomstreit zwischen den USA, Israel und Europa auf der einen und dem nuklear-ambitionierten Iran auf der anderen Seite ist alles andere als ein Witz. Er eskaliert täglich - Krieg wird offen diskutiert.

Aufhänger des Streits ist der Atomwaffensperrvertrag, er soll die Verbreitung von Kernwaffen verhindern. Dessen Einhaltung sowie die friedliche Nutzung der Kerntechnik überwacht die internationale Atomenergiebehörde (IAEO). Der Iran wolle die Kernenergie friedlich nutzen, heißt es unisono aus Teheran. "Die USA unterzeichnen einen Vertrag mit einem Staat, der kein Mitglied des Atomwaffensperrvertrages ist, auf der anderen Seite wird der Iran (als Unterzeichner des Vertrags) so schlecht behandelt", entrüstet sich der iranische Außenamtssprecher Hamid Reza Assefi über das jüngst vom US-Präsidenten geschlossene Atomabkommen mit Indien.

Nun soll nach der Atomenergiebehörde der Weltsicherheitsrat entscheiden, ob Maßnahmen gegen den Iran zu ergreifen sind, weil das Land die Siegel der Atomenergiebehörde an seinen eigenen Uran-Zentrifugen gebrochen hat und Uran anreichert. Ein Konflikt, der immer weniger verständlich ist. Formal im Recht, wird dem Iran und seinem Regime von kaum einer Macht der Besitz von möglicherweise auch für Kernwaffen nutzbarem Material gegönnt. Soweit ist es allerdings noch nicht, das Land steht erst am Anfang seiner Kernforschung.

Für die USA bringt deren Uno-Botschafter John Bolton schon konkrete Angriffsmöglichkeiten an die Öffentlichkeit. Daß die US-Regierung keineswegs eilfertig in einen Krieg marschieren will, zeigen wiederum die moderateren Töne der Außenministerin Condoleezza Rice: "Niemand sagt, wir müßten sofort irgendwelche Sanktionen ergreifen." Offenbar ist man sich in Washington uneins. Das generelle Problem der Europäer und Amerikaner ist, wie der Iran bei seinem Atomprogramm kontrolliert werden soll, der sich laut Aussage der IAEO einer Kontrolle zu entziehen versucht.

Der renommierte britische Friedensforscher Paul Rogers von der Universität Bradford entwirft das Szenario eines Iran-Krieges. Seine Studie "Iran: Consequences of war" vom Februar ist mehr als eine willkommene Argumentationsgrundlage in friedensbewegten Kreisen. Sie zeigt Eskalationsstufen, mögliche und notwendige Ziele. Klar ist, daß alle denkbaren Militäroperationen gegen den Iran kaum punktgenau nur gegen die Nuklearanlagen des Regimes gerichtet sein können. Die Studie, veröffentlicht durch die britische Denkfabrik "Oxford Research Group" mit Unterstützung amerikanischer Stiftungen liest sich wie ein durchkalkulierter Angriffsplan auf den Iran mit Karte der Ziele. Das Papier zeigt logisch die Erwägungen, die derzeit auch die US-Administration umtreiben müssen. Es geht von einem Angriff der USA und / oder Israels aus, der darauf abzielt, das Atomprogramm des Iran "um mindestens fünf Jahre zurückzuwerfen". Eine Invasion am Boden schließt Rogers aufgrund der schwierigen Lage im Irak und den zahlreichen Verpflichtungen der USA aus. "Eine US-Attacke, die bei weitem größer wäre als alles, was Israel bewerkstelligen könnte, würde auch die umfassende Zerstörung der iranischen Luftverteidigung und solche Angriffe einschließen, die iranische Vergeltung verhindern. Dies würde die Zerstörung der Einrichtungen der Iranischen Revolutionären Garde nahe des Irak und regulärer wie irregulärer Marineeinheiten Irans einschließen, die sonst Golf-Öl-Verkehrsrouten unterbrechen könnten." Eskalation statt punktgenauer Schläge sei laut Rogers zu erwarten: "Der Iran hätte viele Methoden, in den folgenden Monaten und Jahren darauf zu antworten." Mögliche Folgen: "Unterbrechung der Golfölproduktion und -exporte trotz US-Vorsorgemaßnahmen, systematische Unterstützung von Aufständen im Irak, Aufstachelung von Gesinnungsgenossen im Südlibanon zu Attacken gegen Israel." Ferner prophezeit Rogers "ein beachtliches Ausmaß nationaler Einheit im Iran". Als "Hauptantwort" auf alle Kampf-Maßnahmen sieht der Friedensforscher verstärkte Schritte zum (Wieder-)Aufbau eines Atomwaffenprogramms sowie den vollständigen Rückzug vom Atomwaffensperrvertrag. Darauf folge eine "langanhaltende Konfrontation". Daraus leitet Rogers die Notwendigkeit "alternativer Strategien" ab.

Doch an diesem Punkt wird die Analyse lückenhaft. Wie kann angesichts der in der Sache unverändert kompromißlosen Haltungen des Iran wie der USA noch eine Einigung erzielt werden? Schuld an der Zuspitzung der Konfrontation hätte nach Rogers der Westen. Weil die Amerikaner den Irak nicht "richtig hinbekommen" hätten, so Rogers im Kapitel "US-Kontext", gäbe es das Problem Iran. Zumindest hätten US-Strategen diese Gefahr schon vor dem Irakkrieg so gesehen - die Gefahr, daß sich im Irak kein stabiles demokratisches Regime, Ordnung und eine sich positiv entwickelnde Gesellschaft herstellen lassen. Die geschichtlichen Argumente, die Rogers zum weiteren Verständnis der US-Motivation nennt, sind letztlich genauso wenig ausschlaggebend. Das Öl spielt laut Rogers immerhin eine zentrale Rolle: "Wenn der Öl-Faktor zu Beginn der 90er Jahre wichtig war, dann ist er es 15 Jahre später um so mehr, angesichts einer US-Öl-Import-Abhängigkeit, die jedes Jahr zunimmt, während China in einer ähnlichen Lage ist und Golf-Öl Ressourcen der Region wahrscheinlich für die nächsten 30 Jahre oder mehr eine grundlegende geopolitische Bedeutung verleihen."

Nur beiläufig läßt das Dossier durchblicken: Es sind die ganzen "Umstände", die zählen. Sie bilden sozusagen das Faß - das iranische Atomprogramm ist nur ein letzter Stein des Anstoßes, der vom Iran selbst hineingeworfen wird, um das Faß damit für Amerika zum Überlaufen zu bringen. Demnach geht es weder um Öl allein, generelle Antipathie oder um eine Ausweitung der Kampfzone zur Verteidigung des Fernziels Demokratisierung des Islam (siehe Irak). Es ist der Aufstieg einer politisch aggressiven, unberechenbaren Macht Iran, die nach einem Haß versprühenden Präsidenten nicht auch noch Atomwaffen erhalten darf. Das Dilemma des Westens, vor allem der USA, ist, daß man dem Iran das Recht auf Atomtechnik streitig machen muß, weil ein Gewährenlassen aus Sicht Amerikas ein noch größeres Risiko wäre, eine Konfrontation nur hinauszögern würde. Zu diesem Aufstieg gehört auch die feste Absicht des Mullah-Staates, die USA wirtschaftlich durch die Einrichtung einer Euro-Ölbörse zu attackieren. Sie soll noch diesen Monat ihre Geschäfte aufnehmen. Würde Rohöl nicht mehr überall in Dollar gehandelt wie bisher, brächte dies den USA erhebliche Währungsturbulenzen. Obwohl geographisch weit entfernt, haben die USA sich durch ihre vielfache Abhängigkeit vom Öl wirtschaftlich und durch ihr Irak-Engagement politisch zum direkten Nachbarn des Iran gemacht - und damit verwundbar.

Der Konflikt zwischen Aufstieg einer regionalen Macht und relativem Abstieg der Supermacht USA und ihrer europäischen Verbündeten steuert angesichts der Worte Ahmadinedschads, "keinen Kompromiß eingehen" zu wollen, auf unfriedliche Lösungen zu.

Iranische Raketenabwehranlagen: Auf Krieg eingestellt Foto: AP


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