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18.03.06 / Ihre Bilder sind frei von Nostalgie / Eine Monographie widmet sich Leben und Werk der naiven Malerin Minna Ennulat

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. März 2006

Ihre Bilder sind frei von Nostalgie
Eine Monographie widmet sich Leben und Werk der naiven Malerin Minna Ennulat
von Silke Osman

Ausflüge ins Paradies" nannte ein Kritiker einmal die Bilder der Ostpreußin Minna Ennulat. Und wahrlich paradiesisch muten sie an die farbenfrohen Motive, meist mit Lack-farben auf Spanplatten gemalt. Heitere Bilder der typisch ostpreußischen, ländlichen Welt - Gutshäuser, Kirchen, Kähne, Pferde, Elche; alles Bilder, die Minna Ennulat einst mit eigenen Augen sah und die sich in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten. Ohne Wehmut, ohne Anklage hat sie diese Motive festgehalten, zur Freude der Betrachter. Und die haben im Laufe der Zeit die Bilder der Minna Ennulat ganz besonders schätzengelernt. In München, Hamburg, Regensburg oder Berlin waren sie zu sehen. Selbst im Ausland war die Ostpreußin mit ihren Bildern auf Ausstellungen vertreten.

In Deutschland war es vor allem die 1970 gegründete Düsseldorfer Galerie Zimmer (Oberbilker Allee 27, 40215 Düsseldorf), die sich des Werks der Ostpreußin angenommen hat. Bereits in der ersten Hälfte der 1970er Jahre stellten Elke und Werner Zimmer die Arbeiten von Minna Ennulat aus. "Bei aller Poesie, die diesen Bildern zu eigen ist", so Elke Zimmer in einer Ausstellungsbroschüre, "fällt der Realitätssinn auf, eine unbestechliche Stringenz in Bildaufbau und Formenvokabular. Wobei der Realitätssinn sich nicht an herkömmlicher Natur- oder Bildauffassung orientiert, sondern an dem eigenen Erinnerungsbild, das fest in der Malerin verankert und das durch nichts und niemanden zur Veränderung zu beeinflussen war. Authentische Merkmale dieser Malerei, die wir als ,naiv' bezeichnen."

Viele Bilder wechselten über die Galerie Zimmer, eine der führenden Galerien für naive Kunst in Deutschland, den Besitzer, aber auch die Galeristen selbst nennen einige "Ennulats" ihr eigen. "Es ist nicht nur persönliche Vorliebe, sondern ebenso Wertschätzung dieser unverfälschten, grundehrlichen Bilder, die bei näherer Beschäftigung Aufschluß geben über das Wesen und die Entstehung authentisch naiver Malerei", liest man im Vorwort zu einer Monographie, die Elke und Werner Zimmer im Andenken an Minna Ennulat herausgegeben haben (62 Seiten mit vielen Abb., Klappbroschur, 12 Euro).

"Diese Bilder sind frei von Nostalgie, frei von Wunschträumen und flachen Lebensvorstellungen, auch frei von jeder Ideologie. Sie erzählen nicht Geschichten, sie stützen sich nicht auf narrative Inhalte, sie sind auch keine Illustrationen. Diese Bilder bilden ab, was die Malerin einst sah, was zu ihrer alltäglichen Umgebung gehörte und was sich als dauerhaftes Bild in ihr festgesetzt hat. Die Bilder sind Zeugnis einer ausgeprägten bildhaften Erinnerungsfähigkeit. Und sie bringen trotz der Härten von Kriegserlebnissen und Flucht die lebensbejahende Haltung der Malerin zum Ausdruck."

Minna Ennulat, die als eine der bedeutendsten naiven Malerinnen in Deutschland gilt, hatte keine große, gar internationale Karriere im Sinn, als sie ein erstes Mal zum Pinsel griff. Die lebenstüchtige Frau, die am 19. März 1901 in Baltschdorf, Kreis Angerapp, als Minna Dönning geboren wurde, war nach der Flucht ("bei Schneesturm und 28 Grad Kälte über Heiligenbeil über das Haff mit Pferdewagen. Die Front vor uns, die Russen hinter uns und die Flieger und Bomber über uns") mit ihrem Mann und zwei kleinen Söhnen in Hessen gelandet. Dort konnten sie sich unter vielen Entbehrungen ein kleines Häuschen bauen. Minna Ennulat: "Als das Haus fertig war, kam ich auf die Idee, Läufer zu weben und Tischdecken zu sticken. Dann bemalte ich Stoff für einen Lampenschirm. Dann waren die Wände so leer und ich malte Bilder, damit es nicht so leer und einsam an den Wänden aussah ..." Ein Galerist wurde auf die Bilder aufmerksam, Minna Ennulat gewann bei einem Wettbewerb naiver Maler den zweiten Preis, und von da an war der Erfolg nicht mehr zu bremsen. Museen, Galerien und Sammler rissen sich um die Bilder der Ostpreußin, die eigentlich nur ihr Heim verschönern und für ihre Kinder und Enkel malen wollte.

Sohn Dietmar, der Theologie studierte und Pfarrer wurde, bewunderte schon als Kind den Mut und die Kraft der Mutter. Die wunderbar farbigen Bilder seien für ihn Zeugnisse der staunenswerten Gaben Gottes, wie sie seiner Mutter geschenkt wurden. In der Monographie schreibt er: "Allem menschlichen Vernichtungswillen zum Trotz strahlt in den Bildern meiner Mutter das Leben auf, wie es sich als Verheißung der Freude und des friedvollen Miteinanders in der Erinnerung als paradiesische Zukunftshoffnung darstellt." Minna Ennulat starb am 10. April 1985 in Hadamar, Kreis Limburg / Lahn.

Minna Ennulat: Am Badestrand (Lackfarben auf Spanplatte, 1974) Foto: Werner Zimmer


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