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25.03.06 / Über die eigene Grenze / Wehrbeauftragter belegt: Leistungsfähigkeit überschritten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. März 2006

Über die eigene Grenze
Wehrbeauftragter belegt: Leistungsfähigkeit überschritten
von H-J. von Leesen

Letztes Jahr wurde die Bundeswehr 50 Jahre alt. Der soeben vorgelegte Bericht des Wehrbeauftragten über das vergangene Jahr bietet wieder einen Blick ins Innere der "Armee in der Demokratie", die, wie in den Einleitungszeilen formuliert, "den Frieden und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürgerinnen und Bürger" gesichert habe. Das ist nun nicht wörtlich zu nehmen, denn von Jahr zu Jahr mehr müssen sich unsere Soldatinnen und Soldaten um alle möglichen Konflikte und Krisen in aller Welt kümmern - vom Kosovo und von Bosnien bis in den Sudan, von Afghanistan bis zum Horn von Afrika, ohne dabei ihre Mission als Militärbeobachter in Äthiopien, Eritrea und Georgien zu vernachlässigen.

Der neue Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (51, nie Soldat gewesen) wiederholt das, was schon sein Vorgänger festgestellt hat: Angesichts der aus finanziellen Gründen weiter reduzierten Anzahl der Soldaten und der schrumpfenden finanziellen Mittel stößt die Bundeswehr "immer deutlicher an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit". Vor allem beim Sanitätswesen, bei der Operativen Information, bei Heeresfliegern, Feldjägern, Fernmeldern und Pionieren fehlt es an Soldaten. Weil zu viele, die eigentlich in der Heimat die hier noch stationierten Reste ausbilden sollen, sich rund um den Globus betätigen, fehlen sie ihren Stammeinheiten. Und das wirkt sich auf deren Qualität aus. So mußten Bundeswehrkrankenhäuser Operationssäle schließen, weil sich die dafür vorgesehenen Ärzte in Auslandseinsätzen befanden.

Aber auch mit der Ausrüstung der Bundeswehr steht es nicht zum besten. Bei den laufenden Einsätzen "fehlt es beispielsweise an gepanzerten Fahrzeugen, Unterbringungsmöglichkeiten und modularen Sanitätseinheiten". Zwar ist die Einsatzdauer der Soldaten theoretisch auf vier Monate herabgesetzt worden (tatsächlich aber müssen die Soldaten jeweils fünf Monate im Ausland zubringen), doch dafür verringert sich der Abstand zwischen den Einsätzen. Das belastet auch erheblich die in der Heimat zurückgebliebenen Familien.

Die Soldaten registrieren, daß der Staat der Bundeswehr immer neue Aufgaben im Ausland stellt, die dafür notwendige Ausrüstung aber nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stellt, weil das Geld fehlt. "Immer mehr Leistung für immer weniger Geld", laute ihr bitteres Fazit, schreibt Robbe. Das hat offenbar bei den Soldaten und Soldatinnen das Vertrauen in ihren Dienstherren spürbar in Mitleidenschaft gezogen, denn Robbe mahnt an, daß die politisch Verantwortlichen endlich umdenken sollen. Es besteht immer noch ein Unterschied in der Besoldung, Bundeswehrsoldaten aus Mitteldeutschland erhalten weniger Sold als die übrigen - ein Unding bei der so vollmundig gepriesenen "Armee der Einheit".

Auch breitet sich Enttäuschung aus über das abnehmende Interesse in Politik und Gesellschaft an den Belangen der Bundeswehr. Wie stiefmütterlich die bundesdeutsche Öffentlichkeit mit ihren Soldaten umgeht, wird deutlich, wenn man liest, wie in den USA zwar die Mehrheit der Amerikaner jetzt gegen den Irak-Krieg eingestellt ist, daß aber trotzdem die US-Gesellschaft ihren Soldaten in Solidarität verbunden ist.

Wie anders ist es in der BRD! Wann erfährt man schon einmal etwas über die wirklichen Verhältnisse in den Einsatzgebieten unserer Soldaten? Eigentlich müßte in jeder Woche das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Anschluß an die Hauptnachrichten zehn Minuten lang aus den Einsatzräumen berichten, aber man stelle sich das Hohngelächter vor, wenn dergleichen von den Intendanten verlangt würde. In allzu vielen deutschen Medien herrscht noch die Verteufelung deutscher Soldaten durch die 68er und ihre Zöglinge. So mahnt Robbe denn an, die deutschen Soldaten und Soldatinnen nicht allein zu lassen, und das mit Recht, auch wenn man die Sicherheitspolitik wegen ihrer perspektivlosen Interventionen mit guten Gründen kritisieren kann.

An den Wehrbeauftragten wenden sich Soldaten, wenn sie glauben, Grund zu haben, sich zu beschweren. Und diese Beschwerden sind häufig genug berechtigt, wie der Bericht zeigt. Bestürzend ist die offenbar häufig geübte Kritik an dem Führungsverhalten vieler Vorgesetzter. Sie sollen in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben, wie das Soldatengesetz formuliert. Dagegen wird "in vielfältiger Weise verstoßen". Robbe fährt fort: "Es handelt sich hier keineswegs um Einzelfälle." Beispiele machen deutlich, daß die Mahnung angebracht ist. "Die Tatsache, Vorgesetzter zu sein, berechtigt nicht zu selbstgefälligem oder überheblichem Auftreten."

Offenbar ist Alkohol immer noch ein Problem in der Bundeswehr. "Saufen" beeinträchtigt das Erscheinungsbild unserer Soldaten seit langem. Der Bericht enthält Fälle, in denen Körperverletzungen, Mißhandlungen und allgemein unangemessenes Verhalten auf die "enthemmende Wirkung des Alkohols" zurückgeführt werden.

Natürlich muß auch wieder der Rechtsextremismus herangezogen werden, doch lassen die angeführten Beispiele (Hakenkreuze an Wänden von Klos, die allgemein zugänglich sind) den Verdacht aufkommen, daß es entweder um alberne oder um Vorfälle geht, die zwar kriminell, aber wohl kaum politisch einzuordnen sind, so etwa wenn als "latent Ausländerfeindlichkeit" gewertet wird, daß ein Oberfeldwebel zusammen mit einem Bekannten sich außerhalb des Dienstes in einer Kneipe mit zwei Kenianern geprügelt hat. Immerhin werden 147 "Besondere Vorkommnisse" mit Verdacht auf Rechtsextremismus aufgeführt, meistens "Propagandadelikte" wie in den Verfassungsschutzberichten.

Im nächsten Absatz erfährt man, daß es sechsmal so viele Fälle des Mißbrauchs von Betäubungsmitteln in der Bundeswehr gab. Der Bericht darüber ist nur halb so lang wie der über Rechtsextremismus.

Frauen bilden inzwischen 6,2 Prozent der Zeit- und Berufssoldaten, pro Jahr dienen durchschnittlich 11500 Soldatinnen in der Bundeswehr. Schwerwiegende Probleme sollen dadurch nicht entstanden sein, doch gibt es offenbar Verärgerung bei männlichen Kameraden, weil Frauen bei Auswahlentscheidungen zum beruflichen Aufstieg bei gleicher Qualifikation bevorzugt zu berücksichtigen sind, wenn Frauen unterrepräsentiert sind. Diese Quotenregelung stößt auf Kritik, man sieht darin eine Benachteiligung der Männer.

Eher amüsiert liest man, daß ein Erlaß, der ausschließlich Soldaten verpflichtet, kurze Haare zu tragen, Verärgerung hervorruft. Soldatinnen dürfen nämlich ihr Haar lang tragen, worin die Männer eine Benachteiligung erblicken. Die Verärgerung schlägt um in Verwirrung, weil Truppendienstgerichte in Süd und Nord gegensätzliche Beschlüsse zu diesem Problem getroffen haben.

Einen betrüblichen Eindruck nicht nur für die Bundeswehr vermittelt ein Bericht über den Gesundheitsszustand junger Männer bei der Musterung. 2005 mußten mehr als 30 Prozent als "nicht wehrdienstfähig" eingestuft werden; hinzu kommen weitere 8,6 Prozent, die nach Antritt ihres Wehrdienstes ausgemustert wurden wegen gesundheitlicher Probleme. Hauptursache für den schlechten Gesundheitszustand sind. Bewegungsmangel, aber auch psychische Schwierigkeiten,. Drogen- und Medikamentenkonsum.

Ungelöst ist das Problem des Gammelns, das alle Soldaten seit Jahrzehnten beklagen. Ein Rekrut wandte sich an den Wehrbeauftragten, weil er zusammen mit drei Kameraden vor Aufgaben gestellt wurde, die gerade mal für eine Person ausreichten. Die übrigen schlugen die Zeit tot. "Ich bin schließlich nicht dreizehn Jahre zur Schule gegangen, um nur sinnlos herumzusitzen." Der Wehrbeauftragte fordert die Vorgesetzten auf, den Grundwehrdienst "mit einer gewissen Sinnhaftigkeit zu verbinden." Ob's hilft?

Am Rande wird ein Vorfall erwähnt, der noch erhebliche Folgen haben könnte. Ein Stabsoffizier hatte den Befehl bekommen, an Planungen für den Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien teilzunehmen. Dieser Krieg war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, weil er ohne Genehmigung des Sicherheitsrates der Uno geführt wurde. Unter Hinweis darauf, daß die Vorbereitung eines Angriffskrieges laut Artikel 26 des Grundgesetzes verboten ist, verweigerte der Stabsoffizier den Befehl. Daraufhin sollte er wegen Gehorsamsverweigerung belangt werden, doch entschied das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), daß er freizusprechen sei und bestätigte damit, daß in der Tat die Bundeswehr an einem Angriffskrieg beteiligt war.

Der Wehrbeauftragte meint, daß "Fragen nach der Tragweite des Urteils über den Einzelfall hinaus" noch offen seien. Angesichts dieses Konfliktes zwischen Befehl und Gehorsamspflicht auf der einen und Gewissensfreiheit auf der anderen Seite müßten sich nach Robbes Ansicht Bundeswehr und Ministerium nach den Grundlagen des militärischen Dienstes offensiv stellen, wenn das Vertrauen der Soldaten in die Rechtmäßigkeit ihres Tuns nicht Schaden nehmen soll.

"Immer mehr Leistung für immer weniger Geld": Bundeswehrsoldaten auf Patrouille in Kundus Foto: pa


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