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25.03.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. März 2006

Im Grundsatz einig / Die schwarz-roten Phantasien für neue Steuern stehen in voller Blüte, denn Karlsruhe hat endlich den letzten Damm gesprengt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Daß sich Volk und Führung in Deutschland einander entfremden, hat einen simplen Grund: Man versteht sich einfach nicht, weil manche Wörter, die wir achtlos jeden Tag so hinwerfen, auf Volksdeutsch eine völlig andere Bedeutung haben als auf Politikerdeutsch.

Spricht der gewöhnliche Straßengermane beispielsweise von den "Rentenlöchern", dann sieht er vor seinem inneren Auge das große Nichts, das wie in Michael Endes schöner Erzählung "Die unendliche Geschichte" die Märchenwelt seiner Ruhestandsphantasien verschlingt.

Und er meint, die Parteien sähen genau das Gleiche und hätten längst nach dem Helden geschickt, der alles wendet - oder ihm, dem kleinen Beitragszahler, wenigstens so etwas besorgt wie die Rennschnecke, auf der sich in Endes Saga der Waldzwerg vor dem Nichts in Sicherheit bringt.

Doch Politiker haben, wie uns zu dämmern beginnt, etwas ganz anderes im Blick, wenn ihnen vor den besagten Rentenlöchern graust. Sie sehen überall nur die kleinen, noch unverstopften Schlupflöcher, durch die der findige Versicherte seine Rente vorbei am Staatssäckel in die eigene Tasche schmuggelt. Das Märchenland der Politik ist umschlossen von einem Gehölz so dicht wie Dornröschens Hecke, in der jeder Beitragscent hängen bleibt bis auf eine vom Staat huldvoll gewährte "Grundsicherung".

Der Respekt, den die Politiker ihren Bürgern entgegenbringen ist dabei weit höher als der umgekehrte. In den Ministerien, Parteivorständen und Kommissionen billigt man den Menschen im Land durchaus eine gewisse Restschläue zu und geht daher sorgsam und geschickt vor.

Bis heute säuseln die Politiker, wie die Flüstermaschinen in Aldous Huxleys "Schöner neuer Welt", den Bürgern ins Ohr, sie müßten sich privat oder betrieblich zusatzversichern, sonst gäb's was mit der Balalaika. Hübsche Steuervorteile wurden in die Fenster gehängt und luden zum Eintritt ein. Wer hineinging in die "Betriebliche" sieht sich nun elegant in die Falle gelockt: Die Steuerfreiheit seiner Beiträge fällt ab 2009 flach und sobald er ins Rentenalter kommt, halten die gesetzlichen Krankenkassen die klebrige Hand auf: voller Beitragssatz. Die Kassen beteuern ihre Unschuld, sie bräuchten das Geld, die Kosten stiegen ja immer höher. Das tun sie tatsächlich. Immerhin will die stolze Zahl von 253 deutschen Krankenkassen mit ihren Apparaten und Vorständen erst einmal versorgt sein, bis am Schluß die praxisgebührpflichtigen Nassauer abkriegen, was übrigbleibt.

Lebensversicherungen, die am Tage der Verrentung in einem Zug ausbezahlt werden, sind ein richtiger Leckerbissen für die gesetzlichen Kassen. Sie sind beitragspflichtig wie normales Einkommen. Die Beiträge müssen über zehn Jahre abgestottert werden. Da kommen schnell mehrere zehntausend Euro zusammen.

Wegen besagter Restschläue der Bürger müssen sich Politiker allerdings stets neue Schliche einfallen lassen. Findige Neurentner desertieren nur wenige Tage vor dem Beginn des Ruhestandes von der gesetzlichen Kasse zu einer privaten und entziehen sich auf diese Weise hinterrücks der Plünderung. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte schlaflose Nächte über die Abzockflüchtigen und knirschte vernehmlich mit den Zähnen. Eines Morgens wurde ihr klar, daß hier nur noch die radikale Lösung hilft: Das ganze private Kassenunwesen will sie nun abschaffen, damit keiner mehr entwischen kann. Wenn sie das schafft, kann sie sich über weitere Milliarden freuen.

Damit hat Schmidt echte Staatsmannqualitäten gezeigt, denn sie verfährt mit den Deutschen nach dem weisen Muster "Herrsche und teile!", mit dem schon die alten Römer und die Briten ihre unterworfenen Völker in Schach hielten. Das funktioniert so: Zunächst wird nur ein bestimmter Stamm oder Bevölkerungsteil geschröpft, damit die Proteste kontrollierbar bleiben, weil die anderen, die Unbetroffenen, das ja nicht schert. Wenig später "entdeckt" man, daß das eigentlich sozial ungerecht ist und zieht auch die bislang Unbehelligten ab. Dabei kann Ulla Schmidt sogar noch auf die Schadenfreude der Erstgeschröpften über die Zweitgeschröpfen bauen.

Ein Problem bleiben die Republikflüchtlinge, die sich mit Sack und Pack und Rentenansprüchen ins Ausland absetzen, wo sie nach dortigem Recht - und daher oft sehr viel günstiger - besteuert werden. Wegen der künftigen "nachgelagerten" Besteuerung der Altersbezüge könnten das bald sehr viele sein, bibbert Berlin. In alle Himmelsrichtungen versucht die Bundesregierung daher, Auslieferungsabkommen ... Verzeihung: Besteuerungsabkommen mit den Asylländern zuwege zu bringen, um auch dieses Loch in der Dornenhecke dichtzukriegen.

Ein erster Anlauf, den Verrätern wenigstens die kompletten Riesterrentenzuschüsse wegzukonfiszieren, ist leider an der EU-Kommission gescheitert. Dort sitzen schließlich die Vertreter einiger Länder, denen nichts gelegener kommt als viele, gutbetuchte deutsche Rentner, die ihr Geld mitbringen. Spanien etwa würde liebend gern alle seine grölenden, saufenden, aber chronisch klammen deutschen Pauschalproleten gegen eine sanfte Schar ruhiger, reicher und zivilisierter Graugermanen eintauschen. Warum sollte ein spanischer EU-Kommissar Berlin dabei behilflich sein, das zu verhindern? Soweit geht die europäische Solidarität denn auch wieder nicht.

Einen weiteren, scheinbar naheliegenden Fluchtweg konnte die Bundesregierung indes versperren, den in den Tod nämlich: Auch wer gleich nach Beginn des Ruhestandes den Geist vom Körper trennt, hat keine Chance: Aus seinem Nachlaß müssen zehn Jahre lang Kassenbeiträge auf die Lebensversicherung abgeführt werden. Kritiker dieser Regelung haken spitz nach, welche Gesundheitskosten der Verblichene denn noch verursache, für die hier bezahlt werden muß. Als wenn es darum ginge! Eines Tages werden wir nur noch Beiträge abführen und die Arztrechnung trotzdem ganz allein tragen. Das Geld braucht "die Gesellschaft" nicht für unsere Zipperlein, sondern für "Zukunftsaufgaben".

Wenn schon auf die europäischen Partner kein Verlaß ist, so doch wenigstens auf die deutsche Rechtsprechung. Vorvergangenen Donnerstag hat das Bundesverfassungsgericht den sogenannten "Halbteilungsgrundsatz" von 1995 gekippt, nach dem der Staat höchstens 50 Prozent der Erträge eines Steuerpflichtigen eintreiben darf. Seitdem steht die Steuererhöhungsphantasie der Schwarz-Roten in voller Blütenpracht: Reichensteuer, mehr Erbschaftsteuer, Vermögensteuer und, und, und. Karlsruhe hat den Damm gesprengt, jetzt können wir endlich den ganzen See ablassen!

Ärgerlich bleibt, daß es die Vermögensteuer nur in acht der 30 führenden Industrieländer gibt und das von den acht im Moment fünf dabei sind, diese Abgabe langsam abzuschaffen. Schlimm und sehr unsolidarisch, denn Kapital ist noch fluchtsüchtiger als wohlhabende Rentner.

Das Ausland, da wo die Heuschrecken hausen, ist eine Plage. Es ist halt viel einfacher, in einem wohlgeordneten Staatswesen unter sich zu verhandeln, wo man immer zu "einem guten und für alle Seiten tragbaren Ergebnis" kommt, weil sich alle Verhanlungspartner kennen und schätzen.

So wurde Deutschland zum Land des Ausgleichs, wo sich die Gewerkschaft Ver.di (auf der Arbeitnehmerseite) mit den Ver.di-Mitgliedern Kurt Beck und Ralf Stegner (auf der Arbeitgeberseite) schnell darauf hätten einigen können, wieviel Geld der Steuerzahler es diesmal sein darf. Ja, "hätten" - wenn nicht dieser gewerkschaftslose Niedersachse dazwischengekommen wäre, um den Konsens zu stören. Aber das ist Ländersache. Auf Bundesebene verraten die entspannten Gesichter von Angela Merkel und Franz Müntefering, daß man sich - wie heißt das immer? - "im Grundsatz einig ist".

Sterben hilft auch nicht mehr: Sogar Tote zahlen noch zehn weitere Jahre lang Kassenbeiträge

"Endlich Ruhe und Frieden ..." Zeichnung: Götz Wiedenroth


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