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01.04.06 / Pfeifen im Förderdschungel / Existenzgründermesse "deGUT" lockt Neuunternehmer - Licht und Schatten staatlicher Zuschusspraxis

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. April 2006

Pfeifen im Förderdschungel
Existenzgründermesse "deGUT" lockt Neuunternehmer - Licht und Schatten staatlicher Zuschusspraxis
von Harald Fourier

Auf der deutschen Gründer- und Unternehmermesse "deGUT" dreht sich alles um Existenzgründer und solche, die es werden wollen. Die Aussteller sind nur zum Teil erfolgreiche Neu-Firmen. Vor allem leisten sich diejenigen einen teuren Stand, die Unternehmensgründer mit Subventionen fördern oder - wichtiger noch - mit ihnen Geschäfte machen wollen.

So befinden sich unter den über 200 Ausstellern vor allem Banken, Sparkassen und Versicherungen. Dazu zahlreiche bürokratische Einrichtungen, mit deren Existenz sich der Firmengründer schon einmal vertraut machen kann, wie der Bundesagentur für Außenhandel oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

Dazu die vielen staatlichen und halbstaatlichen Institutionen, die zum berüchtigten "Förderdschungel" zusammengewachsen sind: die Landesagentur für Struktur und Arbeit, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die Wirtschaftsförderungsgesellschaften von Ländern und Kommunen zum Beispiel.

"Förderdschungel"? Matthias von Bismarck-Osten bestreitet, daß es den überhaupt noch gibt. Bismarck-Osten ist der Generalbevollmächtigte der Investitionsbank Berlin (IBB) und spricht auf der Pressekonferenz zur Eröffnung der "deGUT". Er schildert, wie straff die Wirtschaftsförderung im Land Berlin gebündelt worden sei. Wie zum unfreiwilligen Gegenbeweis rattert er dann jedoch die neuen Förderkategorien und -institutionen so schnell durch, daß es unmöglich ist mitzuschreiben. "Wir kommen weg vom Förderdschungel", faßt Bismarck-Osten nach diesem Wortschwall zufrieden zusammen, als habe er sich selbst gar nicht zugehört.

Ihm schließt sich Dietrich Suhlrie an. Auch Suhlrie ist im "Existenzgründergeschäft" tätig, er ist Leiter des Kreditsekretariats der KfW. "Unsere Förderstruktur ist exzellent", gibt sich Suhlrie überzeugt und beweist dies mit Umfragen unter Unternehmensgründern. Ergebnis: Unternehmensgründer, denen Suhlrie einen Kredit gegeben hat, haben sich mehrheitlich positiv über die Gaben geäußert.

Dann geißelt er die mangelnde Risikobereitschaft. "Wir hätten eine viel höhere Selbständigenquote - sogar eine höhere als in den USA - wenn wir risikobereiter wären", prognostiziert er. Weil es aber zu wenig Unternehmergeist gebe, sei Deutschland nur im Mittelfeld. Verglichen mit 1998 sei die Zahl der Gründungen im Technologiebereich sogar um 30 Prozent gesunken.

Ein Land verschläft seine Zukunft. Trotzdem zweifelt Suhlrie nicht an der Richtigkeit seines Handelns: "Selbstverständlich müssen wir die Förderung beibehalten", sagt er. Es wäre beispiellos, wenn er etwas anderes forderte.

Das ganze engmaschige Netz von Fördermöglichkeiten ist für Frauen wie Angela Giellert und ihre Freundin Anke Meiswinkel konzipiert. Die beiden Kochlehrerinnen haben sich 2002 mit einem Kochstudio selbständig gemacht.

Meiswinkel war früher beim Stromversorger Bewag angestellt. "Wenn man die 40 längst überschritten hat und noch mal etwas neues machen will, dann muß man sich schon Mühe geben", sagt sie. Sie hat sich ein Herz genommen, ist zur "deGUT" gegangen und hat dort so viel Zuspruch zu ihrer Geschäftidee erfahren, daß sie sich endlich getraut hat.

In ihr Studio "Cookeria" kommen Gruppen und Grüppchen, die in der Großküche zusammen kochen. Freunde, Arbeitskollegen oder Geschäftspartner lernen sich beim gemeinsamen Gemüse putzen, kleinschneiden und vertilgen besser kennen und müssen hinterher nicht einmal abwaschen - so sieht das Geschäftskonzept aus.

Seit 2004 schreibt die "Cookeria" schwarze Zahlen. Den übergroßen Teil des Startkapitals in Höhe von insgesamt 135000 Euro hat die KfW beigesteuert. Eine Investition, die sich jetzt auszahlt - auch für die mittlerweile neun Angestellten (darunter Teilzeit und Minijob).

Trotzdem bleibt die bisherige Wirtschaftsförderung in der Kritik. Marode Firmen würden mit dem Geld der Steuerzahler - darunter auch der erfolgreich arbeitenden Konkurrenz - über Wasser gehalten, wird eingeworfen. Jungunternehmern werde gegenüber etablierten Firmen so ein unbotmäßiger Vorteil verschafft, der Wettbewerb auf hart umkämpften Märkten mit Hilfe von Staatsgeldern verzerrt.

Es lassen sich in der Tat zahlreiche Argumente gegen die Subventionierung der Wirtschaft finden. Eine deutliche Sprache sprechen die nackten Zahlen. Berlin, eine Stadt mit überdurchschnittlich vielen Selbständigen, registrierte 2005 44015 Gewerbeanmeldungen.

Darunter befinden sich 8341 Gründer, die Überbrückungsgeld, und 6316, die Existenzgründungszuschuß (Ich AG) erhalten haben. In 88 weiteren Fällen wurden Zuschüsse bewilligt. Es wurden also nicht einmal 15000 Projekte unterstützt. Oder mit anderen Worten: Auf jede Unternehmensgründung, die staatlich gefördert wurde, kamen zwei Firmengründer, die es ohne solche Hilfe versucht haben. Am Ende zählt nämlich immer eins: die Idee muß stimmen, nicht das Förderprogramm. In Berlin meldeten sich im selben Zeitraum 2005 übrigens 32833 Gewerbetreibende wieder ab.

Noch trüber ist die Lage in Brandenburg. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen sank von über 30000 auf nur noch 26310. Hier waren annähernd 12000 Firmengründer auf staatliche Unterstützung angewiesen.

"Vielen Deutschen fehlt der Mut zum Risiko": Berliner Gründermesse deGUT will den Pioniergeist anfachen Foto: deGUT


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