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01.04.06 / Eine Legende unter weißen Segeln / Die "Sea Cloud" feiert 75. Geburtstag - Die ehemalige Privatyacht kreuzt heute mit Touristen durch die Weltmeere

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. April 2006

Eine Legende unter weißen Segeln
Die "Sea Cloud" feiert 75. Geburtstag - Die ehemalige Privatyacht kreuzt heute mit Touristen durch die Weltmeere
von Angelika Fischer

Die legendäre Viermastbark "Sea Cloud" feiert in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag. Das schönste Geschenk erhielt die stolze Lady unter weißen Segeln vom "Berlitz Cruise Guide", in dessen aktueller Ausgabe sie erneut unter den "Top Ten" der besten Kreuzfahrtschiffe der Welt gelistet wird. Dazu ihr Eigner, der Hamburger Reeder Hermann Ebel: "Diese hervorragende Bewertung bestätigt das Urteil unserer Passagiere, die sich an Bord wie Gäste auf einer privaten Luxusyacht fühlen." Als solche wurde der prächtige Windjammer vor 75 Jahren auf der Krupp Germania Werft in Kiel auch gebaut und erlebte er danach ein ebenso glorreiches wie wechselvolles Schicksal voller Höhen und Tiefen: Vom Treffpunkt der Reichen und Schönen, gekrönter und ungekrönter Häupter wurde das Schiff im Zweiten Weltkrieg zur mastenlosen Wetterstation, führte danach ein dubioses Leben als Spielplatz eines mittelamerikanischen Diktatoren-Clans, wurde zum Transporter eines illegal außer Landes gebrachten Staatsschatzes und zerschellte fast an juristischen und finanziellen Klippen, ehe es 1979 liebevoll restauriert und zum Kreuzfahrtschiff umgebaut wurde. Die Geschichte der "Sea Cloud" hätte sich kein Hollywood-Drehbuchautor spannender ausdenken können ...

 

Der Anblick prägt sich unauslöschlich ein: Da liegt eine der letzten gewaltigen Viermastbarken an der Pier: Kein Museumsschiff - sondern segelklar. In elegantem Bogen schwingt sich der schneeweiße schlanke Rumpf vom Heck zum Bug mit dem mächtigen vergoldeten Adler, der schon jetzt über die Wellen zu fliegen scheint. Edles Holz, Mahagoni und Teak, blankes Messing, schwere Trossen und unzählige Taue bestimmen das Bild. Die starken und doch grazilen Masten mit den gerefften Segeln ragen kirchturmhoch in den Himmel, am Flaggstock weht die Fahne mit dem weißen Malteserkreuz auf rotem Grund.

Die Tochter der ersten Eigner, Dina Merrill, die einen Teil ihrer Kindheit an Bord verbrachte, drückte es einmal so aus: "Stets habe ich dieses Schiff als den anmutigsten und schönsten Großsegler der Welt empfunden." Wer wollte dem widersprechen?

Ihre Eltern, Marjorie Merriweather Post und Edward F. Hutton, einer der reichsten und erfolgreichsten Makler der Wall Street, ließen es bauen. Als Erbin eines immensen amerikanischen Vermögens machte Marjorie dieses wahre Traumschiff zum glanzvollen Treffpunkt gekrönter Häupter und des Geldadels. Gebaut wurde die Superyacht 1931 auf der Germania-Werft in Kiel und auf den Namen "Hussar" getauft.

Mindestens zwei Jahre lang widmete sich Lady Marjorie fast ausschließlich der Aufgabe, das Schiff standesgemäß und ganz nach ihren persönlichen Vorstellungen einzurichten, wobei, wie immer in ihrem Leben, Geld keine Rolle spielte ... Noch heute, nach einem Dreivierteljahrhundert, ist in den beiden Eignerkabinen No. 1 und No. 2 Marjories Wunsch zu spüren, sich hier ihr eigenes luxuriöses Reich zu schaffen, ihr Zuhause auf See. Nur das Edelste und Beste war gut genug: Kamin und Bad aus weißem Carrara-Marmor mit vergoldeten Schwanenhälsen als Armaturen, Stuckdecken, ein raumhoher venezianischer Ankleidespiegel, Kronleuchter aus Murano, kostbare echte Louis-Philippe-Stühle und ein elegantes französisches Bett in altweißem Schleiflack. Von Natur aus eine leidenschaftliche Sammlerin, erstreckte sich Marjories Begeisterung nicht nur auf Antiquitäten - sie genoß es ebenso, Prominenz und gekrönte Häupter zu "sammeln". Zu ihren Gästen an Bord zählten König Gustav von Schweden, Königin Elisabeth von Belgien sowie der norwegische König Haakon, dessen Gemahlin Maud bei ihrem Besuch ausrief: "Marjorie, Sie leben wie eine Königin!"

Doch das süße Leben unter weißen Segeln wurde schon bald überschattet: Die Ehe von Marjorie und Ed Hutton geriet in eine Krise, im August 1935 trennte sich das Paar. Einen Tag nach der Scheidung überschrieb Hutton das Schiff auf den Namen seiner Exfrau, die es als eine Art Schlußstrich unter ihre gescheiterte Ehe unter einem neuen Namen registrieren ließ: Aus der "Hussar" wurde die "Sea Cloud".

Schnell fand Marjorie Trost bei ihrem alten Freund Joseph E. Davies, den sie knapp vier Monate nach ihrer Scheidung ehelichte. Er war ein erfolgreicher Anwalt und enger Freund Präsident

Franklin D. Roosevelts, der ihm 1936 den Botschafterposten in Moskau anbot. Eine Position ganz nach dem Geschmack von Mrs. Davies: Hatte die Bewunderung bis dato der reichen Erbin und attraktiven Frau gegolten, kam jetzt die Ehrerbietung für die Gattin des US-amerikanischen Botschafters hinzu. Auch auf die "Sea Cloud" warteten neue, höhere Aufgaben: 1937 wurde sie als schwimmende (und abhörsichere) Diplomatenresidenz nach Leningrad und ins Schwarze Meer beordert. Das Botschafterehepaar lud die Sowjetprominenz der Stalinära zu prächtigen Dinnerpartys an Bord ein, was diese zum willkommenen Anlaß nahm, die Dekadenz des westlichen Luxuslebens intensiv zu studieren ...

Der Zweite Weltkrieg warf seine Schatten voraus: Im Juni 1938 nahmen der Botschafter und die "Sea Cloud" Abschied von der UdSSR und dem Schwarzen Meer, das nach Sichtung feindlicher U-Boote zu gefährlich geworden war. 1941, nach Kriegseintritt der USA, begann die Navy, Privatyachten für die Verstärkung der Flotte zu akquirieren. Zwar hatte Präsident Roosevelt als Freund der Familie den "Kriegsdienst" der "Sea Cloud" zunächst abgelehnt mit der Begründung, sie sei dafür viel zu schön ... Aber 1942 konnten sich auch die USA ästhetische Kategorien dieser Art nicht mehr leisten. Für die symbolische Charter von einem Dollar übernahm die Coast Guard das Schiff, demontierte die Masten und den Bugspriet, ließ es grau anstreichen und rüstete es mit Geschützen und Anti-U-Boot-Waffen aus. Unter dem Namen "IX-99" kreuzte es in den folgenden zweieinhalb Jahren im Seegebiet zwischen Grönland und den Azoren und funkte als schwimmende Wetterstation alle vier Stunden aktuelle Daten nach Arlington in Virginia. Noch heute zeugt an der Stirnseite des Ruderhauses unterhalb der Brücke eine kleine weiße Tafel mit fünf Messingwinkeln von diesem Kapitel Zeitgeschichte: Jeder Winkel steht für ein halbes Jahr aktiven Kriegsdienst für die Vereinigten Staaten von Amerika.

Während alle anderen Yachteigner ihre Schiffe im Krieg verloren oder an die Navy verkauft hatten, war die "Sea Cloud" nach Kriegsende das einzige private Schiff dieser Größe, das sich noch in Fahrt befand. 1946 wurde die Bark Mr. und Mrs. Davies offiziell zurückgegeben, wieder weiß gestrichen und mit dem goldenen Adler am Bug verziert. Im Jahr darauf wurde die Takellage neu errichtet, 1949 endlich erhielt sie einen Satz neuer Segel, die so kurz nach dem Krieg selbst für Millionäre schwer zu bekommen waren. Insgesamt dauerte es also fast vier Jahre, bis die "Sea Cloud" in alter Pracht wiederhergestellt war. Voller Aufregung erwarteten Joe und Marjorie in Palm Beach von der obersten Etage ihres Hotels aus die Rückkehr ihres geliebten Schiffes. Als es schließlich unter vollem Zeug am Horizont auftauchte, nahm Joe die Hand seiner Frau und sagte: "Well Dear, there goes your Baby!"

Mrs. Davies machte sich umgehend daran, ihr "Baby" und sich wieder in den gesellschaftlichen Mittelpunkt zu manövrieren. Die "Sea Cloud" kreuzte von nun an zumeist vor der amerikanischen Ostküste und in karibischen Gewässern. Gelegenheit genug für Mr. Davies, alte diplomatische Freundschaften zu pflegen, etwa zu dem Diktator der Dominikanischen Republik, Rafael Leonidas Trujillo. Häufiger als alle anderen gab dieser Gastspiele an Bord und hatte schon damals ein höchst begehrliches Auge auf die Yacht geworfen. Währenddessen kam die mittlerweile 68jährige Marjorie zu dem Schluß, sie könne die Luxusyacht nicht länger halten - die Kosten für die 72 Mann Besatzung waren ins Unermeßliche gestiegen, und ihre Ehe mit Joe Davies stand kurz vor der Scheidung. So beschloß sie schweren Herzens, das Schiff zu verkaufen, was 1955 auch geschah: Käufer war kein anderer als Trujillo, der es sofort umtaufte in "Angelita".

Auf der vorwiegend als Hausboot genutzten Präsidentenyacht wurden nun ausgelassene Partys gefeiert, bei denen Hollywood-Stars wie Joan Collins, Kim Novak und Zsa Zsa Gabor für Glanz und Glamour sorgten. In die Schlagzeilen der Weltpresse geriet das Schiff sechs Jahre später, nachdem Trujillo im Mai 1961 erschossen worden war. Während das Land von einer Revolution erschüttert wurde, segelte die "Angelita" mit der Leiche des Diktators, einem Teil seines Clans sowie der Staatskasse an Bord in Richtung französische Riviera. Kurz vor den Kanarischen Inseln erreichte das Schiff ein Funkspruch: Die neue Regierung zwang die Besatzung zur Rückkehr und benannte das Erbstück des Diktators um in "Patria".

Es folgte ein eher dunkles und verworrenes Kapitel: Nach dem Verkauf an eine US-amerikanische Firma mit Sitz in Panama erneut umgetauft in "Antarna", landete die Bark schließlich nach einigen Irrfahrten und Rechtsstreitigkeiten im Hafen von Colón. Acht Jahre lang lag sie dort vor Anker, schutzlos der tropischen Witterung ausgeliefert, was selbst für eine so stabil gebaute Yacht eine harte Bewährungsprobe darstellt. Doch obwohl nicht mehr "im Geschäft", war sie bei Liebhabern stolzer Segelschiffe keineswegs vergessen. Einer von ihnen war der deutsche Kapitän Hartmut Paschberg. Er erkannte, daß trotz aller Mängel und Schäden das Schiff eine gute Chance hatte, noch einmal "wachgeküßt" und zu neuem Leben erweckt zu werden. Gemeinsam mit einer Gruppe Hamburger Kaufleute erwarb er die Yacht und gab ihr als erstes ihren zweiten Namen zurück: "Sea Cloud".

Doch das härteste Stück Arbeit stand Kapitän Paschberg noch bevor: Er mußte seine Neuerwerbung über den Atlantik holen ... Im Sommer 1978 flogen 40 Unternehmungslustige zusammen mit ihm nach Panama, wo sie zusammen mit einheimischen Arbeitern die nächsten drei Monate schufteten, um das verrottete Schiff halbwegs seetüchtig zu machen. Im Oktober hieß es dann "Leinen los!", die "Sea Cloud" nahm Kurs auf Europa und lief am 15. November 1978 im Hamburger Hafen ein, wo sie von vielen Tausend Menschen begeistert begrüßt wurde.

Bei näherem Hinsehen war den neuen Eignern schnell klar, daß sie noch erheblich mehr Geld investieren mußten als ursprünglich geplant. Im Februar 1979 wurde das Schiff durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Kiel verholt und kam so nach 48 Jahren zum ersten Mal wieder zurück an die Stätte seiner "Geburt": die Howaldtswerke Deutsche Werft AG, Nachfolgerin der Germania-Werft, wo man sich mit Hochdruck an die umfangreichen Instandsetzungs- und Umbauarbeiten machte. Bereits acht Monate später konnte die "Sea Cloud" auf ihre erste Kreuzfahrt unter neuer Flagge gehen.

Heute ist die rüstige Lady wie in ihren besten Tagen auf den Weltmeeren zu Hause und bietet ihren maximal 64 zahlenden Passagieren das unvergleichliche Gefühl, Gast zu sein auf einer privaten Luxusyacht. Die Routen führen in den Sommermonaten durchs Mittelmeer, im Winter durch die Karibik. Im Jubiläumsjahr wird erstmalig auch wieder das Schwarze Meer angesteuert. Die Kreuzfahrt vom 3. bis zum 11. Juli 2006 führt von Istanbul nach Jalta, Sewastopol, Odessa, Varna, Nessebur und zurück nach Istanbul. Zur Feier des 75. Geburtstages werden alle Passagiere in Odessa zu einem Klassik-Abend in einem historischen Palais eingeladen. Die Jubiläumsreise ist buchbar ab 3470 Euro pro Person, zuzüglich Hin- und Rückflug mit Lufthansa ab / bis Frankfurt inklusive Transfers für 595 Euro pro Person. Buchung im Reisebüro oder direkt bei Sea Cloud Cruises, Ballindamm 17, 20095 Hamburg, Telefon (0 40) 30 95 92 50, Fax (0 40) 30 95 92 22. Weitere Infos im Internet unter www.seacloud.com.

Stolzer Anblick: Die "Sea Cloud" mit vollen Segeln auf großer Fahrt und ihre langjährige Besitzerin Lady Marjorie (kleines Foto) Foto: Sea Cloud Cruises

Heute noch in Betrieb: Der Original-Maschinentelegraph

 

Steckbrief einer Luxusyacht

Schiffstyp:.......................................................................................Viermastbark

Bauwerft:.................................................Fried. Krupp Germaniawerft, Kiel

Jahr der Indienststellung:............................................................................1931

Vermessung:......................................................2492 BRZ (Bruttoraumzahl)

Wasserverdrängung:....................................................................3075 Tonnen

Länge über alles:............................................................................109,50 Meter

Länge des Rumpfes:........................................................................96,10 Meter

Länge Wasserlinie:...........................................................................77,20 Meter

Breite (auf Spanten):.......................................................................14,94 Meter

Seitenhöhe (bis Hauptdeck):.........................................................8,53 Meter

Tiefgang:................................................................................................5,13 Meter

Höhe des Hauptmastes (über Deck):........................................54,20 Meter

Gewicht der Takelage:..........................................................rund 110 Tonnen

Segelfläche:...........................................30 Segel mit 3000 Quadratmetern

Antrieb:...........................................zwei SKL-Dieselmotoren mit 3000 PS

Geschwindigkeit unter Motor:............................................rund 12 Knoten

Kabinen:.................................................................................................................32

Maximale Passagieranzahl:............................................................................64

Besatzung:................................................................................................60 Mann


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