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08.04.06 / Ohne familiären Anker / Frank Schirrmacher über die Probleme der Jungen der Zukunft

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. April 2006

Ohne familiären Anker
Frank Schirrmacher über die Probleme der Jungen der Zukunft

In den letzten Wochen wurde in den deutschen Medien viel über das neue Buch des Mitherausgebers der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Frank Schirrmacher geredet und geschrieben. Dabei war vor allem von seiner einfaltsreichen Einleitung zu "Minimum - Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft" zu lesen. Der Fall eines Siedlertrecks, der 1846 in der Sierra Nevada am Donner-Paß im Schnee steckenblieb und mehrere Monate eingeschneit um sein Überleben kämpfen mußte, ist für den Autoren eine Warnung für unsere Gesellschaft der Zukunft. Das besondere am Donner-Paß war nämlich, daß nicht wie erwartet die jungen Single-Männer überlebt haben, sondern jene reisenden Siedler, die im Familienverbund unterwegs waren, was eine Erkenntnis darstellt, die für unsere kinderlose Gesellschaft eine Tragödie vorausdeutet.

Welche Folgen eine Gesellschaft ohne Kinder für Deutschland hat, stellt Schirrmacher durchaus nicht nur aus wirtschaftlicher und rentenpolitischer Sicht dar. Für ihn geht es vielmehr um soziale Kontakte und menschliche Nähe. Zuwanderung ist für Schirrmacher keine Lösung des keineswegs nur deutschen Problems. Was bei den Heimatvertriebenen geglückt sei, sei bei nicht integrationswilligen Menschen aus fremden Kulturkreisen nicht selbstverständlich. "Der Integrationsprozeß der Flüchtlinge - die in einigen Gebieten ähnlich unbeliebt waren wie heutige Einwanderer - war mit dem Willen und der Chance zur gesellschaftlichen Karriere verbunden. An ihnen läßt sich ablesen, welche Dynamik eine ehrgeizige Zuwanderung auslösen kann - vorausgesetzt, man ist zur Integration bereit."

Schon mit "Das Methusalem-Komplott" hat der 46jährige Autor nicht nur einen Bestseller vorgelegt, sondern eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst. Während es in seinem 2004 erschienen Buch um die Probleme der Alten der Zukunft geht, geht es in "Minimum" um die Jungen der Zukunft, die neben wirtschaftlichen Problemen, erschreckend hohen Staatsschulden und einem immer löchigeren Netz auch keine familiären Bindungen mehr haben. Denn nicht nur der - leider zu schemenhaft erzählte - Donner-Paß, sondern auch zahlreiche andere angeführte, sehr plastische Beispiele zeigen, daß in größter Not die Familie die letzte Rettung ist.

Die Schuld daran trügen die Menschen, die in den 70er und 80er Jahren auf das Kinderkriegen verzichtet haben. "Da aber immer weniger Kinder nachkamen und gleichzeitig, wegen der Opfer der zwei Weltkriege, die Gruppe der Älteren klein und überschaubar war, sparte die Gesellschaft Kosten ein ..., und zwar, ohne recht zu merken, warum. Tragischerweise glaubten die Deutschen damals, sie selber hätten diesen Aufschwung verursacht", doch in Wahrheit zapften sie die Tanks der Zukunft an.

Heute wird immer wieder betont, daß man aufgrund der hohen Kosten und der schlechten Zukunftsaussichten sich keine Kinder leisten könne. Schirrmacher weist zurecht darauf hin, daß die Deutschen erstaunlicherweise zwischen 1970 und 1990, als Deutschland einer der reichsten und sichersten Staaten der Erde war, durch Geburtenstreik die demographische Krise von heute erst verursacht haben.

"Minimum" zeichnet genau wie "Das Methusalem-Komplott" eine ziemlich düstere Zukunft. Da der Autor anhand vieler Beispiele seine Thesen untermauert, überläuft vor allem die betroffenen jüngeren Menschen immer wieder ein Schauer. Schirrmacher verdeutlicht wie kinderfeindlich Deutschland ist, wie selbst in Vorabend-Serien kaum Kinder vorkommen und den Menschen es so als schick präsentiert wird, ungebunden zu sein.

In der Zukunft, wenn alte Menschen die Gesellschaft dominieren, wird es laut Schirrmacher die Frau sein, um die sich alles dreht: Als junge Frau könne sie als Mutter, berufstätige Frau und pflegende Tochter gleich mehrere entstehende Lücken füllen. Großmütter können die jungen Frauen vor absoluter Überforderung schützen. Ob dies jedoch eine schöne Zukunftsperspektive ist, ist anzuzweifeln.

Auch die Aussicht, daß in etwa zehn Jahren "das große Erben" ansteht, stellt Schirrmacher eindeutig als Horrorszenario dar. Denn die meisten Menschen erben nicht nur durch den Tod ihrer älteren Angehörigen Geld und Immobilien, sie verlieren auch Bezugspersonen. Da viele von der Erbengeneration keine Kinder haben, bleiben sie allein zurück.

Auch wenn Schirrmacher manchmal ein wenig oberlehrerhaft auftritt, zu Verallgemeinerungen neigt und offenbar auch Vergnügen daran hat, die düstere Zukunft jetzt schon greifbar zu machen, ist "Minimum" Pflichtlektüre. Und jene, die Geschwister, Cousinen, Cousins und Kinder haben, sind froh über jede anverwandte Hand, die sie für die Zukunft als Rettungsanker greifen können. Gnade denen, die ohne sind. Rebecca Bellano

Frank Schirrmacher: "Minimum - Vom Vergehen und Neuenstehen unserer Gemeinschaft", Blessing, München 2006, geb., 185 Seiten, 16 Euro


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