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15.04.06 / Hauptstadt-Union macht sich Mut / Müder Wahlkampfauftakt: Friedbert Pflüger offiziell zum CDU-Spitzenkandidaten im September nominiert - Glücksfall "Rütli"-Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. April 2006

Hauptstadt-Union macht sich Mut
Müder Wahlkampfauftakt: Friedbert Pflüger offiziell zum CDU-Spitzenkandidaten im September nominiert - Glücksfall "Rütli"-Krise
von M. Schleusener

Am Anfang wird ein Kurzfilm aus der Adenauer-Zeit eingespielt, schwarzweiß natürlich. Der Wahlkampfspot handelt von einem Herrn Schmitz, der früher übles Kraut rauchen mußte und Fahrrad fuhr. Jetzt qualmt er beste Havannas und fährt Motorroller. Und Urlaub macht er - Adenauer sei dank - auch: "Nun fährt er mit stabilem Geld - hochgeschätzt in alle Welt."

Nur die Miesmacher von der SPD wollen eine politische Wende herbeiführen, so geht der Film weiter. Da kreuzt Herr Schmitz natürlich lieber den Adenauer an. Einen Zusammenhang des Kurzfilms mit der Berliner Landtagswahl im September gibt es nicht. Das Filmchen war ja auch gerade nicht dazu gemacht worden, um Wechselstimmung zu entfachen. Daher wirkt der Uralt-Wahlspot ziemlich deplaziert auf dem Parteitag der oppositionellen Hauptstadt-Union, der Friedbert Pflüger offiziell zum Spitzenkandidat nominieren soll.

Trotzdem gibt sich die CDU große Mühe, Optimismus zu versprühen. Die glücklosen Berliner Christdemokraten setzen auf Hilfe von oben, von der Kanzlerin. Die übermüdete Regierungschefin wird heftig umjubelt, als sie vor die Parteidelegierten in Berlin-Mitte tritt. "Die CDU muß auch im Osten eine Chance haben, Volkspartei zu sein", fordert sie von ihren Parteifreunden.

Der Parteitag trifft sich im "Babylon", einem ausgemachten Szenekino. Nebenan sind die Volksbühne und das Hauptquartier der Linkspartei. Im Foyer prangt eine Metallplatte: "Zum Gedenken an den antifaschistischen Widerstandskämpfer Rudolf Lunau. Er richtete 1933-34 in diesem Kino einen Stützpunkt für die illegale Arbeit einer Widerstandsgruppe der KPD ein."

Ihre Rede eröffnet die Kanzlerin mit den schillernden Worten: "Ich war früher oft hier, aber nicht wegen der Politik - und schon gar nicht wegen der CDU." Als Mitarbeiterin der Akademie der Wissenschaften hatte sie zu DDR-Zeiten ganz in der Nähe im Prenzlauer Berg ihre erste eigene Wohnung gehabt.

Was die Chancen der Union angeht, so versucht Merkel ihren Parteifreunden Mut zu machen. Die Wähler seien immer weniger an Parteien gebunden, das nütze der oppositionellen CDU, argumentiert sie. Um dann Sachsen-Anhalts Wolfgang Böhmer als leuchtendes Beispiel für erfolgreiche Politik anzupreisen.

Obwohl dessen Regierungskoalition gerade abgewählt wurde und Böhmer für die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in den Neuen Ländern verantwortlich ist, frohlockt Merkel: "So wie Böhmer das in Sachsen-Anhalt geschafft hat, so können Sie das auch schaffen." Spricht's und verschwindet wieder.

Dann gibt es den nächsten Kurzfilm, diesmal aus der Gegenwart. Dort ergreifen Landesväter wie Hamburgs Ole von Beust und Niedersachsens Christian Wulff das Wort für Pflüger. Georg Milbradt aus Sachsen fordert stilistisch fragwürdig: "Berlin braucht einen neuen Schwung." Und Hessens Roland Koch schmettert: "Er ist ein Supertyp. "Pflüger, dessen Gesicht in Großformat an den Seiten der Bühne prangt, hat nur ein Thema: Rütli-Schule. Genauer gesagt: Er hat auch andere Themen, aber die werden lustlos goutiert. Die Stellen über die Finanzprobleme der Stadt in seiner 32seitigen Rede läßt er lieber gleich aus.

Nach mehr als einer Stunde ist er fertig. Der Parteitag schreitet zur Wahl. Pflüger und seine Freundin, die er demnächst ehelichen will, sitzen händchenhaltend in der ersten Reihe. Das Ergebnis: Der Niedersachse wird mit sechs Gegenstimmen zum Herausforderer von Klaus Wowereit ernannt.

Jubel bricht sich Bahn, die Nationalhymne erklingt. Für einige Delegierte ist das nichts. Ein halbes Dutzend von ihnen steht schon auf dem U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz und wartet auf die Bahn. Als im Saal Hoffmann von Fallerslebens dritte Strophe gesungen wird, haben sie schnell ihre Sachen gepackt - unter ihnen Sabine Bergmann-Pohl, die letzte Präsidentin der DDR-Volkskammer. "Aber es war schon ein gutes Ergebnis, das war 97 Prozent Zustimmung", hat eine Delegierte, die jetzt am Rosa-Luxemburg-Platz auf ihre U-Bahn wartet, bereits errechnet.


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