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15.04.06 / Das Gesetz ist tot! / Französische Regierung beugt sich dem Druck der Massen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. April 2006

Das Gesetz ist tot!
Französische Regierung beugt sich dem Druck der Massen
von Jean-Paul Picaper

Das Ziel ist, daß der CPE tot und begraben ist." Dieses Ziel haben die Gewerkschaften und Studenten in Frankreich nun erreicht. Nach wochenlangen Protesten nahm die französische Regierung die bereits beschlossene Lockerung des Kündigungsschutzes (CPE genannt) für junge Arbeitnehmer zurück und ersetzt es durch eine Berufsförderung benachteiligter Jugendlicher.

Gegen den CPE, den Premierminister Dominique de Villepin im Eilverfahren durchs Parlament gebracht hatte, waren Millionen Franzosen in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen.

"Drei Millionen Demonstranten! Generalstreik!" Einer, den wir hier nicht nennen, hat behauptet, daß man eine Lüge so viele Male wiederholen muß, bis sie zu einer Wahrheit wird. Drei Wochen lang vor und nach dem 28. März haben die Anführer der französischen Gewerkschaften und der studentischen "Koordination" sowie die sozialistischen und kommunistischen Abgeordneten in der Nationalversammlung diese Behauptung wiederholt. Die ausländischen Medien haben sie ungeprüft übernommen. Sie wurde dadurch nicht wahrer.

Knapp über eine Million Demonstranten konnten die Gewerkschaftsbosse auf die Straßen bringen. Eine gewaltige Zahl! Aber davon waren 80 bis 90 Prozent Schüler und Studenten. An Streiks gab es kurze Arbeitsunterbrechungen in einigen Wirtschaftssegmenten, meist in staatseigenen Dienstleistungen: Lehrerschaft, Schienen- und Bustransporte, Abfertigung an Flughäfen und öffentliche Medienanstalten. Sie nahmen beim letzten Großaktionstag am 28. März deutlich ab, während die Zahl der jungen Demonstranten stabil blieb. Bei den Verkehrsbetrieben waren die Arbeitspausen so geringfügig, daß Studenten und Schüler Autobahnen und Bahngleise blockieren mußten, um den Verkehr einigermaßen zu behindern. Ähnlich wurde der Zutritt von vielen Universitäten und Gymnasien, den Lernwilligen von kleinen Streikposten verwehrt.

In erster Linie ging eine Nostalgiewelle durch das Land. "Nostalgie", weil aktionistische Minderheiten die stille Mehrheit unter Druck gesetzt und die öffentliche Meinung medial beeinflußt haben, um ihre Vorstellung einer Gesellschaft mit lauter Staatsbetrieben ohne Verfallsdatum, mit unkündbaren Arbeitsstellen, immer kürzeren Arbeitszeiten, garantiert steigenden Löhnen und eines von den "Reichen" finanzierten Wohlfahrtsstaates durchzusetzen. Bei der Verteidigung dieser Antiquität hat ein Teil der Jugend Revolutionserfahrungen gesammelt. Währenddessen machte sich der Finanzexperte der Sozialisten, Dominique Strauss-Kahn, für einen "Übergangsvertrag zur Arbeit" stark, der ähnlich wie das "Eva"-Projekt seiner Genossin Martine Aubry eine Grundbezahlung für alle arbeitenden und nicht arbeitenden Jugendlichen vorsieht. Woher soll das Geld kommen? Beim Ersteinstellungsvertrag für die Jugend, dem so genannten CPE des Premierminister de Villepin, sollte wenigstens der Arbeitgeber bezahlen. Der Steuerzahler hätte nur bei Entlassung des Betroffenen geholfen.

Teile der Jugend, vor allem Mädchen, waren sehr aufgebracht und spielten angelesene Revolutionen nach: 1789-92, die Pariser Kommune 1970, 1917, "Cuba libre" und "Mai 68". Die französische Jugend neigt wie die Jugend überall auf der Welt zum romantischen Fanatismus, das wußten die Drahtzieher. Sie hatten diese jungen Menschen als Manövriermasse mißbraucht, um die Regierungsmacht zurückzuerobern, denn sie haben die Präsidial- und Parlamentswahlen vom Mai 2007 im Visier.

Frankreichs Regierung hat sich jetzt dem Diktat der Straße gebeugt. Im Januar beurteilten noch fast zwei Drittel der Franzosen dieses Gesetz als zur Arbeitsbeschaffung geeignet. Es verbreitet sich das Gerücht, daß die Studenten jetzt gegen die Interessen der Jugend der unterprivilegierten Bezirke demonstrierten. Dort ist man bereit, jede Arbeit, sei sie auch noch so prekär, dankbar anzunehmen.

Doch an diese jungen Leute dachte der Chef der wichtigsten und linken Studentengewerkschaft UNEF und Mitglied der Sozialistischen Partei PS (vorübergehend davon beurlaubt), Bruno Julliard, nicht. Dies ist seine Stunde, sein Triumph, er ist sich seiner großen Karriere in der PS sicher. Dabei zeigte ein Zwischenfall, daß nicht alle seine Meinung teilen. Im Departement Haute-Loire versuchte ein Bürgermeister einen Kreisverkehrspunkt von den Gymnasiasten zu befreien, die ihn mit einem Sitzstreik blockierten. Er bat Frau Arlette Arnaud-Landau, seine Kollegin aus der größeren Nachbarstadt, Puy en Velay, um Hilfe. Sie kam und las den Schülern energisch die Leviten: "Sie hindern die Menschen daran arbeiten zu gehen und die öffentlichen Dienste, ihre Aufgabe zu erfüllen", sagte sie. Die Bürgermeisterin Arnaud-Landau ist Mitglied der sozialistischen Partei PS und Mutter. Sie ist die Mutter von Bruno Julliard.

Für beide Seiten im Kampf um das CPE galt es, das Gesicht zu wahren, wobei die Gewerkschaften versuchten, der Regierungsseite den größeren Image-Schaden zuzufügen, indem sie nach wie vor eine bedingungslose Rücknahme des CPE forderten. Die Regierungsseite versuchte ihrerseits mit Hinhaltetaktik Zeit zu gewinnen, bis die Demonstrantenfüße müde werden. Doch dem war nicht so. Und jetzt hat sich die französische Regierung durch ihr Nachgeben völlig zum Narren gemacht.

Doch war das wirklich nötig? Professor Jacques Marseille, Historiker und Volkswirt, hebt hervor, daß die Arbeitslosenrate unter den Jugendlichen, wenn man die ganze "Jugendgeneration", Studenten inbegriffen, betrachtet, nicht bei 23 Prozent schwebt, sondern wie in der übrigen Bevölkerung im Durchschnitt bei 9 Prozent bis 10 Prozent liegt. Die überhöhte Zahl ergibt sich daraus, daß man die Jugendlichen mitrechnet, die nach der Lehre relativ kurze Zeit auf Arbeitssuche sind. Die Regierung, meint der Professor, hat auch die Schwierigkeiten der jungen Diplomierten, einen Job zu finden, überschätzt. Drei Jahre nach dem Diplom haben 70 Prozent von ihnen einen befristeten, erneuerbaren Arbeitsvertrag. Probleme gibt es allerdings für die 150000 Jugendlichen, die Schule und Lehre nicht abschließen. Für diese wäre der CPE eine Lösung gewesen. Aber sicher nicht für die Studenten ...

Dieses Frankreich, wo nur 36 Prozent der Bürger die Marktwirtschaft bejahen (gegen 65 Prozent in England und Deutschland), bedarf eines grundlegenden Mentalitätswechsels und der kann nur von oben initiiert werden - doch das ist nun gescheitert. Dabei wurde das Land zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen durch die Demonstranten lahmgelegt. Es gab nur große Einbußen, insbesondere im Einzelhandel in den betroffenen Stadtzentren. Die Aufregung war zum großen Teil künstlich.

Der Studentenführer Karl Stoeckel sprach in Anbetracht der Rücknahme des CPE von einem "historischen Sieg nach einer historischen Mobilisierung". Ob dieser "historische Sieg", das Nachgeben der Regierung, positive Folgen für Frankreich hat, bleibt abzuwarten.

Sieg der Straße: Studenten haben das schon beschlossene CPE-Gesetz zur Lockerung des Kündigungsschutzes gekippt. Foto: laif


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