29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.04.06 / Jeder gegen jeden / Bürgerkriegsähnliche Zustände im Irak lähmen Wiederaufbau

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. April 2006

Jeder gegen jeden
Bürgerkriegsähnliche Zustände im Irak lähmen Wiederaufbau
von R. G. Kerschhofer

Die Glaubwürdigkeit der derzeitigen US-Regierung und die Beliebtheitswerte von Präsident Bush und Vizepräsident Cheney erreichen laut Umfragen in den USA laufend neue Negativ-Rekorde. Die Ursachen dafür haben vorwiegend mit dem Irak zu tun, nämlich mit den Verlusten der Truppe, den exorbitanten Kosten des Einsatzes, der trotzdem nicht verhinderbaren Eskalation sowie den Propagandalügen und Fehlleistungen der Geheimdienste.

Hohe Wellen schlug vorige Woche eine Wendung in jenem Untersuchungsverfahren, das durch die vorsätzliche Enttarnung einer CIA-Agentin ausgelöst wurde. Die Enttarnung war vermutlich aus Rache dafür erfolgt, daß der Gatte der Agentin, ein ehemaliger Botschafter, die US-Behauptungen über Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins und über Uran-Käufe in Niger widerlegte (vgl. dazu Folge 30/2005). Die Untersuchungen über die Enttarnung der Agentin brachten aber auch zutage, daß Geheimdienst-Material an die Medien, konkret an die Sensations-Journalistin Judith Miller, weitergegeben worden war.

Lewis Libby, der ehemalige Stabschef von Vizepräsident Cheney, sagte nun aus, die Weitergabe des Geheimdienst-Materials sei auf Anordnung von Präsident Bush erfolgt! Libby mußte seinen Posten bei Cheney aufgeben, weil er in der Enttarnungsaffäre vor Gericht falsche Aussagen gemacht hat und dafür selbst vor Gericht kommt, vermutlich Anfang 2007.

Im Irak ist eine Art Bürgerkrieg ausgebrochen, wie bemerkenswerterweise auch der von den USA abhängige ägyptische Präsident Mubarak feststellte. Der politische Sprecher des "irakischen Widerstands" Al-Kubaysi - er war bis voriges Jahr im Irak inhaftiert und bereist nun Europa - distanzierte sich zwar von den Angriffen auf religiöse Einrichtungen. Es ist aber unwahrscheinlich, daß hinter den Anschlägen auf Schiiten tatsächlich immer nur der "legendäre" Jordanier Abu Musab Al-Zarqawi oder die noch legendärere Al-Kaida stecken, wie das die USA gerne darstellen. Ebenso abwegig wäre es aber, aus der systematisch anmutenden Häufung von Gewaltakten auf eine einheitliche Führung der Rebellen zu schließen. Daß sich unter ihnen auch Nicht-Iraker befinden, steht fest, doch deren Zahl dürfte weit geringer sein als die der Söldner, die von "Sicherheitsfirmen" im Auftrag der Besatzungsmacht oder der für sie tätigen Unternehmen eingesetzt werden.

Die "Sicherheitskräfte" der irakischen Marionettenregierung beschränken sich so wie die Besatzungstruppen hauptsächlich auf die eigene Verteidigung und auf die Anwesenheit "nachher", wenn's schon "passiert" ist. Kriminelle Banden haben daher freie Hand. Daß die Lage völlig außer Kontrolle ist, manifestiert sich unter anderem an einem dramatischen Preisanstieg bei Handfeuerwaffen - die Zivilbevölkerung greift zum Selbstschutz. Am beliebtesten sind das Kalaschnikow-Sturmgewehr AK-47 und die österreichische Glock-Pistole, die in etlichen Ländern von der Exekutive verwendet wird. Der Besitz solcher Waffen sowie einer "begrenzten" Menge an Munition ist im Irak sogar erlaubt - ein Verbot könnte ohnehin keiner durchsetzen.

Indessen tauchen immer wieder Gerüchte auf, daß US-Vertreter bereits mit dem irakischen Untergrund verhandeln, um die US-Verluste zu verringern. Tatsächlich scheinen die Meldungen über US-Verluste in letzter Zeit abgenommen zu haben. Unklar bleibt allerdings, ob die Verluste abgenommen haben oder nur die Berichte darüber, ob also Zensur und Verschleierung besser funktionieren beziehungsweise ob die täglichen Schreckensmeldungen über Verluste unter der Zivilbevölkerung alles andere in den Schatten stellen.

Vier Monate nach den "ersten freien Parlamentswahlen" im Irak und fast drei Monate, nachdem die Besatzungsmacht ein "endgültiges Wahlergebnis" abgesegnet hat, gibt es noch immer kein Regierungsübereinkommen. Hauptzweck der letzten Irak-Reise von US-Außenministerin Condoleezza Rice, eskortiert von ihrem britischen Amtskollegen Jack Straw, war es daher, mehr Druck zu machen. Die Kritik von Rice am designierten Ministerpräsidenten Al-Dschaafari scheint jedoch wenig geeignet, die Bildung einer handlungsfähigen Regierung zu erleichtern. Eher dürfte sie zur Spaltung der schiitischen Allianz in einen weltlichen Flügel und einen unter Führung der Ayatollahs führen.

In dieser verfahrenen Situation sind Ablenkungsmanöver dringend gefragt - was die künstlich geschürte und völlig einseitige Erregung über das iranische Atomprogramm und über die Hamas-Regierung in Palästina erklärt. Und in beiden Fällen profilieren sich europäische Politiker als willfährige Helfer - ohne Rücksicht auf die Interessen der eigenen Bevölkerung.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren