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15.04.06 / Wer erinnert sich noch an das Osterwasserholen? / Im Unterschied zum Hasen mit seinen Eiern ist das Brauchtum um das Osterwasser weitgehend in Vergessenheit geraten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. April 2006

Wer erinnert sich noch an das Osterwasserholen?
Im Unterschied zum Hasen mit seinen Eiern ist das Brauchtum um das Osterwasser weitgehend in Vergessenheit geraten
von Manfred Müller

Osterhase und Ostereier sind als Brauchtumsbestandteile wohlbekannt. Dagegen dürfte der Brauch des Osterwasserholens weiteren Teilen unseres Volkes heute nicht mehr vertraut sein. Den Bekanntheitsgrad des Osterwasser-Brauchs überschätzten wohl schon 1943 die Herausgeber des "Deutschen Hausbuchs", das vom "Winterhilfswerk des deutschen Volkes" vertrieben wurde. Das Buch war gedacht als eine Art literarisches Schatzkästlein im Jahreskreis; Freunde der deutschen Dichtkunst mußten allerdings NS-Propagandasprüche und einzelne Texte mit NS-Tendenz hinnehmen.

Einem Ostergedicht Theodor Storms zugeordnet findet man eine Illustration, die den Brauch des Osterwasserholens abbildet, aber auf eine entsprechende Bildbeschriftung verzichtet, sicher in der Annahme, der Betrachter könne unschwer erkennen, worum es sich handelt.

Das Bild zeigt drei junge Frauen, die an einer Quelle Wasser in Krügen auffangen. Zwei der Frauen deuten mit Gesten an, daß Stillschweigen gewahrt werden soll. Der Brauchkundige weiß, daß dies ein Vorgang in der Osternacht oder am frühen Ostermorgen ist: der Brauch, der hier praktiziert wird, reicht weit zurück in vorchristliche Zeiten und ist Ausdruck eines Volksglaubens, der die Christianisierung überstanden hat.

In der Mythologie der keltischen, germanischen, slawischen und baltischen Völker kommt dem fließenden Wasser von Quellen, Bächen und Flüssen göttliche Kraft zu, die in Wasserkulten verehrt wird und die den Menschen (bei ehrfürchtiger Annäherung an das Heilige) nützlich sein kann. Die lebensspendende Kraft des Wassers ist der Fruchtbarkeit förderlich, und so wurde ein Wasserkult Bestandteil des vielfältigen Liebesbrauchtums, worauf das Osterwasserholen hindeutet.

Im 20. Jahrhundert war dieser Brauch noch in Nord- und Ostdeutschland greifbar. Zum Ostermorgen hin holten junge Mädchen und junge Frauen aus Quellen, Bächen und Flüssen Wasser. Dies mußte schweigend geschehen, um die Wirkkraft des Wassers nicht zu zerstören. Man wusch sich mit diesem Wasser in der Hoffnung, schöner zu werden, da das Osterwasser heilende Kräfte besaß und Hautkrankheiten, Sommersprossen und Warzen zum Verschwinden bringen sollte. Eine ähnliche Wirkung erhofften sich auch Mädchen in Westböhmen, die sich in der Morgenfrühe nackt im Ostertau wälzten. Mancherorts machten sich junge Burschen ein Spaß daraus, die mit Osterwasser heimkehrenden Mädchen zu necken, um sie so vom Schweigen abzubringen und die Wirkung des Osterwassers zu zerstören.

Das Osterwasser wurde aufbewahrt. Man verwendete es das Jahr über gegen Ungeziefer in Küche, Speisekammer und Garten. Man besprengte damit auch Kühe und Pferde und bestrich mit diesem Wasser die Bienenkörbe. Die Gesundheit und Heil verheißende Kraft des Wassers war in alten Zeiten so geschätzt, daß man in Ostpreußen am Ostermorgen alle Leute, denen man Glück wünschen wollte, mit kaltem Wasser bespritzen durfte: eine reizvolle Abwandlung des Osterwasser-Brauchs.

1964 erschien Uwe Johnsons Prosasammlung "Karsch und andere Prosa", in die der 1934 im pommerschen Cammin geborene Autor auch eine kleine Erzählung mit dem Titel "Osterwasser" aufnahm. Anders als die Herausgeber des "Deutschen Hausbuchs" war er sich nicht so sicher, daß seine Leser noch mit dem Osterwasser-Brauchtum vertraut waren. Daher baute er geschickt Hinweise auf Wesen und Wirkung des Osterwassers in seinen Erzähltext ein. Etwa: "Man mußte es trinken oder sich damit gewaschen haben, bevor der Osten heller wurde. Man durfte kein Wort sprechen, und es hatte für Gesundheit und Schönheit gegolten." Die Handlung der Erzählung spielt wie in Johnsons späteren monumentalen Roman "Jahrestage" in der fiktiven mecklenburgischen Kleinstadt Jerichow. In der Osternacht 1946 verläßt die 13jährige Gesine Cresspahl heimlich ihr Elternhaus, um Osterwasser zu holen. Die Suche nach einer Quelle wird zu einem gefahrvollen Gang. Als handele es sich um einen Initiationsritus, drohen dem Mädchen Vergewaltigung und Tod - alles andere also als eine idyllische literarische Verarbeitung des Osterwasser-Motivs.

Bedenkt man die Wirkungen, die der Volksglaube dem Osterwasser zuschreibt, so ergeben sich Parallelen zum Wasser, das in der katholischen Liturgie der Osternachtfeier geweiht wird. Bis zur Liturgiereform in Anschluß an das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) war es in frommen katholischen Familien üblich, etwas von diesem geweihten Wasser mit nach Hause zu nehmen und dort in einem Weihwasserkessel aufzubewahren: zur Bekreuzigung oder zur Besprengung. Die liturgischen Texte der Osternacht legten nahe, daß dieses Wasser ein lebensspendender Quell sei für das natürliche Leben, betonten jedoch viel stärker die geistlichen Wirkungen dieses Wassers, das durch die Beimischung heiliger Öle zum Taufwasser wurde. Bei der Herausbildung der Osternachtsliturgie in den Zeiten der christlichen Missionierung Europas mag so Heidnisches integriert und christlich überformt worden sein.


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