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15.04.06 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. April 2006

Schon wieder ein Rückruf / Der neue Obersozi hält jetzt aber erstmal eine Weile, bevor er zum "Blauen Bock" wechselt: Deutschland freut sich auf Kurt Beck
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Vor ein paar hundert Jahren sorgte ein Schachautomat in Wien für beträchtliches Aufsehen. Eine Maschine, die das Spiel der Könige beherrschte lange, lange, bevor so etwas mit der Erfindung des Schachcomputers überhaupt möglich wurde. Sensationell! Der Mode seiner Zeit folgend hatte der Apparat die Form eines kleinen Türken, richtig mit Turban und Pumphose.

Eines Tages flog auf, daß der Automat gar keine Maschine war, sondern daß im Innern der Figur ein kleiner Mann saß, der die Züge ausführte. Seitdem bedeutet "einen Türken bauen", jemanden an der Nase herumzuführen.

"Türken" baut im Medienzeitalter das Fernsehen. Das ZDF hat sich gleich eine komplette Meute fabrizieren lassen, die zwar teilweise tatsächlich türkisch war, aber eben nicht das, wofür sie ausgegeben wurde - ganz wie ihr hölzerner Vorfahr von der Donau. Die vom "Zweiten" beauftragte Produktionsfirma sollte im Hamburger Stadtteil Mümmelsmannsberg Radau filmen wie vor der Berliner Rütli-Schule. Es gab aber keinen, weshalb die Produktionsleiterin einige südländische Jungs engagierte, ein bißchen auf den Putz zu hauen - gegen Gage. Begeistert (vom Geld) spielten sie für die Kamera "Gängsta" mit Kampfszenen samt Messer und am Ende einem martialischen Marsch in die Massenschlacht mit einer anderen Bande, der in Wahrheit bloß zum nächsten Kiosk führte.

Der Schwindel flog auf, sehr peinlich für das "Zweite", mit dem man nicht nur "besser sieht", sondern offenbar auch Sachen, die es gar nicht gibt.

An der Berliner Rütli-Schule, wo es tatsächlich rund geht, hat die Suche nach Schuldigen begonnen für das öffentlich gewordene Desaster. Berlins Schulsenator Böger hat eine gefunden: die kommissarische Leiterin der Rütli-Hauptschule. Petra Eggebrecht, so heißt sie, hat jenen skandalösen Brief ihres Lehrerkollegiums abgeschickt, der die ganze Republik in Aufruhr versetzte. Einen Monat lang hatte die Behörde das Pamphlet gut und sicher unter Verschluß halten können. Dann geriet das Machwerk an die Presse und der rot-rote Senat, dem die Sache im Grunde piepegal war, mußte sich öffentlich "alarmiert" geben und anstrengende Pressetermine wahrnehmen. Was sie denn zu tun gedächten? - bohrten die Medien schmerzhaft im Gewissen der Verantwortlichen.

Ja, was wohl? Gegen die Lehrerin Eggebrecht wird von seiten ihrer vorgesetzten Behörde disziplinarisch ermittelt, ob sie etwas zu schaffen hat mit der Veröffentlichung des Briefes. Wo kommen wir da hin, wenn die Zustände in deutschen Schulen demnächst in breiter Öffentlichkeit diskutiert werden, obwohl der zuständige Senator gar keine Lust hat, sich mit dem Thema zu befassen?

Allerdings schafften es routinierte Politiker mit vereinten Kräften, den unangenehmen Odem des Versagens, der seit der Rütlisache an ihnen haftete, schnell weiterzureichen. Machen sie das nicht geschickt? Wenn einmal etwas richtig glattgeht, dann treten sie mit stolzgeschwellter Brust hinters Mikro besingen den Erfolg ihrer Politik, für den sie mindestens ein weiteres Mandat verdient hätten.

Geht aber mal was so richtig in die Hose wie die Ausländerpolitik der vergangenen Jahrzehnte, entdecken dieselben Politiker abrupt, welch "hohes Maß an Mitschuld die Gesellschaft" an der Misere trägt. Falls man es Ihnen noch nicht gesteckt haben sollte: Die "Gesellschaft", damit sind wir gemeint, das Volk. Das sagen die uns natürlich nicht so direkt. Käme ja auch schlecht an: "Ihr seit verantwortlich für unsere falsche Politik!" Ein Politiker, der das sagt, gefährdet seine Wiederwahl. Die "Gesellschaft" klingt hingegen immer so ein wenig nach "die doofen Anderen", weshalb "Kritik an der Gesellschaft" auch jedem von uns leicht von den Lippen geht.

Um möglichst weit weg zu sein von der Verantwortung, wollen Politiker nicht einmal bei der Diskussion dabeisein: "Das muß die Gesellschaft sich fragen, ob sie genug getan hat für die Integration unserer auslänischen Mitbürger". Die "Gesellschaft sich", nicht: das Volk seine politischen Repräsentanten.

Die zu fragen brächte ohnehin nicht viel, da die ihre Überzeugungen manchmal schneller wechseln als die SPD ihre Vorsitzenden. Die Sozialdemokraten machen gerade die Erfahrung der Automobilbauer: Je kürzer die Entwicklungsphase eines neuen (Vorsitzenden-) Modells, desto häufiger werden Rückrufaktionen nötig. Die SPD-Chefs jüngerer Baureihen sind derart störanfällig, daß sie schon nach einigen Monaten zurück in die Werkstatt müssen. 1946 bis 1987 hielten ihre Vorgänger Schuhmacher, Ollenhauer und Brandt noch viele Jahre durch, Willy Brandt sogar fast zweieinhalb Jahrzehnte. Auch kannte die Partei bis 1987 weder (lebendige) Ehren- noch Altvorsitzende. Über die Schultern des designierten neuen Obersozis Kurt Beck werden sieben Amtsvorgänger blicken - plus Oskar Lafontaine, aber der zählt ja nicht mehr.

Beck ist der Typ "Gemütlicher Landesvater", ein wenig behäbig wohl, aber er strahlt Ruhe und Zuverlässigkeit aus. Das brauchen die Deutschen. Platzeck war da eher so der sensible Hauslehrer, nett, gebildet und manierlich, aber nicht allzu belastbar. Beck sei überdies der letzte Vorsitztaugliche, den die Sozialdemokraten noch hätten, grummeln Parteienexperten. Klingt bedenklich, macht aber nichts, Beck hat sich lange und gründlich zum SPD-Vorsitzenden-Kandidaten zusammenschrauben lassen und hält bestimmt besser als sein Vorgänger.

Und er ist tatsächlich ein richtiger Volksmensch, ein Kurt von nebenan. Nach der Politikerzeit könnten wir ihn uns gut als wiedererwachten Heinz Schenk vorstellen, der den "Blauen Bock" auf pfälzisch zu neuen Ehren bringt - diesmal mit richtigem Wein statt des Äppelkrams, der Nichthessen nur unter heftigen Zuckungen über die Zunge geht.

Ja, mehr Heiterkeit, mehr Freude am Leben stünde der Politik gut zu Gesicht. Bundespräsident Köhler hat nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt zum Lachen gebracht mit seinem Ordenssketch auf Madagaskar. Dem dortigen Präsidenten wollte er das Bundesverdienstkreuz anstecken, schaffte es aber nicht. Die Nadel ließ sich nicht öffnen. Am Ende steckte sich das afrikanische Staatsoberhaupt das Kreuz einfach selber in die Brusttasche seiner Jacke. Köhler grinste überaus verlegen und sein Protokollchef war dem Infarkt nahe. Der madagassische Gastgeber hingegen nahm die verstolperte Zeremonie mit erstaunlicher Gelassenheit hin und strahlte professionell. Woher nahm er diese Ruhe? Ist das so eine besondere Fähigkeit der Menschen auf jener schönen Insel im Indischen Ozean?

Die Wahrheit: Er hatte gar nichts anderes erwartet. Köhlers Visite sei der erste deutsche Präsidentenbesuch auf Madagaskar seit 40 Jahren gewesen, heißt es. 40 Jahre? Eben: Heinrich Lübke! Die Afrikaner waren also darauf gefaßt, daß es unter Umständen holprig werden könnte mit dem Deutschen, sie kennen das noch vom letzten Mal. Lübke, stets guten Willens, aber manchmal recht zerstreut und dem Vernehmen nach ohne seine Frau Wilhelmine vollkommen aufgeschmissen, soll während eines Afrikabesuches seine Zuhöhrer mit den einfühlsamen Worten begrüßt haben: "Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Neger!" Die Madagassen werden drei Kreuze gemacht haben, daß diesmal nur eine Ordensnadel klemmte.

Schade, daß jetzt, wo die Deutschen das Deftige und Komische an der Politik lieben lernen, ausgerechnet die Italiener den unvergleichlichen Berlusconi durch diese fade EU-Kommissionsfilzlaus Prodi ersetzt haben. Berlusconi war alles, was wir an den Italienern schätzten: Immer fröhlich und gut gekleidet, ein bißchen schmierig zwar, aber nie langeweilig. Göttlicher Silvio, wir werden dich vermissen!

SPD-Chefs jüngerer Baureihen sind derart störanfällig, daß sie nach kurzer Zeit in die Werkstatt müssen

"Hol dir deine Beitragssenkung. Ich hab' sie dir ja versprochen!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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