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22.04.06 / Die Slum-Schlacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. April 2006

Die Slum-Schlacht
von Harald Fourier

Neulich bei der Wohnungsbaugesellschaft: Mein Gespräch mit der Sachbearbeiterin wird jäh unterbrochen, als das Telefon klingelt. Eine andere Mieterin will umziehen, in eine größere Wohnung mit 80 Quadratmetern, weil sie ein viertes Kind erwartet. Soviel ist aus dem Gespräch herauszuhören.

Der Schlüsselsatz der Sachbearbeiterin lautet: "Solange Sie uns eine Bestätigung des Sozialamts bringen, daß es die Kosten übernimmt, ist das kein Problem." Klare Aussage: Solange das Sozialamt zahlt, gibt es eine größere Wohnung.

Auch Wolfgang Schäuble liebt die klaren Worte, die Provokationen. Der Bundesinnenminister wollte provozieren, und das ist ihm gelungen. Auch wenn er dabei weit über das Ziel hinausgeschossen ist. Nicht anders kann Schäuble es gemeint haben, als er über Slums zu sprechen begann. Neben Teilen Hamburgs sei Berlin-Neukölln längst ein solcher Slum, so der CDU-Politiker.

Das kommt bei der Basis in Schäubles Wahlkreis im Schwarzwald an. Aber es hat natürlich nichts mit der Realität zu tun. Zwar bezeichnete man ursprünglich als Slum verwahrloste Innenstadtbereiche, die früher von der Mittel- und Oberschicht bewohnt worden sind. Insofern würde die Bezeichnung auf Kreuzberg und Nordneukölln ja sogar zutreffen.

Aber inzwischen wird umgangssprachlich als Slum eine randstädtische Gegend bezeichnet, in der fremde oder völlig verarmte Schichten zusammenleben. Leute, die in Wellblechhütten ohne Wasser und Strom vor sich hinvegetieren.

So gesehen wären nicht einmal die Pariser Banlieus als Slum zu bezeichnen. Slums - die gibt es in Jakarta, in Mexiko City oder in den südafrikanischen Townships. Schäuble hat in dem Interview den Gedanken fortgeführt, diese Verslumung habe aber nichts "mit Ghettobildung" zu tun.

Also: Slum ja, Ghetto nein? Einer nachvollziehbaren Logik folgt dies nicht. Ghettobildung ist viel eher die zutreffende Definition dessen, was sich in Neukölln abspielt. Daß der Bezirk nicht zum Slum wird, dafür sorgt das Sozialamt (siehe Mietwohnung oben).

Die Ghettobildung wird jedoch nicht unterbunden. Schon deshalb, weil es nur selten Deutsche sind, die mehr als zwei Kinder haben (wenn überhaupt). Zu Recht widersprachen daher alle möglichen Landespolitiker - von der FDP bis hin zu den Grünen.

Mit Heinz Buschkowsky meldete sich einer zu Wort, der wie kein anderer mit dem Brennpunkt Neukölln identifiziert wird. Der Bezirksbürgermeister sagte, es gäbe unstreitig Tendenzen zur Ghettoisierung. "Aber zwischen dieser Feststellung und der Feststellung Slum, da liegen Welten." Dem ist nichts hinzuzufügen.


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