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29.04.06 / Gegen die Mütter / Das "Bündnis für Erziehung" sieht aus wie ein Ablenkungsmanöver

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. April 2006

Gegen die Mütter
Das "Bündnis für Erziehung" sieht aus wie ein Ablenkungsmanöver
von Jürgen Liminski

Wieder ein Bündnis. Diesmal geht es um Erziehung und Elterngeld. Dafür stehen nun die Bundesfamilienministerin und die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland. Frau von der Leyen konnte die Kirchen für das Bündnis gewinnen, indem sie ihnen das Geschirr der Wertevermittlung und Erziehung anlegte. Es ist unerfindlich, warum die Kirchen sich instrumentalisieren und vor einen Karren spannen lassen, der im besten Fall ein Rad hat: das Interesse der Ministerin, das mit dem Interesse der Wirtschaft identisch ist, möglichst gut ausgebildete junge Mütter (die sind nämlich preiswert und verantwortungsbewußt) in die Betriebe zu locken. Die Kirchen werden das noch erklären können, für die Initiative selbst kann man schon ein Verfallsdatum erkennen: Abgelaufen vor Inkrafttreten.

Zunächst: Zwischen Erziehung und Elterngeld gibt es einen simplen Zusammenhang. Für die Erziehung braucht man Kinder, und die wird es in Deutschland nur in größerer Zahl geben, wenn die Eltern wegen der Kinder nicht noch weiter verarmen. Da stimmen alle seriösen, das heißt nicht von der Politik bestellten Umfragen und Studien überein. Allensbach etwa ermittelte, daß 47 Prozent der Kinderlosen Kinder bekämen, wenn sich die finanzielle Situation dadurch nicht so dramatisch verschlechtern würde, nur 14 Prozent gaben an, daß eine defizitäre Betreuungssituation die Ursache für den nicht realisierten Kinderwunsch sei. Frau von der Leyen und ihre Vorgängerin wünschen nun vor allem Kinder von Akademikerinnen. Das soll das Elterngeld ermöglichen. Auch hier gibt es mehr Fragen als Antworten. Zum Beispiel, warum Kinder von Nicht-Akademikerinnen oder von Frauen, die nicht im Erwerbsleben stehen, weniger wert sein sollen. Ferner, warum erwerbstätige Frauen mehr Kinder bekommen als Frauen, die sich für die Erziehung ihrer Kinder zu Hause und das Familienmanagement entschieden haben. Die Erfahrungen in anderen Ländern sprechen jedenfalls dagegen. In Schweden ist die Geburtenquote nach Einführung eines Elterngeldes und trotz eines flächendeckenden Betreuungsnetzes von 2,14 Kindern (1990) auf 1,5 (2002) gefallen. Es gibt noch viele andere Faktoren, die das sogenannte generative Verhalten bestimmen. An deutschen Universitäten etwa, den Hochburgen der akademischen Elite, hat die erbarmungslose Konkurrenz eine Familienfeindlichkeit erzeugt, die dazu führte, daß 77 Prozent der Akademikerinnen kinderlos bleiben (wollen). Dazu hat man von der Ministerin keinen Kommentar gehört. Von der Bischofskonferenz übrigens auch nicht.

Dann: Das Getöse um das Elterngeld ist nur ein billiges Ablenkungsmanöver, denn die große Koalition wird mit der Abschaffung der Pendlerpauschale und dem schon beschlossenen Wegfall der Eigenheimförderung sowie der Verkürzung der Bezugsdauer des Kindergeldes um zwei Jahre den Familien bereits so tief in die ohnehin kleine Geldbörse greifen, daß selbst ein großzügigeres Elterngeld dieses Minus nicht kompensieren könnte. Diese Koalition hat die Familien in der Tat ärmer gemacht. Experten beziffern die familienspezifischen Kürzungen und Mehrbelastungen auf 8,5 Milliarden Euro. Das ist die Ausgangslage. Darüber sollte man erst mal reden, statt Werte zu beschwören.

Hinzu kommt, daß die zusätzliche Bedingung der zwei Vätermonate spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern wird. Das Grundgesetz trägt den Eltern als ersten Recht und Pflicht zur Erziehung auf. Der Staat hat sich nicht in die internen Organisationsweisen der Erziehung einzumischen.

Außerdem werden Eltern ungleich behandelt, wenn Alleinerziehende die ganzen zwölf Monate das Elterngeld bekommen und Eltern dagegen nur zehn, weil der Vater sich nicht zwei Monate aus seiner Arbeit ausklinken kann. Verfassungswidrig dürfte auch die Ungleichbehandlung von Hausfrauen auf der einen und außer Haus berufstätigen Frauen auf der anderen Seite sein. Schon stehen Gruppen und Verbände in den Startlöchern, um mit höchst prominenter Beratung vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Warum die Union sich hier auf das ideologische Eis der SPD und ihrer DDR-light-Konzepte ziehen läßt, statt sich an ihr altes Programm (Erziehungsgeld für alle, Freibetrag von 8000 Euro pro Kopf in der Familie, Rentenzuschlag pro Kind etc.) zu halten, woran jetzt einige Politiker bedauernd erinnern, wird vielen Wählern ein Rätsel bleiben

Und das große Thema Erziehung? Der Ansatz des Bündnisses ist gut und deshalb machen die Kirchen ja auch mit. Frau von der Leyen aber will die Erziehung von den Familien in Krippen, Horte und Kindergärten der christlichen Kirchen verlagern, weil sie glaubt, daß vor allem dort Werte vermittelt werden, zum Beispiel die zehn Gebote. Abgesehen davon, daß Moses, der uns bekanntlich die zehn Gebote brachte, kein Christ, sondern Jude war, ist Wertevermittlung für Kleinkinder keine Sache des Wissens, sondern des Vertrauens, eine Angelegenheit des Herzens, mithin der Liebe. Dafür gibt es zahlreiche wissenschaftliche Belege, Pisa-Sieger Finnland hält sich daran. Keine Erzieherin kann eine liebende Mutter ersetzen. Liebe bestätigt existentiell, sie ist eben kreativ, Betreuung aber im besten Fall nur fürsorglich. Statt die heute in der Tat oft über ein erträgliches Maß geforderten Mütter zu stärken, plädiert Frau von der Leyen für eine frühestmögliche Fremdbetreuung. Wenn es ihr nur um mehr Kinder und den Bedarf der Wirtschaft an jungen gut ausgebildeten Frauen geht, dann sollte sie das sagen. Ehrlichkeit, Verläßlichkeit, Gerechtigkeitssinn - das sind nicht nur für Kinder hehre Erziehungsziele. Auch Politiker sollten sich gelegentlich daran messen. Am besten, bevor sie sich in eine Idee verrennen.

Eine Mutter liest ihrer Tochter vor: In erster Linie sollten es die Eltern sein, die Kindern Werte vermitteln. Foto: plainpicture


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