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29.04.06 / Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot? / Vor 80 Jahren gab Reichspräsident Hindenburg dem Weimarer Flaggenkompromiß die endgültige Form

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. April 2006

Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot?
Vor 80 Jahren gab Reichspräsident Hindenburg dem Weimarer Flaggenkompromiß die endgültige Form
von Manuel Ruoff

Mittlerweile gibt es in Deutschland einen über die in den Parlamenten vertretenden Parteien hinausreichenden breiten Konsens über die deutschen Farben. Daß sich die Marxisten-Leninisten-Stalinisten in ihrer DDR mit der Staatsflagge zu Schwarz-Rot-Gold bekannt haben und die Deutsche Volksunion (DVU) mit Schwarzrotgold wirbt, spricht für die Breite dieses Konsenses. In der Weimarer Republik war das anders, war ausschließlich die (Mehrheits-)Sozialdemokratie einhellig für Schwarz-Rot-Gold. Abgesehen von den Unabhängigen Sozialdemokraten und den Kommunisten, die das revolutionäre Rot als Staatsfarbe wünschten, gab es eine breite, bis in die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) und das katholische Zentrum reichende (rechts-)bürgerliche Front, die analog zum Staatstitel "Deutsches Reich" auch dessen schwarzweißrote Flagge beibehalten wissen wollte.

Grob lassen sich die Ideen hinter den Farben und deren Vertretern im Weimarer Flaggenzwist von links nach rechts wie folgt skizzieren: Die Verfechter einer sozialistischen Räterepublik plädierten dafür, daß das nachrevolutionäre Deutschland wie Sowjetrußland das Rot der Internationale übernahm. Die Befürworter von Schwarz-Rot-Gold brachten damit ihren Willen zu einer parlamentarischen Demokratie in der Tradition der gescheiterten, großdeutschen, bürgerlich-liberalen 48er Revolution zum Ausdruck. Und jene schließlich, die wollten, daß die Weimarer Republik sich in die Tradition des unter Preußens Führung gegründeten (Kaiser-)Reiches stellte, traten für die Beibehaltung des um einen roten Streifen ergänzten Zweifarbs Preußens ein. Daß der Frontverlauf zwischen den Gegnern im Weimarer Flaggenstreits allerdings nicht an jedem Abschnitt entsprechend den oben grob skizzierten ideologischen Grenzen verlief, zeigt die bewegte Geschichte dieses Streits.

In der Novemberrevolution des Kriegsjahres 1918 hatten die revoltierenden Matrosen an den Flaggenmasten ihrer Schiffe das Schwarzweißrot des (Kaiser-)Reichs durch das rote Banner ersetzt. In dieser Situation war nicht nur von den (Mehrheits-)Sozialdemokraten, sondern auch von dem als deutschnational geltenden Journalisten und Verleger Reinhold Wulle zusätzlich zu Schwarz-Weiß-Rot und Rot Schwarz-Rot-Gold in die Diskussion gebracht worden. Eine Woche nach Ausbruch der Novemberrevolution schrieb er im Leitartikel der "Deutschen Zeitung":

"Als vor 70 Jahren die Sehnsucht nach Kaiser und Reich die große Volksbewegung des Jahres 1848 ins Leben rief, tauchten die Farben Schwarz-Rot-Gold auf als das Symbol Großdeutschlands. Wenn heute das ganze deutsche Volk zusammengefaßt werden soll, unsertwegen auch im Zeichen der Demokratie, dann besinne man sich wieder auf die Farben Schwarz-Rot-Gold. Sie sind die Kennzeichen des deutschen Idealismus. Sie sind die Erinnerung an eine Zeit voll großer Gedanken, denen allerdings die großen Taten fehlten. Die Einheit des deutschen Volkes ist in diesen Farben versinnbildlicht. Helfen kann uns jetzt nur noch die befreiende schwarz-rot-goldene Tat zur Einheit, Ordnung und Freiheit."

Neben Schwarz-Weiß-Rot und Rot stand den Vätern der Weimarer Verfassung nun auch Schwarz-Rot-Gold zur Wahl. Der Berliner Universitätsprofessor Hugo Preuß hatte in seinem im Winter 1918/1919 erstellten Verfassungsentwurf die Flaggenfrage offengelassen. Nachdem die Parteien der sogenannten Weimarer Koalition, sprich SPD, DDP und Zentrum, eine Regierung unter Philipp Scheidemann gebildet hatten, fügte diese in den Entwurf den Satz "Die Reichsfarben sind Schwarz-Rot-Gold!" ein, bevor sie ihn der Nationalversammlung zur Beratung vorlegte. Bei der Kampfabstimmung im Verfassungsausschuß fanden die von der Regierung vorgeschlagenen Reichsfarben mit 16 Stimmen nur eine knappe Mehrheit; zwölf Ausschußmitglieder stimmten für Schwarz-Weiß-Rot; der Unabhängige Sozialdemokrat enthielt sich.

In der Parlamentsfraktion der DDP spiegelte sich die Zerrissenheit der Nation. Hier waren 23 für Schwarz-Rot-Gold und 19 für Schwarz-Weiß-Rot als Reichsfarben. Insofern wundert es nicht, daß die Grundidee zum Weimarer Flaggenkompromiß aus dieser Partei kam. Im Gegensatz zu den Farben des Reiches sollte - so der DDP-Kompromißvorschlag - die Handelsflagge Schwarz-Weiß-Rot bleiben. Warum es gerade bei der Handelsflagge keinen Wechsel geben sollte, machte der spätere langjährige DDP-Bürgermeister Hamburgs Carl Petersen in seinem Beitrag zur Flaggendebatte bei der entscheidenden Debatte im Parlamentsplenum deutlich:

"Wir von der Wasserkante, wir wissen, was es für den deutschen Seemann und den deutschen Kaufmann bedeutet, daß er die schwarzweißrote Flagge an sein Schiff und an seine Ware heften kann ... Wenn Sie aber die Flagge niederholen, so wissen Sie aus dem Kriege, wie die Entente in der Lage ist, mit Weltbeeinflussung auch das letzte niederzureißen, was uns geblieben ist, nämlich die Achtung vor der Tüchtigkeit und wirtschaftlichen Kraft des deutschen Volkes. Es wird bei der Entente geradezu erleichtert, bei den fremden Nationen, insonderheit bei den neutralen Nationen, zu sagen, die Deutschen haben ihre alte Flagge selbst heruntergeholt. Mit allem Raffinement der Weltpresse wird erklärt werden, daß wir selbst anerkennen, daß unsere alte Kraft gebrochen ist ..."

Da jedoch die Koalitionspartner der DDP, die SPD und das Zentrum, darauf bestanden, daß Schwarz-Rot-Gold in irgendeiner Form auch in der Handelsflagge auftaucht, gelangte schließlich die folgende Kompromißformel für den Artikel 3 der Verfassung zur Abstimmung: "Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke." Mit 211 gegen 90 Stimmen wurde sie am 3. Juli 1919 angenommen.

Am 19. August 1919 trat der Flaggenkompromiß mit der Weimarer Verfassung in Kraft. Nähere Details regelte Reichspräsident Friedrich Ebert am 11. April 1921 in einer Flaggenverordnung. Mit der Nationalflagge, der Standarte des Reichspräsidenten, der Flagge des Reichswehrministers, der Reichspostflagge und der Dienstflagge der übrigen Reichsbehörden zu Lande auf der einen Seite sowie der Handelsflagge, der Handelsflagge mit dem Eisernen Kreuz, der Reichskriegsflagge, der Gösch und der Dienstflagge der übrigen Reichsbehörden zur See auf der anderen Seite sah diese Verordnung je fünf Flaggen auf der Basis der Reichsfarben sowie der Handelsflagge vor.

Eine Besonderheit stellte die Dienstflagge der übrigen Reichsbehörden zur See insoweit dar, als hier die Reichsfarben in der oberen inneren Ecke fehlten. Offenbar ging Ebert davon aus, daß die Reichsfarben durch den Reichsschild, der dem Bundesschild in der Bundesdienstflagge der Bundesrepublik Deutschland entspricht, bereits genügend repräsentiert seien. Diese Meinung war damals allerdings nicht Konsens. Das Preußische Staatsministerium sprach der Seedienstflagge sowie der ganzen Flaggenregelung sogar ihre Verfassungsmäßigkeit ab und entschloß sich, seine partikulare Flagge auch auf See wieder zu führen. Oldenburg folgte Deutschlands mit Abstand größtem Reichsland bei diesem Verfahren. Und Mecklenburg-Schwerin glich seine Seedienstflagge der Handelsflagge des Reiches an.

Auch seitens des Auswärtigen Amtes gab es Änderungswünsche. Aus seinen Kreisen wurde der Wunsch geäußert, die Handelsflagge ebenbürtig neben der schwarzrotgoldenen Nationalflagge zu führen. Für diesen Wunsch gab es verständliche Gründe. Zum einen war es aus Gründen der Klarheit und eines einheitlichen Auftretens nach außen wünschenswert, daß in den ausländischen Hafenstädten über Deutschlands Schiffen und Vertretungen dieselbe Trikolore wehte. Zum anderen erfreute sich Schwarz-Weiß-Rot gerade bei den Auslandsdeutschen großer Beliebtheit, denn sie hatten Deutschlands lang ersehnte Einheit und Stärke fast ausschließlich in Form von schwarzweißroten Schiffsflaggen erlebt. Dieses führte zu dem beschämenden Vorfall, daß ein deutscher Gesandter sich nicht anders zu helfen wußte, als die Polizei des Gastlandes um Schutz der schwarzrotgoldenen Nationalflagge vor den eigenen auslandsdeutschen Landsleuten zu ersuchen.

Sowohl der Kritik an der Seedienstflagge als auch jener an der Beflaggung der Auslandsvertretungen versuchten die 1925 in ihre Ämter gewählten beiden Männer an der Spitze des Reiches und dessen Regierung, Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Hans Luther, mit einer Zweiten Verordnung über die deutschen Flaggen am 5. Mai 1926 Rechung zu tragen. Diese Flaggenverordnung enthielt nur zwei Punkte. Unter Punkt 1 erhielt nun auch die Seedienstflagge wie die Handelsflagge die Reichsfarben in der oberen inneren Ecke. Punkt 2 besagte, daß die "gesandtschaftlichen und konsularischen Behörden des Reiches an außereuropäischen Plätzen und an solchen europäischen Plätzen, die von Seehandelsschiffen angelaufen werden", zusätzlich zur National- die Handelsflagge führen.

Obwohl Reichspräsident und Reichskanzler den Anhängern der Reichsfarben mit dem ersten der beiden Punkte entgegengekommen waren, hagelte es von deren Seite Kritik an der Verordnung. Eine Woche später am 11. und 12. Mai war der Flaggenstreit Thema im Reichstag. Die Debatte endete mit der Annahme eines vom ursprünglich stramm schwarzweißrot eingestellten DDP-Abgeordneten Erich Koch-Weser eingebrachten Mißtrauensantrag gegen die Reichsregierung. Reichskanzler Luther trat noch am selben Tag zurück. Fünf Tage später folgte sein Kabinett.

Vor dem Hintergrund dieses erneuten Aufflammens des Flaggenstreits waren sich Staatsoberhaupt und Parlament einig, "alle Kräfte zur Schaffung der Einheitsflagge im versöhnenden Sinne einzusetzen". Das neue Kabinett beschloß am 7. Juni 1926 hierzu einen Ausschuß aus Vertretern von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft einzusetzen, und Sachverständige wurden zu Gutachten und Vorschlägen animiert. Die Sache endete jedoch wie das Horneburger Schiessen. Sie verlief im Sande. Die umstrittene Flaggenverordnung des Präsidenten blieb deshalb bis auf weiteres in Kraft. Hindenburg selber sollte es sein, der ihr nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten den Todesstoß versetze. Am 12. März 1933 bestimmte er per Erlaß, "daß vom morgigen Tage bis zur endgültigen Regelung der Reichsfarben die schwarzweißrote Fahne und die Hakenkreuzfahne gemeinsam zu hissen sind".

Reichskanzler Hans Luther: Hindenburgs Flaggenverordnung kostete ihn sein Amt. Foto: DHM

Reichspräsident Paul von Hindenburg: Seine Flaggenverordnung blieb bis zum Ende der Weimarer Republik in Kraft. Bild: Archiv


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