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06.05.06 / Schröders Rache

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. Mai 2006

Hans-Jürgen Mahlitz:
Schröders Rache

Staatsmänner denken in Jahrzehnten und Jahrhunderten, Politiker in Legislaturperioden. Das mag man bedauern, ändern wird man es nicht, solange wir in einer Demokratie mit regelmäßigen Wahlen leben. Man kann es den Politikern kaum verübeln, wenn sie die Frage, in welchem Geschichtsbuch sie dermaleinst als Fußnote fortleben, weniger bewegt als die, ob sie nach der nächsten Wahl überhaupt noch in Amt und Würden (und ihr Gehaltskonto im Plus) sind?

Gerade in der Außenpolitik wird der Unterschied zwischen Staatsmann und Politiker deutlich. Bismarck war in deutschen Landen der letzte, der seinem konkreten politischen Handeln ein generationenübergreifendes Konzept zugrunde legte. Danach reichte allenfalls Adenauer noch punktuell an sein Format heran.

Unter Historikern ist die Formulierung "Was wäre, wenn ..." zu Recht verpönt. In politischen Kommentaren muß man das nicht unbedingt so eng sehen. Stellen wir uns also einfach mal vor, nicht Angela Merkel, sondern Otto von Bismarck wäre in diesen Tagen nach Rußland gereist. Was hätte er anders gemacht, was genauso? Hätte er nationale deutsche Interessen, zum Beispiel die langfristige Sicherung der Energieversorgung, besser zur Geltung gebracht?

Offenbar haben die Historiker doch recht, lassen wir also die Spekulationen. Als Bismarck deutsche Außenpolitik konzipierte und gestaltete, sah Deutschland noch völlig anderes aus. Der "Rest der Welt" übrigens auch. Diese Welt des 19. Jahrhunderts war noch nicht so hoffnungslos unübersichtlich globalisiert wie heute. Nationale und supranationale Machtstrukturen waren überschaubar. Jeder wußte, wer Freund und wer Feind ist. Auch wußte jeder Politiker und erst recht jeder Staatsmann, worüber er mit anderen Staatsmännern/ Politikern reden konnte - und worüber besser nicht.

So war es Bismarcks Glück, in einer Zeit zu leben, in der es noch möglich war, in großen Zusammenhängen und in über das Heute und Morgen hinausweisenden Zeitdimensionen zu denken und zu handeln. Sein großes Verdienst war es, diese Chance wie kein anderer in unserer jüngeren Geschichte zum Wohle Deutschlands genutzt zu haben. Unsere gegenwärtige Regierung hat, wenngleich sie nach Schröder / Fischer das deutlich kleinere Übel ist, in den ersten Monaten ihrer Amtszeit mancherlei Kritik einstecken müssen, allerdings mehr in der Innen- denn in der Außenpolitik. Man muß ihr aber zugute halten, daß gerade auf internationalem Parkett der Handlungsspielraum in der immer enger zusammenwachsenden Welt von heute enger ist als zu Bismarcks Zeiten. Um ein Großes Wort des Reichskanzlers aufzugreifen: Wenn Politik die "Kunst des Möglichen" ist, dann ist heute eben nicht mehr so viel möglich.

Angesichts dessen hat unsere Kanzlerin in Sibirien eine recht gute Figur gemacht. Sie hat sich an den schwierigen Spagat zwischen der Förderung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen und dem Anmahnen von Menschenrechten gewagt und ihrem Gesprächspartner Putin keine Chance gegeben, sich mit der üblichen faulen Ausrede, dies seien "innere Angelegenheiten", davonzustehlen. Denn Politiker mit ausgeprägtem Machtinstinkt - und darüber verfügt der russische Präsident in reichlichem Maße - können sehr genau einschätzen, wieviel Kritik sie sich auch im eigenen Interesse gefallen lassen müssen. Dies wiederum hat Frau Merkel offenbar richtig eingeschätzt.

Putin weiß nun, daß er bei ihr nicht so leichtes Spiel haben wird wie bei ihrem Vorgänger; vermutlich hat er bei diesem Gipfel "Freund Gerhard" schmerzlich vermißt. Eigentlich vermissen wir ihn ja alle. Es geht doch um Gas aus Rußland, um deutsche Versorgungssicherheit. Wo ist da der Herr Schröder? Hat er nicht neulich einen recht ordentlich dotierten Nebenjob ergattert, bei dieser russischen Firma, die bekanntlich gar nichts mit Putin und seinen Oligarchen oder überhaupt mit der Politik zu tun hat? Warum hört und sieht man da nichts von ihm? Ein Karikaturist hat ihn jetzt aufgestöbert: fern im Osten, feixend wie in der "Elefantenrunde" nach der Wahl, dreht er der bösen "Angie" den Gashahn zu. Schließlich hat sie ihn um den schönen Kanzlerjob gebracht. Schröders Rache - gut, daß der alte Bismarck das nicht mehr erleben muß.


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