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06.05.06 / Der Bürgerschreck / Wie der Berliner Wissenschaftssenator seine PDS-Kundschaft pflegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. Mai 2006

Der Bürgerschreck
Wie der Berliner Wissenschaftssenator seine PDS-Kundschaft pflegt
von George Turner

Die Empörung über das Verhalten des für Wissenschaft und Kultur zuständigen Berliner Senators, Thomas Flierl, angesichts des anmaßenden Auftretens ehemaliger Stasi-Angehöriger ist verständlich. Überraschen konnte das Gewährenlassen der Unverbesserlichen durch den Alt-Genossen nicht. Gleichgültig, ob er aus Sympathie oder Feigheit geschwiegen hat: Es paßt ins Bild, wenn er es zuläßt, daß die Täter die Opfer verhöhnen und sich selbst als Saubermänner darstellen. Ohne dem Einhalt zu gebieten, hat er solche Auftritte in seinem Beisein geduldet.

Bei seinem Amtsantritt konnte man über ihn lesen, ihm hafte seit seiner Tätigkeit als Bezirks-Baustadtrat in Berlin-Mitte an, daß er DDR-Nostalgiker und Verhinderer sei. Weiter hieß es, die Person des Senators müsse besonders deshalb kritisch gesehen werden, weil er als jemand gilt, der vor allem Wählerbedienung betreibe.

Diese Einschätzung hat sich als zutreffend erwiesen.

Was die Vertretung der Belange der Hochschulen angeht, hängt er überholten Vorstellungen an oder nimmt sie gar nicht erst wahr.

So wurde aus Kreisen der Politik vorgeschlagen, daß die Berliner Universitäten eine universitätsübergreifende Verbundstruktur im Sinne einer "University of Berlin" bilden sollten. Um bestimmte Kooperationen zu erreichen, braucht man kein neues Gebilde. Das können die Hochschulen auch jetzt. Und wenn sie es - entgegen der Vernunft und der Erwartung des Abgeordnetenhauses - nicht tun, kann durch mehr oder weniger sanften Druck, zum Beispiel im Rahmen der Mittelzuweisungen oder Hochschulverträge nachgeholfen werden. Der Vorschlag signalisiert die faktische Nicht-Existenz eines Wissenschaftssenators. Dessen Aufgabe nämlich ist es, Ziele der Hochschulpolitik zu formulieren, Abstimmungen zwischen den Einrichtungen voranzutreiben, koordinierend einzugreifen und darauf zu achten, daß die ihm anvertrauten Institutionen im Wettbewerb bestehen können.

Ist er einerseits nicht präsent, schießt er andererseits weit über das Ziel hinaus. So hat er protestierenden Studierenden die Einführung der Viertelparität versprochen. Das ist die Besetzung von Gremien mit Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studierenden und sonstigen Mitarbeitern mit jeweils gleicher Anzahl. Seit geraumer Zeit spielt diese Paritätenfrage in der (hochschul-) politischen Diskussion keine Rolle mehr - außer in Berlin. Allen Ernstes widerspricht der Senator nicht der Meinung, die Satzungen der Universitäten dürften nicht an Effizienz ausgerichtet sein, sie müßten an dem Kriterium der demokratischen Gestaltung der Hochschulen gemessen werden. Um Zweifel auszuschließen: Auch nach geltendem Recht sind in Berlin (wie auch anderswo) alle Gruppen in den Entscheidungsgremien mit Sitz und Stimme vertreten, nur eben nicht in Form der viertelparitätischen Beteiligung. Und das ist auch gut so. Wozu es führt, wenn man solchen Forderungen nachgibt, haben gerade die Berliner Universitäten im Westteil der Stadt leidvoll erfahren müssen. Es hat lange gedauert, früher aufgelegten Unsinn zu beseitigen. Und jetzt eine neue Debatte darüber in Berlin? Die Berliner Universitäten haben wieder Tritt gefaßt. Sie stehen in den Rankinglisten überwiegend gut da. Trotz drastischer Sparmaßnahmen erfüllen sie ihre Aufgaben in Lehre und Forschung so, daß die Nachfrage nach Studienplätzen weiterhin groß ist. Die Universitäten brauchen Organisationsruhe. Das heißt, ihre Struktur und der Aufbau ihrer Organisation darf nicht wieder Gegenstand der Diskussion und politischen Disposition sein. Gerade dies aber geschieht, wenn die Paritätenfrage künstlich "am Köcheln" gehalten wird.

Die Amtsführung des Senators dokumentiert auf der einen Seite ein Vakuum, auf der anderen abwegige Vorstellungen. Die Schlachten um Mitwirkung an den Hochschulen sind längst geschlagen. Wenn die Berliner Politik meint, sich auf diesem Feld profilieren zu müssen, ist sie etwa 30 Jahre im Verzug. Die Universitäten können sich noch so viel Mühe geben, gute Ergebnisse produzieren, in Rankinglisten oben stehen und sogar als Spitzenuniversitäten gehandelt werden - solange solche Vorschläge nicht vom Tisch sind, haben sie allein dadurch einen Malus. Das der Senator das nicht begreift, disqualifiziert ihn für das Amt. Aber das interessiert immer nur eine begrenzte Öffentlichkeit.

Mit dem Tolerieren der Anmaßungen und Verfälschungen der Geschichte durch die alten Kader hat er den Nerv eines größeren Publikums getroffen.

Wenn sich nunmehr der Zorn gegen Flierl richtet, ist das in gewisser Weise sogar ungerecht. Er hat niemanden über seine Haltung getäuscht. Jeder, der sehen und lesen konnte, wußte, womit zu rechnen war. Er hat sich auch nicht in das Amt gedrängt, sondern ist von seiner Fraktion benannt worden. Aber daß die PDS-Fraktion seinerzeit überhaupt in die Lage kam, Senatoren zu benennen, ist das, worauf der Zorn sich konzentrieren sollte. Es war beileibe nicht zwingend, daß die SPD diesen Koalitionspartner wählen mußte. Jenseits von Wahlarithmetik sollte es noch so etwas wie einen politischen Anstand geben. Der ist den damaligen Wortführern bei der SPD offenbar abhanden gekommen. In einer Stadt, die weltweit als Symbol für Widerstand gegen die Diktatur des Kommunismus angesehen wurde, in welcher der Schießbefehl praktiziert wurde und es Mauertote zu beklagen gibt, sich mit der Nachfolgepartei der SED einzulassen, ist der eigentliche Sündenfall. Es ist schon ein starkes Stück: Immerhin ist Berlin ein Ort, an dem Studierende 1948 wegen der Pressionen durch die kommunistische Partei an der Universität im Osten die Freie Universität im Westen gegründet haben. Für diese wurde jemand zuständig, der seine Prägung im Bildungsministerium der DDR erfahren hat.

Den Hochschulen hat man mit Flierl einen Tort angetan; für die Öffentlichkeit ist er eine Zumutung; für die Stasi-Geschädigten erneut ein Schlag ins Gesicht.


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