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06.05.06 / Gibt es bald zwei selige Ermländer? / Interview mit Prof. Dr. Joachim Schmiedl zum laufenden Seligsprechungsprozeß des Prositteners Josef Engling

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. Mai 2006

Gibt es bald zwei selige Ermländer?
Interview mit Prof. Dr. Joachim Schmiedl zum laufenden Seligsprechungsprozeß des Prositteners Josef Engling

Nach der im Jahre 1999 seliggesprochenen Gründerin des Katharinerinnennordens, der Braunsbergerin Regina Protmann, soll mit Josef Engling aus Prossitten ein weiterer Ermländer seliggesprochen werden. Derzeit arbeiten die Anwälte des Seligzusprechenden, die sogenannten Postulatoren, weitere Materialien in dem seit 1952 laufenden Seligsprechungsprozeß für das in Rom laufende Verfahren auf. Der bereits mit 20 Jahren im Ersten Weltkrieg bei der französischen Stadt Cambrai gefallene Prosittener hat weltweit Anhänger. Sein Elternhaus in Ostpreußen ist heute ein Museum und wird jedes Jahr von ungzähligen Wallfahrern aufgesucht.

 

 Wer ist Josef Engling, daß er weltweit so verehrt wird?

Joachim Schmiedl: Josef Engling wurde 1898 im ermländischen Prossitten als viertes von sieben Kindern geboren. Nach der Schulzeit äußerte er den Wunsch, Priester zu werden, und kam in das Studienheim der Pallottiner in Schönstatt-Vallendar bei Koblenz. Hier wurden Missionare für Kamerun ausgebildet. In Schönstatt wurde er sehr tief beeinflußt vom Spiritual des Studienheims, Joseph Kentenich, der eine Marianische Kongregation gegründet hatte, in der Josef Engling verantwortlich mitarbeitete. Hier lernte er, an seiner Persönlichkeitsbildung zu arbeiten, sein religiöses Leben zu vertiefen und sich für eine apostolische Tätigkeit vorzubereiten. Unter den Bedingungen eines katholischen Internats lebte er diese Elemente genau so, wie er sie unter den Bedingungen des Soldatenlebens und Fronteinsatzes vertiefte. Nach seinem Tod, er fiel 1918 bei Cambrai, zog dieses einfache und doch so sprechende Beispiel rasch viele Menschen an, Jugendliche und Erwachsene. Besonders seine Todesstätte wurde zu einem Ort, an dem das eigene religiöse Engagement, die Verbindung mit der Gottesmutter Maria, der Mut zur Selbsterziehung und die Freude am christlichen Glauben erneuert und bei vielen erstmals geweckt wurde. Das geht bis heute so weiter und hat sich auch weltweit verbreitet. Vor allem in Südamerika sehen junge Menschen in Josef Engling ihr Vorbild.

Engling wird als jähzorniger Melancholiker mit Hang zum Kartenspiel beschrieben, der 1918 als Musketier bei Cambrai fiel. Klingt dies nach einem heiligen Leben?

Schmiedl: Karten spielte er tatsächlich sehr gern. Beim Spiel um Geld gehörte er auch manchmal zu den Gewinnern. Seine Melancholie ging freilich nie so weit, daß er am Leben verzweifelte. Diese Charaktereigenschaft war vielmehr eine große Hilfe für ihn, zu einer tiefen Gottes- und Menschenbeziehung zu wachsen. Und mit dem Jähzorn ist es wirklich nicht so weit her. Wenn ein heranwachsender junger Mensch, der sich acht Jahre über sein Innenleben Rechenschaft gibt, in dieser Zeit von etwa einer Handvoll Wutausbrüchen berichten kann, ist das für mich ein Zeichen großer Selbstbeherrschung. Die Heiligkeit im Leben Josef Englings liegt ja auch weniger in außergewöhnlichen Ereignissen und Taten, sondern in der Fähigkeit, an den Herausforderungen des Alltags zu wachsen.

Wieviel Ostpreußen steckte in Engling?

Schmiedl: Sehr viel. Engling fühlte sich als Ermländer. Aus der religiösen Tradition des katholischen Ermlandes lebte er. Die Wallfahrtsorte seiner Heimat, besonders Heiligelinde, Dietrichswalde und Springborn, waren ihm vertraut und lieb. Die Empfänglichkeit für alles Katholische brachte er von zu Hause mit. Es war der Grundstock für sein ganzes Leben.

Angeblich wird nun auch in Ostpreußen selbst Josef Engling entdeckt. In seinem Geburtshaus soll ein Museumszimmer eingerichtet sein.

Schmiedl: Das Geburtshaus in Prossitten steht leider nicht mehr. Seine Eltern haben bald nach der Geburt Josefs ein neues Haus gebaut, in dem er selbst auch gewohnt hat. Dieses konnte von der Schönstatt-Bewegung erworben werden. Alicja Kostka aus Kuhdippen hat darin ein Zimmer mit Erinnerungsgegenständen und Fotos eingerichtet. Einzelne und Gruppen aus der Umgebung, aber auch aus anderen Ländern kommen regelmäßig dort vorbei. Einmal im Jahr findet ein Seminarwochenende über Josef Engling statt.

Seit bald 55 Jahren läuft ein Verfahren mit dem Ziel der Seligsprechung Englings. Sie sind als Vize-Postulator im Seligsprechungsprozeß eingesetzt. Welche Wunder werden Engling zugeschrieben? Wie läuft so ein Seligsprechungsprozeß überhaupt ab?

Schmiedl: 1952 wurde in der Diözese Trier der Seligsprechungsprozess für Josef Engling eröffnet. Zwölf Jahre später wurden die Akten nach Rom gebracht. Dann allerdings kam es nach jahrelangen Streitigkeiten zur rechtlichen Trennung der Schönstatt-Bewegung von den Pallottinern. Da der Prozeß im Namen der Pallottiner geführt wurde, war es verständlich, daß er zunächst auf Eis gelegt wurde. Seit 2000 wird der Prozeß nun weitergeführt, und zwar gemeinsam von Pallottinern und Schönstättern. Ich deute das als ein moralisches Wunder.

Wie geht es weiter? Im Moment werden Dokumente zur Verehrung Josef Englings gesammelt, die sich auf die Zeit zwischen 1964 und heute beziehen. Wenn diese Phase abgeschlossen ist, werden die Akten nach Rom gebracht. Dort wird eine Lebensbeschreibung an Hand der Zeugenaussagen und der Dokumente geschrieben mit der besonderen Blickrichtung, ob er die Tugenden wirklich in heroischem Maß gelebt hat, also ob seine Gottesbeziehung und seine Nächstenliebe weit über das normale Maß hinausgegangen sind. Dann ist es notwendig, daß gewissermaßen als Bestätigung "von oben" ein Wunder auf seine Fürsprache geschieht und anerkannt wird. Die Entscheidung über die Anerkennung treffen Ärzte und Theologen. Dieses Wunder fehlt bis jetzt. Die letzte Entscheidung, ob Josef Engling seliggesprochen wird, liegt beim Papst selbst.

Wann rechnen Sie mit dem Ende des Prozesses?

Schmiedl: Wir hoffen, die ergänzenden Akten in diesem oder im nächsten Jahr in Rom abgeben zu können. Über einen erfolgreichen Abschluß läßt sich noch nichts sagen. Das wird sicher noch eine Reihe von Jahren dauern.

Sie sind an der Person und an dem Charakter Englings nah dran. Wie würde Josef Engling auf die heute übliche Beliebigkeit in der Glaubenspraxis der christlichen Kirchen reagieren?

Schmiedl: Typisch für Josef Engling war, daß er sich um den einzelnen gekümmert hat und ihm nachgegangen ist. Das war der Fall, wenn sich ein Mitschüler in einer persönlichen Krise befand. Das geschah auch im Krieg, wenn er sich bemühte, Mitsoldaten zum Gottesdienstbesuch zu bewegen. Glaube ohne Praxis war für Engling undenkbar. Aber die Hinführung zu dieser Praxis muß über das konkrete Vorbild von Christen erfolgen. Das können wir von Engling lernen. Ein Zitat von ihm: "Sie fühlen sich zu Kameraden hingezogen, von denen sie wissen, daß sie mit ihrem Herrgott gut stehen."

Kann der missionierende Christ in der hiesigen Diaspora auf Engling zurückgreifen?

Schmiedl: Die Diaspora hat Engling auch erlebt, wenn auch anders als wir Heutigen. Deshalb war ihm der Zusammenhalt auch so wichtig. Für mich ist beeindruckend, wie Josef Engling als Soldat fast jeden Tag einen Brief an seine Freunde aus der Marianischen Kongregation geschrieben hat. Wenn die äußeren Verhältnisse keine große Gemeindeerfahrung mehr zulassen, ist die Verbindung über Medien - damals Brief, heute Telefon und Internet - um so wichtiger. Und dafür müssen Christen heute viel mehr an Zeit und Geld investieren als früher.

Was zeichnet die Schönstatt-Bewegung aus?

Schmiedl: Die Schönstatt-Bewegung gehört zu den neuen Geistlichen Bewegungen. Von ihrem Gründungscharisma her ist sie marianisch, was durch eine besondere Form der Marienweihe, das "Liebesbündnis" mit der Gottesmutter, ausgedrückt wird. Es geht Schönstatt um eine christliche Gestaltung des Alltagslebens, um eine "Werktagsheiligkeit" und um die Verfügbarkeit für den Anruf Gottes in den Situationen und Aufgaben des Lebens. Faszinierend ist auch die weltweite Verbreitung, mittlerweile in allen Kontinenten. Daß sich alle überall zu Hause fühlen können, verdankt Schönstatt den kleinen Kapellchen, die an über 170 Orten originalgetreu dem Urheiligtum in Schönstatt nachgebildet sind.

Wie unterscheiden sich die Schönstätter von durchschnittlichen Marienverehrungs-Zirkeln?

Schmiedl: Die Schönstatt-Bewegung ist viel mehr als nur Marienverehrung. Es geht um einen Weg christlicher Lebensgestaltung in Verbindung mit Maria. Nicht nur Verehrung, sondern um es biblisch auszudrücken: Wie mit Jesus, so ist Maria auch bei dem, der sich ihr schenkt, in allen Lebenslagen anwesend. Sie begleitet und gestaltet, sie erzieht und formt. Marienverehrung ist für Schönstatt also keine einseitige Sache, sondern fordert beide Seiten, den Menschen und die Gottesmutter Maria, gleichermaßen heraus.

Der Islam breitet sich tatsächlich (oder gefühlt) in Europa aus und die Kirchen in Deutschland scheinen sich trotz einer gewissen Benedikt-Begeisterung nicht spürbar zu füllen. Peter Hahne spricht insoweit von einem feigen Verstecken des Christentums und verlangt mehr Prinzipientreue und Standfestigkeit im gelebten Glauben. Gibt die Schönstatt-Bewegung, gibt Josef Engling hierauf eine eigene, eine katholische Antwort?

Schmiedl: Eine gemeinsame Antwort der Schönstatt-Bewegung gibt es nicht. Das hängt aber vor allem an der föderativen Struktur, durch die jede Teilgemeinschaft selbstständig ist und agieren kann. Für Josef Engling wäre es sicherlich selbstverständlich, daß der Glaube auch offen gezeigt und bekannt werden muß. Dann würde er sich um ein besseres Verständnis der ihm fremden Religion bemühen. Ich schließe das daraus, daß er als Soldat Polnisch und Französisch gelernt und Bücher über zeitgenössische Philosophie, nicht nur christliche, gelesen hat. Beides gilt auch heute: sich nicht zurückziehen, aber auch gut über den eigenen und fremden Glauben informiert sein.

Pater Schmiedl, ich danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte Bernhard Knapstein.

Josef Engling: Er fiel bereits mit 20 Jahren im Ersten Weltkrieg. Foto: privat

 

Zur Person

Prof. Dr. Joachim Schmiedl wurde am 18. Dezember 1958 in Nürnberg geboren und ist Mitglied der Schönstattpatres. Sein Studium der Katholischen Theologie in Münster beendete Pater Schmiedl 1988 mit seiner Priesterweihe und Promotion. 1998 wurde er an der Westfälischen Wilhelms-Universität habilitiert. Seit 2001 ist er ordentlicher Professor für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar.

Pater Schmiedl ist seit 2003 Vize-Postulator im Seligsprechungsprozeß für Joseph Engling.

Prof. Dr. Joachim Schmiedl Foto: Knapstein


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