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06.05.06 / "Rachgierig, großmäulig und unverfroren" / Von einem Bauer der auszog eine neue Frau zu finden - Liebeswerben mit Hindernissen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. Mai 2006

"Rachgierig, großmäulig und unverfroren"
Von einem Bauer der auszog eine neue Frau zu finden - Liebeswerben mit Hindernissen
von E. Pultke-Sradnick

Das sollte ihm mit den Weibern nicht noch mal passieren, ihm nicht! Rachgierig, großmäulig und unverfroren waren sie. Der Kleinbauer Luberius zog seine Klumpen vor der Haustür aus, goß sich in der Küche einen Schnaps ein und legte sich aufs Sofa.

Es wurmte ihn ordentlich, dies mit der zodderkoppschen Lola Kammbrecht, dieser dowen Put. Auch, daß er auf dem Markt seine Hühner für nuscht und wieder nuscht losgeworden war.

Vor zwei Jahren war seine Frau gestorben, welches Unglück. Was die arbeiten konnte! Seitdem sie nicht mehr da war, lief alles nicht mehr so richtig. Sie fehlte ihm überall. Sie hatte sich ganz einfach zu Tode gerackert auf dem kleinen Anwesen. Für eine Magd hatte es nie ganz gereicht. Es war schon immer eine große Ausgabe, wenn sie im Sommer und zur Aust zwei Scharwerker nehmen mußten. Für seine Frau blieben dann gerade mal die 14jährigen Mädchen, die aus der Schule entlassen waren. Sie halfen dann in der Zeit des Einweckens für Obst und Gemüse.

Luberius hatte nun beschlossen, daß er doch wieder eine Bäuerin ins Haus holen wollte. Zuerst versuchte er aber den Hof zu verkleinern. Vor allem die Hühner mußten weg, auch der Hahn, das waren nur unnütze Fresser, machten Dreck, kakelten nur und krakeelten rum. Vier Stück würden ihm genügen.

So beschloß er am Sonnabend auf den Markt zu fahren. Aber wie sollte er das Federvieh bloß transportieren? An Ideen hatte es ihm noch nie gefehlt, und so ging er in den Wagenschauer und suchte sich da einen großen Korb. Dann ergriff er acht Hühner, die noch auf der Stange saßen, und band sie mit einem Benzel, einem alten Stück Bindfaden, am Fuß und ebenso am Korbbügel fest. Die Hühner sollten sich ja auch bewegen können. Über alles schlug er ein altes Tuch.

Der Markt war gut beschickt. Holzlöffel, Küchenbretter aller Art, Quirle, Gemüse- und Kraut-hobel, Reibeisen, Sturjel, Waschbretter. Auch Eimer und Zinkwannen konnte man bekommen, was man so auf dem Land brauchte. Gegenüber hatte der alte Warstat seinen überdachten Stand aufgeschlagen. Er verkaufte Pelz- und Schiebermützen, Hüte, Ohrenschützer und Handschuhe aus Wolle und Leder. Auch der blinde Jochen saß wieder an der Ecke. Auf seinem kleinen Tischchen lagen Schnürsenkel, Hosenträger, Nähnadeln und Zwirn, Heftpflaster und Sicherheitsnadeln. Wenn Luberius alles verkauft hatte, wollte er bei ihm mal vorbeigehen. Der hatte ja auch ein schweres Los. Zuerst mußte er aber jetzt noch den Gemüsemarkt durchqueren, erst dann kam der Platz für alle lebendigen Tiere wie Ferkel, Hühner, Kaninchen und anderes.

Es begann Mittag zu werden und Luberius hatte noch kein einziges Huhn verkauft. Die Hausfrauen waren richtig gnietsch. Sie begrabbelten und beplieserten die Hühner, sahen nach, ob sie auch fett waren, aber auch nicht zu fett, ob sie auch Eier legten, einen roten Kamm hatten. Kalkfüße zeigten das Alter an. "De dooge doch nich e moal färe Sopp", rief eine Frau ganz erbost. Ärgerlich gab er daraufhin dem Korb einen Tritt. Die Hühner erschraken, vergaßen, daß sie angebunden waren und flogen dank der gemeinsamen Kräfte mit dem Korb durch die Luft. Alle staunten und lachten. "Wat ett ok aller göwt", sagte der kleine Pertuleit, "da fehlt bloß noch e Oap onne Leiermann." Die Hühner kamen jedoch nicht weit. Der Korb krieselte und schaukelte und streifte Wanda Pikerns Stand dermaßen, daß die Butter, die Eier und der Käse durch die Gegend flogen. Bei Lemkes Anni brach sogar der ganze Stand zusammen und Pilze, Beeren, Porree und anderes Grünzeug verteilten sich mit Wandas Milch. Dann sackten die Hühner mit dem Korb zu Boden. Na, da mußte sich der Luberius aber was anhören! Damlichkeit läßt grüßen und daß dies hier eine Nummer fürs Panoptikum wäre, war noch gelinde ausgedrückt. Luberius sammelte alles zusammen und wollte verschwinden. Aber da hatte er sich verrechnet! Von wegen! Er mußte die Hühner als Schadenersatz zurücklassen. Luberius kochte vor Wut. Jetzt könnte er einen Schnaps gebrauchen.

Und dann stand da die Rothaarige am anderen Ende des Marktplatzes. Sie verkaufte Schlorren und Korken, karierte Preeßkes, warme Wuschen und Puschen. Sie zog ihn beim Vorbeigehen am Scheeske und begann ihn zu bedauern. Dann holte sie unter ihrem Schultertuch ein kleines Schnapsflaschchen vor. Sie wärmte es direkt an ihrem Herzen, gurrte sie mit funkelnden Augen. Anschließend gingen sie dann in den "Goldenen Hahn" zum Mittagessen. Er erzählte ihr jammernd sein Schicksal, und sie verstand ihn so gut wie keine andere. Sie käme ihn besuchen, sagte sie, und wer weiß, wenn vielleicht eine Bäuerin gebraucht würde? Sie war ja ledig und ihre Kinder waren aus dem Gröbsten heraus.

Sie kam schon drei Tage später, fein ausgeputzt und mit hochhackigen Schuhen. Sie ließ sich bewirten und rümpfte im Kuhstall die Nase und fragte, wer denn hier die Arbeit mache. Er verstand es ihr zu erklären: Arbeiten müßte die Zukünftige schon selbst. Sie meinte dann aber, daß sie das nicht nötig hätte, dann ginge sie lieber auf den Markt Preeßkes verkaufen. Er brauche sich bloß nicht einzubilden, daß sie ihm den Schweinestall ausmisten und womöglich noch Hühner fühlen würde. So schön wäre er nun wirklich nicht. Außerdem, wie er sich mit den Hühnern angestellt hätte, das alles wäre ja zirkusreif gewesen. "Du häst utgesehne wie e Uhl utem Schmolttopp." Dann legte sie sich noch drei Scheiben Schinken aufs Brot und aß mit dem Messer die dick in Scheiben geschnittene Blutwurst. Zum baldigen Abendbrot machte sie dann noch eine Eierflinse aus acht Eiern.

Luberius staunte, was Lola so verschlingen konnte. Dann stand sie auf, ließ alles stehen und liegen und sagte, sie müsse nach Hause. Hugo Luberius war ganz erschrocken und begann liebedienerisch um sie herumzuscharwenzeln. "Joa, Lolake, geföllt et die nich bi mi? Du kannst doch Buersche ware, moßt doch bloß noch ,Joa' segge."

"Du böst on blöwst doch e ol Dammelskopp, kick di doch moal an?" Dann raffte sie ihren Rock zusammen und zog los, daß es nur so staubte. Damlige Kurr, elendige, schrie er ihr noch nach, laß dich begraben. Aber was nun? Seine rosaroten Gedanken waren wie eine Seifenblase zerplatzt.

Sollte er sich nun doch noch mal das kleine Schielaugchen vom Nachtwächter Kallkies bekicken? Die sah ihn immer so bedeutungsvoll an. Aber womöglich sah sie ganz woanders hin.

Dann war er eingeschlafen und lief mit Mausi, dem Silberblickmädchen, über die blumigen Wiesen. Dort stolperten sie, fielen hin und kullerten, sich umarmend, den Abhang hinunter. Dann strich sie ihm liebevoll die Haare aus der Stirn. Sie sah ihn zärtlich an, und dann traf ihn ihr gesundes Auge mitten ins Herz. Das tat weh wie ein richtiger Schlag. Wie schade um alles ... Er war atmend nur vom Sofa gefallen und hatte die bunten Streifen der Flickerdecken für rote Wiesenblumen gehalten.

Einfach zu Tode Gerackert

Eine Nummer fürs Panoptikum

Mausi, das Silberblickmädchen


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