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03.06.06 / Und weiter wie gehabt / Das "Fortentwicklungsgesetz" zu Hartz IV - Dauerreformzug ins Chaos

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juni 2006

Und weiter wie gehabt
Das "Fortentwicklungsgesetz" zu Hartz IV - Dauerreformzug ins Chaos

Gesetze sind wie Kinder - sie tragen ambitionierte Namen, sorgfältig von den Eltern ausgewählt. Die rot-grüne Sozialgesetzverheißung brachte es darin zu wahrer Meisterschaft, siehe "Agenda 2010". Der Nachwuchs entwickelt sich jedoch nicht wie gehofft. Darum heißt die aktuelle Reform der Reform schlicht "Fortentwicklungsgesetz". Dieser zweite Anlauf zu einem Erfolg des Sozialgesetzes Hartz IV (Arbeitslosengeld II) ist nun Meßlatte für den Realitätssinn der Großen Koalition.

Man sei sich einig, verkündete CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder am Montag zum Thema Fortentwicklungsgesetz. Und zwar vor allem darin, daß noch weitere Änderungen folgen müßten. Kurz zuvor war nur davon die Rede, daß man Nachbesserungen "prüfen" müsse. Lange ist um Hartz gestritten worden, von Januar bis April stiegen die Kosten dramatisch. Die Arbeitsagenturen verteilten in dieser Zeit über eine Milliarde Euro mehr Arbeitslosengeld II als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Kam die politische Einsicht als Schnellschuß? - "Kleinere Reformen", so nannte der SPD-Vorsitzende Kurt Beck die neuen Beschlüsse. Jeder Koalitionär mißbraucht die unumgängliche Schau ins Innerste der rot-grünen Sozialgesetzgebung zur Erfolgsbilanz. Natürlich wird jetzt alles besser (CDU), natürlich war schon vorher alles bestens (SPD).

Die aktuellen, tatsächlich kleinmütigen Reformen sind allein der Not geschuldet: Hartz IV spart im Vergleich zur früher getrennten Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe nichts ein, sondern verpulvert zusätzliche Milliarden, die kein verantwortlicher Politiker mehr ausgeben kann. Auch dann nicht, wenn als Preis der Nachbesserung jedem das Hartz-Versagen klar wird. Dieses Versagen, aber auch die individuell zu erleidenden Folgen verleihen der Nachbesserung ihre Brisanz.

Sie steht nicht zufällig unter Leitung von Angela Merkel. Die angekündigten "Impulse" auf dem Arbeitsmarkt sind Chefsache. Da Merkel soziale Lösungen sucht und nicht die Wirtschaft fördert, hängt auch sie ihr politisches Schicksal an Hartz IV. Nicht den Arbeitsplätzen sondern der Verwaltung des Mangels gilt ihre Aufmerksamkeit. Der nötige Austausch der gescheiterten Hartz-Sozialgesetze durch ein neues Konzept war bisher mit der SPD nicht zu machen, auch wenn Merkel kurz nach der "Einigung" doch eine "grundlegende Überholung" forderte. Bis auf den Regelsatz für Arbeitslose solle alles auf den Prüfstand, so Merkel.

Impulse für den Arbeitsmarkt braucht die Regierung dabei dringender als alles andere. 25 Milliarden Euro will sie dafür investieren. Die ausufernde Verschwendung von Hartz-Mitteln, die bei fehlerhafter Software oder den umstrittenen "Bedarfsgemeinschaften" unverändert weitergeht, verlangt ihren Tribut. Ein Vergleich von Ausgaben und Einnahmen des maroden Systems zeigt: Allein im Jahr der Einführung 2005 war Hartz IV 6,5 Milliarden Euro teurer als die getrennten Systeme für Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Fehlinvestitionen mit Verweis auf eine bessere Zukunft waren damals Methode und gehen weiter.

Daß die leichte Abnahme der Arbeitslosenzahl nicht auf Hartzregeln zurückgeht, ist traurige Gewißheit, aber auch Chance. Wenn die bisherige Verteilungsunordnung endgültig nichts bewegt, ist Raum für klarere, aber nicht unsoziale Lösungsansätze für Arbeitslosigkeit. SV


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